JudikaturJustiz2Ob239/67

2Ob239/67 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Oktober 1967

Kopf

SZ 40/125

Spruch

Zur Frage der Geltendmachung des Anspruches nach § 1326 ABGB. in Form einer Rente.

Entscheidung vom 12. Oktober 1967, 2 Ob 239/67.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Nach dem festgestellten Sachverhalt ist die Klägerin am 5. September 1962 in K. bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden, den der Erstbeklagte als Lenker eines dem Zweitbeklagten gehörigen Kraftfahrzeuges verschuldet hat. Der Erstbeklagte ist mit seinem Kraftwagen auf den Gehsteig gefahren und hat die dort mit einem zweiten Mädchen stehende, damals dreizehnjährige Klägerin niedergestoßen. Er ist wegen dieses Unfalles vom Strafgericht rechtskräftig verurteilt worden.

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin Schadenersatzansprüche gegen die beiden Beklagten als Lenker und Halter des am Unfall beteiligten Kraftfahrzeuges gestellt. Sie hat behauptet, daß sie zur Zeit des Unfalles die dritte Klasse des Gymnasiums in K. mit Erfolg abgeschlossen hatte, daß sie eine überdurchschnittlich begabte Schülerin sei und die Absicht habe, nach der Matura die Universität zu besuchen. Als Folge der Verletzungen sei der linke Oberschenkel amputiert worden. Dadurch sei ihre Erwerbsfähigkeit um mindestens 60% herabgesetzt. Auch sei sie verunstaltet und ihre Heiratsaussichten seien verringert. Es handle sich um einen Dauerschaden, durch den ihr besseres Fortkommen verhindert werde. Sie erleide einen tatsächlichen Verdienstentgang, weil sie ihre Nebenbeschäftigung in der Gastwirtschaft ihrer Eltern nicht mehr im früheren Umfang ausüben könne. Sie begehre daher eine Rente von monatlich 200 S für die Zukunft. Außerdem begehre sie gemäß § 1326 ABGB. eine monatliche Rente von 800 S ab dem Unfallstag. Da die Folgen des Unfalles nicht abzusehen seien, stelle sie auch ein Feststellungsbegehren.

Die Beklagten haben das Feststellungsbegehren anerkannt. Sie haben behauptet, daß sie in dieser Hinsicht keinen Anlaß zur Klage gegeben hätten. Im übrigen haben sie das Klagebegehren bestritten und Klagsabweisung begehrt. Sie haben eingewendet, daß die Klägerin für die Vergangenheit in ihrem Fortkommen nicht gehindert worden sei und daher für diesen Zeitraum keinen Anspruch nach § 1326 ABGB. habe. Für die Zukunft sei ein solches Begehren verfrüht. Außerdem könne die Klägerin keine Rentenleistung, sondern allenfalls eine Kapitalsentschädigung begehren. Sie habe auch keinen tatsächlichen Verdienstentgang erlitten. Eine abstrakte Rente könne sie für die Zukunft nicht begehren, weil nicht feststehe, daß sie in Zukunft einen Verdienstentgang haben werde.

Das Erstgericht hat die Beklagten verurteilt, der Klägerin monatlich 800 S ab September 1962 bis Oktober 1966, "zusammen 40.000 S", und eine monatliche Rente von 200 S ab 2. September 1965 zu bezahlen. Das Mehrbegehren von monatlich 800 S ab 1. November 1966 hat es abgewiesen. Dem Feststellungsbegehren hat es stattgegeben.

Das Erstgericht hat als erwiesen angenommen, daß die Klägerin die behaupteten Verletzungen und Verletzungsfolgen erlitten und die Absicht habe, nach der Matura Bankangestellte zu werden und erst einige Jahre nach Eintritt in das Berufsleben, etwa mit 22 Jahren, zu heiraten. Die Klägerin habe vor dem Unfall in der Gastwirtschaft ihrer Eltern ausgeholfen und habe jährlich zirka 40 Tage dort gearbeitet und an Trinkgeldern monatlich 600 bis 800 S verdient. Seit dem Unfall könne sie nur mehr in der Schank arbeiten, verdiene keine Trinkgelder und erhalte von ihren Eltern pro Arbeitstag 50 S.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß die Klägerin nach § 1326 ABGB. keinen Anspruch auf eine Rentenleistung, sondern nur auf eine Entschädigung durch einen Kapitalsbetrag habe. Diese Entschädigung sei mit 40.000 S angemessen. Die Klägerin erleide aber einen tatsächlichen Verdienstentgang zufolge der Änderung ihrer Beschäftigung im Geschäft ihrer Eltern nach dem Unfall. Dieser übersteige die von der Klägerin begehrte monatliche Rente von 200 S. Eine zeitliche Begrenzung dieses Anspruches sei von den Beklagten nicht beantragt worden.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin berufen und begehrt, das erstgerichtliche Urteil dahin abzuändern, daß ihrem Klagebegehren vollinhaltlich, also auch hinsichtlich ihres Rentenbegehrens von monatlich 800 S ab 6. September 1962, stattgegeben oder ihr eine Barabfindung von 200.000 S in monatlichen Teilbeträgen ab September 1962 zugesprochen werde.

Das Berufungsgericht hat der Berufung nicht Folge gegeben. Es war der Ansicht, daß der der Klägerin vom Erstgericht nach § 1326 ABGB. zuerkannte Entschädigungsbetrag von 40.000 S angemessen sei. Es sei nicht ausschlaggebend, auf welche Weise das Erstgericht zu diesem Betrag gelangt sei. Es erübrige sich daher, auf die Frage einzugehen, ob nach dieser Gesetzesstelle eine Entschädigung auch in Form einer Rente begehrt werden könne.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin macht geltend, daß die Ansicht unrichtig sei, sie könne als Entschädigung nach § 1326 ABGB. nur einen Kapitalsbetrag begehren. Sie ist der Meinung, daß sie auch nach dieser Gesetzesstelle einen Anspruch auf eine Rentenleistung habe und daß ihr daher die Untergerichte die begehrte Rente von monatlich 800 S ohne Begrenzung hätten zusprechen müssen.

Diesen Ausführungen kann nur insoweit beigepflichtet werden, als es nach Lehre und Rechtsprechung zulässig erscheint, dem nach § 1326 ABGB. Geschädigten eine Entschädigung in Form einer Rente zuzusprechen (EvBl. 1940 Nr. 58, 2 Ob 145/53, Piegler in ÖJZ. 1956 S. 2 ff., Steininger in der Festschrift zum 60. Geburtstag Walter Wilburgs, S. 181 ff). Diese Rente muß sich aber im Rahmen der Entschädigungsbeträge halten, die im einzelnen Fall für derartige Verletzungsfolgen angemessen sind. Die Klägerin hat nun als Entschädigung nach § 1326 ABGB. eine monatliche Rente von 800 S vom Unfallstag ohne zeitliche Begrenzung, also auf Lebensdauer, begehrt. Da die Klägerin am Unfallstag erst 13 Jahre alt war, würde ihr auf diese Weise eine Entschädigung zuerkannt werden, die weit über den Rahmen einer angemessenen Entschädigung hinausgehen und die ihr trotz der Schwere der Verletzungsfolgen nicht zustehen würde. Der Klägerin mußte als Folge ihrer Verletzungen der linke Oberschenkel etwa 6 bis 8 cm oberhalb des Kniegelenks amputiert werden. Sie muß eine Prothese tragen. Dies stellt eine schwere Dauerfolge des Unfalles dar. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, daß diese Dauerfolge eine Verunstaltung der Klägerin im Sinne des § 1326 ABGB. bedeutet und daß sie dadurch in ihrem Fortkommen behindert ist. Für derartige Verletzungsfolgen sind bisher Entschädigungen von 20.000 bis 40.000 S zuerkannt worden (ZVR. 1963 Nr. 209, ZVR. 1965 Nr. 86 u. a.), sodaß sich die der Klägerin zuerkannte Entschädigung an der oberen Grenze dieses Rahmens hält. Es ist daher erforderlich gewesen, das Rentenbegehren der Klägerin zeitlich so zu begrenzen, daß die zuerkannten Leistungen diesen Betrag nicht übersteigen. In den von der Klägerin zitierten Entscheidungen 2 Ob 145/53 und 2 Ob 601/57 hat der Oberste Gerichtshof zur Höhe der zuerkannten Rente nicht Stellung genommen, sodaß daraus für den Standpunkt der Klägerin nichts abgeleitet werden kann.

Aus diesen Erwägungen war der Revision ein Erfolg zu versagen.