JudikaturJustiz2Ob366/64

2Ob366/64 – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Februar 1965

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Köhler, Dr. Pichler, Dr. Höltzel und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dieter L*****, vertreten durch Dr. Hans Sollböck, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei Leopold R*****, vertreten durch Dr. Ernst Üblacker Risenfels, Rechtsanwalt in Amstetten, wegen restl 10.040 S sA sowie restl Feststellung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. Oktober 1964, GZ 8 R 200/64 18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichts St. Pölten vom 17. Juni 1964, GZ 2 Cg 583/63 13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 710,44 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat als Motorradfahrer am 18. 9. 1961 auf der E***** südlich von P***** durch den Zusammenstoß mit dem vom Beklagten gezogenen Handwagen einen Verkehrsunfall erlitten. Wegen dieses Unfalls ist gegen beide Parteien zu U 910/61 des Bezirksgerichts Scheibbs das Strafverfahren eingeleitet worden; mit Urteil dieses Gerichts vom 28. 11. 1961 sind beide Streitteile wegen Übertretung gegen die Sicherheit des Lebens nach § 335 StG rechtskräftig verurteilt worden (im Spruche dieses Urteils ist dem Beklagten zur Last gelegt worden, bei der obbezeichneten Gelegenheit den Handwagen in unbeleuchtetem Zustande trotz Dunkelheit und ohne Blendlinse geführt zu haben, dem Kläger aber, mit seinem Motorrad mit abgeblendetem Schweinwerfer mit einer für die Sichtverhältnisse zu hohen Geschwindigkeit gefahren zu sein; ON 10 der bezogenen Strafakten). Nunmehr macht der Kläger wegen der Unfallsfolgen Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten aus Verschulden geltend, gesteht aber bereits in der Klage ein eigenes Mitverschulden in der Höhe von 50 % zu.

Das Erstgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 20.080 S sA an den Kläger verurteilt und festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger für sämtliche aus dem Verkehrsunfalle vom 18. 9. 1961 noch entstehenden Schäden zu 40 % ersatzpflichtig sei; das Mehrbegehren auf Zahlung von 10.020 S sowie das Feststellungsmehrbegehren hat das Erstgericht abgewiesen.

Gegen das Ersturteil hat nur der Beklagte berufen und mit dieser Berufung (ON 15) zu erreichen gesucht, dass seine Ersatzpflicht auf 20 % beschränkt werde. Der Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht nicht Folge gegeben und mit seinem Berichtigungsbeschluss vom 14. 12. 1964 ausgesprochen, dass der Wert des Streitgegenstands (im Berufungsverfahren) 15.000 S übersteige.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der beklagten Partei: sie ficht dieses Urteil in seinem ganzen Inhalte an; sie bezieht die Revisionsgründe des § 503 Z 3 und 4 ZPO und beantragt sinngemäß die Abänderung des Berufungsurteils dahin, dass das Klagebegehren, soweit darin die Haftung des Beklagten für mehr als 20 % des Schadens des Klägers geltend gemacht werde, abgewiesen werde.

Die klagende Partei hat die Revision bekämpft und beantragt, ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach der dargestellten Aktenlage zulässig; sie ist aber nicht begründet.

Der Revisionsgrund des § 503 Z 3 ZPO ist vom Revisionswerber zwar bezogen worden, aus den Revisionsausführungen ergibt sich aber nicht, worin eine Aktenwidrigkeit des Berufungsurteils nach der Auffassung des Beschwerdeführers gelegen wäre. Bei der Erledigung der Rechtsrüge (§ 503 Z 4 ZPO) ist daher von jenem Sachverhalte auszugehen, den die Berufungsinstanz in Übereinstimmung mit dem Erstgerichte als erwiesen angenommen hat. Auf dieser Grundlage erweist sich jedoch die Rechtsrüge als nicht gerechtfertigt. Nach den Revisionsausführungen steht lediglich zur Erörterung, ob die Schadensaufteilung in einem für den Beklagten günstigeren Verhältnisse vorzunehmen sei, als die Vorinstanzen angenommen haben (2 zu 3 zu Lasten des Klägers); dabei macht der Revisionswerber, wie erwähnt, geltend, dass der Schade im Verhältnisse von 1 zu 4 zu Lasten seines Prozessgegners aufzuteilen sei. Diese Auffassung des Revisionswerbers wird der Bedeutung des ihm schon nach dem Straferkenntnisse zur Last liegenden Verstoßes hinsichtlich der Bestimmungen über die Beleuchtung des auf der Bundesstraße gezogenen Handwagens (§§ 60 und 73 StVO 1960) keineswegs gerecht. Es ist doch festgestellt, dass der Beklagte und seine Tochter Hermine den 2 m langen, 1,5 m breiten und 1 m hohen Handwagen, der keinen Rückstrahler hatte, trotz fortgeschrittener Dämmerung unbeleuchtet auf der Freilandstraße (§ 2 Abs 1 Z 16 StVO 1960) am rechten Rande der dortselbst 7,65 m breiten asphaltierten Fahrbahn gezogen haben, sodass der ihnen mit dem Motorrade folgende Kläger, der wegen des Gegenverkehrs auf Abblendlicht geschaltet hatte, den Handwagen von hinten rammte und dabei stürzte. Gewiss hat der Kläger vor dem Zusammenstoß nach dem Abblenden seines Scheinwerfers mit etwa 80 km/h eine für die Sichtverhältnisse zu hohe Geschwindigkeit eingehalten und es trifft auch zu, dass nach den vorinstanzlichen Feststellungen dem Kläger bei der trotz fortgeschrittener Dämmerung noch immer gegebenen Sichtmöglichkeit von rund 70 m darüber hinaus ein Aufmerksamkeitsfehler zur Last fällt; diese Umstände haben aber bereits die Vorinstanzen angemessen berücksichtigt, als sie das überwiegende Verschulden des Klägers am Verkehrsunfall vom 18. 9. 1961 in dem oben bezogenen Verhältnisse von 2 zu 3 zu seinen Lasten annahmen. Dass der Unfall „nur bzw fast ausschließlich auf die unaufmerksame Fahrweise des Motorradfahrers zurückzuführen sei“, ist eine Behauptung des Revisionswerbers, die schon der Bedeutung des gegen ihn ergangenen Straferkenntnisses (§ 268 ZPO) widerspricht und außerdem außer Acht lässt, dass sich die Kraftfahrer auf einer Bundesstraße darauf verlassen dürfen, dass Verkehrshindernisse bei Dämmerung und Dunkelheit vorschriftsmäßig beleuchtet werden. In ähnlichen Auffahrunfällen ist in der Rechtsprechung in der Regel darauf verwiesen worden, dass jener Verkehrsteilnehmer den Unfall ausgelöst habe, der sein Fahrzeug vorschriftswidrig unbeleuchtet gelassen hatte. Ein Rechtsirrtum (§ 503 Z 4 ZPO) ist also nicht zu erkennen, wenn die Untergerichte den Schaden in keinem für den Beklagten günstigeren Verhältnisse (als von 2/5 zu 3/5 zu Lasten des Klägers) aufgeteilt haben.

Aus diesen Erwägungen muss der Revision jeder Erfolg versagt bleiben.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.