JudikaturJustiz2Ob40/03a

2Ob40/03a – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. März 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr.Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anita H*, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Feichtner, Rechtsanwalt in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei Inga Johanna W*, vertreten durch Dr. Peter Sparer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 6.057,43 sA, infolge von Rekursen beider Streitteile gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. November 2002, GZ 2 R 467/02v 15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 22. Juli 2002, GZ 2 C 1932/01z 10, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR333,12 (darin enthalten EUR 55,52 Ust) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Im Übrigen sind die Kosten der Rechtsmittelverfahren weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am 1. 8. 2001 ereignete sich gegen 17.30 Uhr in Oberndorf auf der Josef Hager Straße auf Höhe des Hauses 37 (Gasthof Neuwirt) ein Unfall, an welchem die Klägerin als Lenkerin, Halterin und Eigentümerin eines PKW Mitsubishi Colt und die Beklagte als Reiterin auf und Halterin einer Warmblutstute beteiligt waren. Die Beklagte, die eine geübte Reiterin und seit Mai 1972 im Besitz des Reiterpasses ist und am 24. 9. 1999 die Prüfung zur österreichischen Reiternadel sowie am 11. 11. 2000 jene zur Reiterlizenz R 1 erfolgreich abgelegt hatte, ritt damals mit ihrem seit zwei Jahren in ihrem Besitz befindlichen Pferd auf der Josef Hager Straße Richtung St. Johann, wobei sie den am linken Fahrbahnrand - in dieser Fahrtrichtung gesehen - gelegenen Gehsteig benützte, als beim Passieren des linker Hand gelegenen Hauses "Hornblick" zwei Hunde, die im dort befindlichen Hundezwinger gehalten wurden, lautstark zu bellen begannen. Aufgrund dessen scheute das Pferd der Beklagten und sprang vom Gehsteig nach rechts auf die Fahrbahn unmittelbar vor dem aus Richtung St. Johann mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h herannahenden PKW der Klägerin. Diese verriss ihr Fahrzeug nach links und bremste es voll ab, konnte jedoch einen Zusammenstoß mit dem Tier nicht vermeiden. Es konnte weder festgestellt werden, dass die Klägerin verspätet reagiert hätte, noch dass die Beklagte, die durch das Scheuen des Pferdes von diesem geschleudert wurde und es sodann nicht weiter beeinflussen konnte, durch irgendwelche Maßnahmen dieses Scheuen ihres Tiers sowie dessen plötzliche Bewegung nach rechts auf die Fahrbahn verhindern hätte können. Bei diesem Vorfall, bei dem noch ein weiterer Fahrzeuglenker zu Schaden kam, wurden beide Parteien und das Pferd der Beklagten verletzt und der PKW der Klägerin total beschädigt.

Die Klägerin begehrt Ersatz ihres Fahrzeugschadens, weiterer unfallskausal erwachsener Kosten sowie Schmerzengeld von S 45.000. Die Beklagte habe entgegen der Bestimmung des § 79 Abs 2 StVO nicht den am rechten Fahrbahnrand, sondern vielmehr den am linken Fahrbahnrand befindlichen Gehsteig benutzt. Dieser Umstand stelle eine Schutznormverletzung dar, die sich aufgrund der örtlichen Verhältnisse gefahrenerhöhend ausgewirkt habe. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass sich in unmittelbarem Nahbereich des Gehsteiges ein Freigehege (Zwinger) mit Hunden befinde und sie hätte daher damit rechnen müssen, dass eine Beeinträchtigung ihres Pferdes durch Hundegebell hervorgerufen werden könne, wobei bei einem vorschriftsmäßigen Reiten am rechten Fahrbahnrand ihr Pferd nicht gescheut hätte.

Die Beklagte bestritt ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalles. Die Bestimmung des § 79 Abs 2 StVO diene nicht dem Schutz des fließenden Fahrzeugverkehrs, sondern jenem von Fußgängern. Ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Verletzung dieser Bestimmung durch die Beklagte und dem Schadenseintritt liege nicht vor. Hingegen hafte die Klägerin für die Folgen des Unfalles nach der Bestimmung des EKHG als Halterin und Lenkerin ihres Fahrzeuges. Dem Klagebegehren werde eine Gegenforderung von EUR 1.000 an Schmerzengeld und EUR 399,70 an Behandlungskosten für das verletzte Pferd kompensando gegenübergestellt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt dahingehend, dass die Beklagte zwar nach § 79 Abs 2 StVO grundsätzlich verpflichtet gewesen wäre, am rechten Fahrbahnrand zu reiten. Der Unfall sei aber nicht dadurch verursacht worden, dass die Beklagte entgegen dieser Vorschrift auf dem am linken Fahrbahnrand gelegenen Gehsteig geritten sei, sondern einzig und allein dadurch, dass ihr Pferd aufgrund des plötzlichen und lauten Bellens zweier Hunde scheute und deshalb für sie nicht mehr beherrschbar gewesen wäre. Auch wenn die Beklagte vorschriftsmäßig den rechten Fahrbahnrand zum Reiten benutzt hätte, wäre infolge Hundegebells ein Scheuen und Auf die Fahrbahnspringen ihres Pferdes möglich gewesen. Der Schutzzweck des § 7 StVO sei darin gelegen, dass ein Verkehrsteilnehmer nicht mit dem Entgegenkommen von Fahrzeugen oder Reitern auf der für sie nicht bestimmten Fahrbahnhälfte rechnen müsse. Die Beklagte habe aber nicht die Fahrbahn, sondern den außerhalb derselben gelegenen Gehsteig benutzt, was zwar ebenfalls vorschriftswidrig gewesen wäre, wobei aber das Verbot des Reitens auf Gehsteigen dem Schutz der Fußgänger und nicht jenem von Fahrzeugen auf der Fahrbahn diene. Ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Verstoß der Beklagten gegen die Straßenverkehrsordnung und dem eingetretenen Unfall bestehe sohin nicht. Die Beklagte hafte auch nicht als Halterin ihres Pferdes, da ihr eine mangelnde Verwahrung nicht vorgeworfen werden könne. Nachdem sie mit ihrem Pferd bisher im Straßenverkehr noch keine Schwierigkeiten gehabt habe, könne das normale Reiten mit diesem auf der Straße nicht als mangelnde Verwahrung angesehen werden.

Das Berufungsgericht hob über Berufung der klagenden Partei dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig sei.

Die Beklagte sei zum Zeitpunkt des Unfalls Halterin des von ihr gerittenen Pferdes gewesen. Die Haftung des Tierhalters nach § 1320 ABGB sei zwar grundsätzlich eine Verschuldenshaftung und nicht Erfolgshaftung, jedoch eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast. Der Tierhalter habe zu beweisen, dass er nach objektiven Kriterien pflichtgemäß gehandelt habe; der Nachweis fehlenden subjektiven Verschuldens sei ausgeschlossen. Bei der Bestimmung des Maßes der erforderlichen Beaufsichtigung und Verwahrung eines Tieres spielten insbesondere die Gefährlichkeit desselben nach seiner Art und Individualität sowie die Möglichkeit der Schädigung durch spezifisches Tierverhalten eine Rolle. Es müsse zwar nicht jede denkbare Möglichkeit einer Schädigung ausgeschlossen sein, aber doch das Risiko nach der Wahrscheinlichkeit seiner Verwirklichung bedacht werden. Sei eine Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit von Menschen, dem anerkannt höchsten Gut, durch das Tierverhalten in Betracht zu ziehen, müsse die geforderte Verwahrung des Tieres durch Einzäunen, Anketten, Anlegen eines Maulkorbes oder Führen an der Leine als eine durchaus zumutbare und keine gravierende Interessen beeinträchtigende Maßnahme anerkannt werden, die jedenfalls in keinem Verhältnis zu der andernfalls bestehenden Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit von Menschen stehe. Dabei sei nicht nur das bisherige Verhalten des Tieres, sondern auch die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einer Schadenszufügung generell zu prüfen. Wenngleich die Beklagte eine geübte Reiterin mit entsprechenden Berechtigungen sei und somit im Sinne des § 79 Abs 1 StVO zum Bereiten von Straßen mit öffentlichem Verkehr grundsätzlich berechtigt gewesen sei, müsse jedem mit Umgang mit Pferden versierten Tierhalter bekannt sein, dass gerade beim Bereiten von Straßen mit öffentlichem Fahrzeugverkehr die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einer Schadenszufügung gerade im Hinblick auf das spezifische Tierverhalten eines Pferdes, wie insbesondere dessen Scheuen bei Konfrontation mit plötzlichen intensiven Lärmquellen, sei es von einem Fahrzeug herrührend oder auch vom plötzlichen Anschlagen von Hunden, besonders groß sei. Es sei eine allgemeine Erfahrungstatsache, dass gerade Pferde, selbst wenn sie grundsätzlich an Verkehr gewöhnt seien, in besonderen Situationen zu Reaktionen wie Scheuen, Aufbäumen und Durchgehen neigten. Ein derartiges spezifisches Tierverhalten zeitige aber gerade im Verkehrsgeschehen eine besonders hohe Gefahrenquelle. Der der Beklagten obliegende Nachweis, jede bei Bereiten von Straßen mit öffentlichem Verkehr gebotene objektive Sorgfalt eingehalten zu haben, sei nicht erbracht worden. So stehe nicht fest, dass die Beklagte, wie es in einer derartigen Situation zweifellos geboten gewesen wäre, ihr Pferd ständig am Zügel gehalten oder auf das Scheuen sofort mit entsprechenden reiterischen Maßnahmen reagiert habe, um ein Aufbäumen des Pferdes und ihren Abwurf von diesem hintanzuhalten. Da der nach § 1320 ABGB ihr obliegende Nachweis der Einhaltung jeglicher in einer derartigen Situation objektiv gebotenen Sorgfalt nicht gelungen sei, bestehe grundsätzlich Haftung für das Schadensereignis.

Nach § 79 Abs 2 StVO sei es verboten, beim Bereiten von Straßen mit öffentlichem Verkehr den Gehsteig zu benützen. Der sachliche Schutzzweck dieses Verbotes liege darin, die Behinderung, aber auch Gefährdung von Fußgängern hintanzuhalten, weshalb der Reiter auf die ausschließliche Benützung der Fahrbahn verwiesen sei. Daneben lasse sich aus der Bestimmung des § 79 Abs 2 StVO auch das Gebot entnehmen, am rechten Fahrbahnrand zu reiten. Der sachliche Schutzzweck dieses Gebotes erstrecke sich unzweifelhaft insbesondere auch auf den Gegenverkehr. Die Beklagte habe mit ihrem Bereiten des am linken Fahrbahnrand gelegenen Gehsteiges gegen das Gebot verstoßen, beim Bereiten einer Straße am rechten Fahrbahnrand zu reiten, um insbesondere auch eine Gefährdung oder Behinderung des Gegenverkehrs hintanzuhalten. Da eine Schutznormverletzung durch die Beklagte vorliege, hätte diese nach ständiger Rechtsprechung zur Haftungsbefreiung beweisen müssen, dass der Schaden auch bei vorschriftsmäßigem Verhalten eingetreten wäre. Derartiges sei nicht festgestellt worden. Wenn auch ein Scheuen des Pferdes der Beklagten und ein Springen desselben auf die Fahrbahn bei einem Reiten am rechten Fahrbahnrand möglich gewesen wäre, bedeute dies nicht den Nachweis, dass der Schade nicht bzw nicht in diesem Ausmaß eingetreten wäre. Es erscheine durchaus wahrscheinlich, dass bei einem Bereiten des rechten Fahrbahnrandes das Pferd der Beklagten nicht mit dem die linke Fahrbahnhälfte benutzenden PKW der Klägerin kollidiert wäre. Eine Haftung der Beklagten sei sowohl nach § 1320 ABGB als auch wegen der Schutzgesetzverletzung zu bejahen. Dieser stehe die Betriebsgefahrenhaftung der Klägerin als Halterin des von ihr gelenkten PKWs gegenüber. Als unabwendbar gelte ein Ereignis gemäß § 9 Abs 2 EKHG insbesondere dann, wenn es auf das Verhalten des Geschädigten, eines nicht beim Betrieb tätigen Dritten oder eines Tieres zurückzuführen sei, jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet worden und der Unfall nicht unmittelbar auf die durch das Verhalten eines nicht beim Betrieb tätigen Dritten oder eines Tieres ausgelöste außergewöhnliche Betriebsgefahr zurückzuführen sei. Abgesehen davon dass der Klägerin der Nachweis der Einhaltung jeder nach den Umständen des Falles gebotenen Sorgfalt nicht gelungen sei (die Feststellung des Erstgerichtes, wonach ein verspätetes Reagieren der Klägerin nicht erwiesen sei, bedeute nur, dass deren Reaktionsverzug nicht nachgewiesen sei; darüber hinaus wäre zu diskutieren, ob die volle Ausschöpfung der absolut zulässigen Geschwindigkeit durch die Klägerin im Hinblick auf ein am unmittelbar angrenzenden Gehsteig entgegenkommendes Pferd mit Reiter der äußerst gebotenen Sorgfalt tatsächlich entspreche), beinhalte das durch das Springen des Pferdes der Beklagten auf die Fahrbahn bedingte Verreissen eine außergewöhnliche Betriebsgefahr. Insgesamt überwiege aber der Beitrag der Beklagten zum Unfallsereignis schwerer, weshalb von einer Schadensteilung von 1 : 2 zu deren Lasten auszugehen sei.

Da zur Frage des Schutzzweckes des § 79 Abs 2 StVO eine höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht vorliege und diese Frage zur Beurteilung der Schadensteilung von Bedeutung sei, sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuzulassen.

Gegen diesen Beschluss erhoben beide Teile Rekurs. Die Klägerin beantragt, den Aufhebungsbeschluss dahingehend abzuändern, dass von einem Alleinverschulden der Beklagten auszugehen sei. Die Beklagte beantragt, den Aufhebungsbeschluss zu beheben und in der Sache selbst dahingehend zu entscheiden, dass der Berufung der klagenden Partei nicht Folge gegeben werde.

Beide Teile haben Rekursbeantwortung erstattet.

Der Rekurs der Klägerin ist unzulässig, jener der Beklagten nicht berechtigt.

Die Klägerin macht in ihrem Rechtsmittel geltend, es sei ihr der Entlastungsbeweis nach § 9 Abs 2 EKHG gelungen. Die außergewöhnliche Betriebsgefahr habe außer Betracht zu bleiben, wenn diese durch ein verschuldetes oder verkehrswidriges Verhalten des anderen Unfallsbeteiligten verursacht worden sei. Jedenfalls treffe die Beklagte ein eindeutiges Verschulden. In mehreren Entscheidungen sei ausgesprochen worden, dass bei weitaus überwiegendem Verschulden des einen Teiles die Haftung wegen außergewöhnlicher Betriebsgefahr entfallen könne.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Ob von einem Fahrzeuglenker jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG aufgewendet wurde, lässt sich nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilen (RIS Justiz RS0111708) und stellt daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage dar. Eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit zu beurteilende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht, liegt in dessen Annahme, die Klägerin habe durch Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit unter den gegebenen Umständen die zumutbare Sorgfalt nicht eingehalten, nicht erblickt werden. Wie schon das Berufungsgericht im Sinne der ständigen Rechtsprechung dargelegt hat, hat sich der Halter durch den Nachweis eines unabwendbaren Ereignisses zu entlasten und gehen nicht aufklärbare Ungewissheiten über den Unfallhergang zu Lasten des Haftpflichtigen (Apathy, Komm z EKHG, § 9 Rz 3 mwN). Auf die Frage des Vorliegens einer außergewöhnlichen Betriebsgefahr und deren Herbeiführung durch ein Verhalten des Geschädigten (siehe hiezu allerdings Schauer in Schwimann², ABGB, § 9 EKHG Rz 41) braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden.

Was die im Rekurs relevierte Frage der Verschuldensteilung betrifft, so kommt dieser Ermessensentscheidung grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (Kodek in Rechberger², ZPO, § 502 Rz 3 mwN). Keinesfalls ist es so, dass die Gefährdungshaftung gegenüber dem Mitverschulden immer zu vernachlässigen wäre (siehe Apathy, aaO, § 7 EKHG Rz 24 f mwN).

Der Rekurs der Klägerin ist daher wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit des Rekurses der Klägerin hingewiesen hat, waren ihr die Kosten der Rekursbeantwortung zuzusprechen.

Die Beklagte macht in ihrem Rechtsmittel geltend, die Bestimmung des § 79 Abs 2 StVO diene ausschließlich dem Schutz des Fußgängerverkehrs. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes sei auf den Verkehr auf Gehwegen die Bestimmung des § 7 Abs 1 StVO (Rechtsfahrgebot) nicht anzuwenden. Diese Bestimmung regle lediglich den Verkehr auf der Fahrbahn.

Schließlich treffe sie auch keine Tierhalterhaftung, weil nicht festgestellt worden sei, dass es ihr möglich gewesen wäre, das Scheuen des Pferdes zu verhindern.

Hiezu wurde erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Halter eines Tieres nur dann nicht für den von ihm herbeigeführten Schaden einzustehen, wenn ihm der Beweis gelingt, dass er für die nach § 1320 ABGB erforderliche Verwahrung und Beaufsichtigung des Tieres gesorgt hat, was nach objektiven Kriterien zu beurteilen ist (ZVR 1995/85). Die Bestimmung des Maßes der erforderlichen Beaufsichtigung und Verwahrung hat in elastischer und den Umständen des Einzelfalles Rechnung tragender Weise zu erfolgen. Dabei spielt die Gefährlichkeit des Tieres, die Möglichkeit der Schädigung durch das spezifische Tierverhalten und die Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Rolle. Es sind nicht nur das bisherige Verhalten des Tieres, sondern auch die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einer Schadenszufügung zu prüfen. Da im vorliegenden Fall ein Reitfehler der Beklagten nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde der Beweis, für die erforderliche Beaufsichtigung des Tieres gesorgt zu haben, nicht erbracht.

Gemäß § 79 Abs 2 Satz 1 StVO dürfen Reiter nur die Fahrbahn und auf Straßen mit Reitwegen nur die Reitwege benützen. Die Beklagte hat durch das Bereiten des Gehsteiges gegen diese Bestimmung eindeutig verstoßen. Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist aber nur für jene Schäden zu haften, welche die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck gerade verhindern wollten (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht12, II 297 mwN). Um herauszufinden, ob die jeweilige Vorschrift, die übertreten wurde, den im konkreten Fall eingetretenen Schaden verhindern wollte, ist das anzuwendende Schutzgesetz teleologisch zu interpretieren (ZVR 1997/45; 1995/75 ua). Der Zweck der zitierten Gesetzesbestimmung besteht aber nach Ansicht des erkennenden Senates eindeutig in der Hintanhaltung der Gefährdung von Fußgängern auf den Gehsteigen, nicht aber darin, Autolenker vor Kollisionen mit Pferden zu schützen. Autolenker sind vielmehr dann, wenn von Reitern die Bestimmung des § 79 Abs 2 Satz 1 StVO eingehalten und die Fahrbahn benützt wird, viel mehr einer Kollision mit diesen Tieren ausgesetzt als dann, wenn sie entgegen dieser Bestimmung - den Gehsteig benützen.

Der Verstoß der Beklagten gegen diese Bestimmung führt daher zu keiner Haftung für die eingetretenen Schäden.

Zu Unrecht wurde der Beklagten auch ein Verstoß gegen § 7 Abs 1 StVO angelastet. Diese Bestimmung ist zwar gemäß § 79 Abs 2 Satz 2 StVO bei der Benützung der Fahrbahn durch Reiter sinngemäß anzuwenden; es gilt daher auch für Reiter, wenn sie die Fahrbahn benützen, das "Rechtsfahrgebot" des § 7 Abs 1 StVO (Mayer, Pferdehaltung und Reitsport, 121). Da sich die Beklagte aber im konkreten Fall eben nicht auf der Fahrbahn befunden hat, ist ihr ein Verstoß gegen § 7 Abs 1 StVO nicht anzulasten.

Zusammenfassend steht letzlich der Tierhalterhaftung der Beklagten die vom Fahrzeug der Klägerin ausgehende Betriebsgefahr gegenüber, was nach Ansicht des erkennenden Senates die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung von 2 : 1 zu Lasten der Beklagten rechtfertigt.

Insowit gründet sich die Kostenentscheidung auf § 52 ZPO.