JudikaturJustiz2Ob24/21z

2Ob24/21z – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. September 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé, den Hofrat Dr. Nowotny und die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ÖBB Infrastruktur Aktiengesellschaft, Wien 2, Praterstern 3, vertreten durch Walch Zehetbauer Motter Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die (ehemals fünft )beklagte Partei A*****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 330.992,75 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 22. Dezember 2020, GZ 6 R 13/20h 63, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin , ein Eisenbahninfrastruktur-unternehmen (EIU), macht Schadenersatzansprüche aus der Entgleisung eines Güterzugs mit in Spanien zugelassenen Waggons auf dem österreichischen Schienennetz im Jahr 2008 geltend (vgl dazu bereits 2 Ob 18/16k), die sie mit vertraglicher und deliktischer Haftung begründet.

[2] Die Beklagte war weder Eigentümerin oder Halterin der Unfallwaggons noch betrieb sie diese als Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU). Sie hatte lediglich 2005/06 um Zustimmung ersucht, dass die nicht RIV konformen Waggons das österreichische Schienennetz nutzen dürfen, und dafür deren Baugleichheit mit bereits im österreichischen Schienennetz eingesetzten Waggons des gleichen Typs bestätigt. Außerdem hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten als spanische Zulassungsbehörde dem zuerst entgleisten Unfallwaggon bereits im Jahr 2000 die Genehmigung zum Befahren des spanischen Schienennetzes erteilt. Von einem 2008 erfolgten Umbau der Unfallwaggons hatten weder die Klägerin noch die Beklagte vor dem Unfall Kenntnis.

[3] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

[5] 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können, wenn in der Berufung nur in bestimmten Punkten eine Rechtsrüge ausgeführt wurde, andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden, wenn es um mehrere selbständig zu beurteilende Rechtsfragen geht (RS0043573 [T43], RS0043338 [T27]).

[6] In der Berufung stützte die Klägerin ihre Ansprüche zwar noch darauf, dass durch den Umbau der Waggons im Jahr 2008 die zwei Jahre davor bestätigte Baugleichheit wieder beseitigt worden sei und damit auch die Zustimmung zur Nutzung des Schienennetzes ihre Gültigkeit verloren habe. Den in erster Instanz erhobenen Vorwurf, dass schon bei der Zustimmungserteilung im Jahr 2006 behördliche Genehmigungen in Spanien gefehlt hätten, machte sie dagegen im Berufungsverfahren nicht mehr geltend.

[7] Damit kann auf jene Argumente der Revision nicht eingegangen werden, die auf der nun neuerlich aufgestellten Behauptung fußen, die Beklagte hätte die Klägerin 2005/06 darauf hinweisen müssen, dass die Waggons in Spanien nicht behördlich genehmigt seien. Das im Zusammenhang mit diesem Thema angeregte Vorabentscheidungsersuchen ist weder erforderlich noch möglich, weil die Entscheidung nicht von der Auslegung von Unionsrecht abhängt.

[8] 2. Grundsätzlich hat jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (RS0037797). Die Klägerin hätte daher nachzuweisen gehabt, dass die Beklagte falsche Angaben machte, als sie 2005/06 die Zustimmung zur Netznutzung einholte. Dieser Nachweis ist ihr nicht gelungen.

[9] Nach den Feststellungen wurden die Radsätze der Unfallwaggons erst 2008 umgebaut. Da die Klägerin nie andere Bauartabweichungen behauptete, ist dieser Sachverhalt so zu verstehen, dass die Unfallwaggons vor dem Umbau baugleich mit den anderen Waggons desselben Typs waren, denen die Rechtsvorgängerin der Klägerin schon früher die Zustimmung zur Nutzung ihres Schienennetzes erteilt gehabt hatte. Sekundäre Feststellungsmängel zur Baugleichheit im Jahr 2006 sind auf dieser Tatsachenbasis ebenso zu verneinen wie eine Haftung der Beklagten für falsche oder unvollständige Angaben zur Netzkonformität der Unfallwaggons. Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts liegt insoweit nicht vor.

[10] 3. Für die gesetzmäßige Ausführung der Rechtsrüge genügt die pauschal gehaltene Rüge, das Rechtsmittelgericht habe die Rechtsfrage unrichtig gelöst, nicht. Vielmehr wäre darzulegen, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig erscheint (vgl RS0043605).

[11] Im vorliegenden Fall erklärte schon das Berufungsgericht, aus den Rechtsausführungen der Klägerin nicht ableiten zu können, wieso die Beklagte aus Vertrag oder Garantie oder Wegfall der Geschäftsgrundlage haften sollte. Es reicht daher nicht aus, sich in der Revision erneut auf diese Anspruchsgrundlagen zu stützen, ohne die mit dem Rechtsmittel angestrebte Rechtsfolge aus dem festgestellten Sachverhalt (oder im Fall behaupteter sekundärer Feststellungsmängel aus dem Vorbringen) in Form einer nachvollziehbaren Subsumtion konkret abzuleiten (vgl RS0043603 [T6]).

[12] Die Klägerin begehrt Schadenersatz nach österreichischem Recht, vermag aber nicht zu begründen, warum die Beklagte ein Verschulden am Eintritt ihres Schadens treffen soll. Nach den Feststellungen hatte die Beklagte von dem 2008 erfolgten Umbau ebenso wenig Kenntnis wie die Klägerin. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagten diese Unkenntnis vorwerfbar wäre, lassen sich dem Sachverhalt nicht entnehmen. Soweit die Klägerin aus einem angeblichen „Zustimmungsvertrag“ eine Garantenstellung der Beklagten abzuleiten versucht, bleibt mangels Begründung weiterhin unklar, woraus sich diese ergeben soll. Auch dazu zeigt die Klägerin daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[13] 4. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 2 Ob 18/16k (Pkt IV.4.1.1.) = RS0131295 klargestellt, dass die Pflicht zur betriebs- und verkehrstechnischen Sicherung einschließlich der Verpflichtung, Schienenfahrzeuge „ nach Maßgabe der Rechtsvorschriften und entsprechend der nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Genehmigungen und Bewilligungen zu betreiben und [...] diesbezüglich die notwendigen Vorkehrungen zu treffen “ nach § 19 Abs 3 EisbG idF BGBl I Nr 125/2006 ausschließlich das EVU und nicht (auch) den Wagenhalter traf. Wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangte, dies gelte auch für sonstige Dritte, wie die hier Beklagte, stimmt dies mit der zitierten Rechtsprechung überein.

[14] Die Frage, ob das EVU auf die an den Waggons angebrachten Zustimmungsplaketten vertrauen durfte oder ob es die Einhaltung der Bedingungen selbst überprüfen musste, ist hier nicht präjudiziell. Ansprüche aus dem Waggonnutzungsvertrag zwischen dem EVU und der Halterin sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

[15] 5. Die Klägerin zeigt damit in ihrer außerordentlichen Revision insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Das Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen.