JudikaturJustiz2Ob61/04s

2Ob61/04s – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. März 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Ömer S*****, geboren am 26. Jänner 1995, und Münevver S*****, geboren am 22. August 1987, über den Revisionsrekurs des Magistrates der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsfürsorge, Bezirke 1, 4, 5, 6, 7, 8, 9, Amerlingstraße 11, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, vom 10. Dezember 2003, GZ 45 R 838/03y-6, womit infolge Rekurses des Magistrates der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsfürsorge, Bezirke 1, 4, 5, 6, 7, 8, 9, der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 6. November 2003, GZ 7 P 194/03m-2, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung:

Die leiblichen Eltern der beiden Pflegebefohlenen haben durch einen Adoptionsvertrag Darilmaz Y***** an Kindesstatt angenommen. Die Wahleltern und das Wahlkind beantragen die gerichtliche Bewilligung der Adoption. Das Erstgericht bestellte das Amt für Jugend und Familie zum Kollisionskurator gemäß § 271 ABGB zur Vertretung der Pflegebefohlenen im Adoptionsverfahren mit der Begründung, die Eltern der Pflegebefohlenen könnten im Adoptionsverfahren die Interessen ihrer Kinder nicht ausreichend vertreten.

Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Magistrat der Stadt Wien erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig. Es vertrat die Ansicht, gemäß § 213 ABGB könne das Gericht den Jugendwohlfahrtsträger auch gegen seinen Willen zum Sachwalter bestellten, soferne die Voraussetzungen, nämlich dass sich hiefür sonst keine geeignete Person finden lasse, gegeben seien. Die mit der Vormund- oder Sachwalterschaft verbundene Belastung stelle keinen Entschuldigungsgrund dar. Der Jugendwohlfahrtsträger könne sich gegen seine Bestellung nur durch den Nachweis zur Wehr setzen, es sei eine geeignete andere Person vorhanden. Derartiges sei aber nicht behauptet worden. Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht für zulässig, weil es von der Entscheidung 5 Ob 100/03x des Obersten Gerichtshofes abgewichen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Magistrates der Stadt Wien ist zulässig und auch berechtigt.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass durch das Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001, welches mit 1. 7. 2001 in Kraft getreten ist, die Rechtsinstitute der Obsorge und der Kuratel klar abgegrenzt wurden (5 Ob 100/03x = RZ 2003, 257; 8 Ob 144/03i jeweils mwN).

Dass im vorliegenden Fall ein Kollisionskurator nach § 271 ABGB zu bestellen ist, ist nicht strittig. Nach Lehre und Rechtsprechung (siehe die Nachweise in 5 Ob 100/03x und 7 Ob 7/04m), kann - abgesehen von den spezifischen Sonderregeln des Jugendwohlfahrtsrechts für Minderjährige, die eine Vertretung durch den Jugendwohlfahrtsträger vorsehen - nur eine physische Person zum gesetzlichen Vertreter bestellt werden. § 212 ABGB kennt eine Vertretung des Kindes durch den Jugendwohlfahrtsträger für die in Abs 2 genannten bestimmten Angelegenheiten (Unterhalt, Vaterschaftsfeststellung) und gemäß Abs 3 für andere Angelegenheiten. Die Kollisionskuratel für einen Minderjährigen gemäß § 271 ABGB zählt aber nicht zu den "anderen Angelegenheiten" iSd § 212 Abs 3 ABGB. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Vertretung des Kindes nach dieser Stelle kraft Gesetzes und ohne Gerichtsbeschluss erfolgt, während der Kollisionskurator vom Gericht bestellt wird. Auch würde das Unterstellen der Kollisionskuratel unter § 212 Abs 3 ABGB dem erklärten Ziel des KindRÄG 2001, Obsorge und Kuratel klar abzugrenzen, zuwiderlaufen (5 Ob 100/03x, 8 Ob 144/03i, 7 Ob 7/04m). Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes kann die Bestellung des Jugendwohlfahrtsträgers zum Kollisionskurator auch nicht auf die Bestimmung des § 213 ABGB gestützt werden. Diese Regelung nimmt Bezug auf § 144 ABGB, wonach die Obsorge das Recht und die Pflicht der Eltern umfasst, das minderjährige Kind zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und es in diesen sowie allen anderen Angelegenheiten zu vertreten. Gefährden die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes, so hat das Gericht gemäß § 176 Abs 1 ABGB die zur Sicherung des Wohles des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen. Unter anderem kann in einem derartigen Fall der Jugendwohlfahrtsträger im Umfang der Entziehung gemäß § 213 ABGB ganz oder teilweise mit der Obsorge für den Minderjährigen betraut werden (8 Ob 144/03i mwN, 7 Ob 7/04m jeweils mwN).

Ein derartiger Fall liegt aber ganz offenkundig nicht vor, weshalb dem Revisionsrekurs Folge zu geben ist.