JudikaturJustiz2Ob2188/96w

2Ob2188/96w – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth L***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Teja H. Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei U*****, vertreten durch Dr.Hans-Peter Benischke und Dr.Edwin Anton Payr, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 117.999,70 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 7.Dezember 1995, GZ 6 R 215/95-25, mit welchem das Urteil des Landesgerichtes Graz vom 15.Mai 1995, GZ 22 Cg 239/94k-19, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt von der beklagten Partei wegen mangelhafter Absicherung der Fahrbahn, aus der ein Kanaldeckel herausragte, Zahlung von insgesamt S 117.999,70 sA. Sie sei mit ihrem Fahrzeug gegen den Kanaldeckel gefahren.

Die beklagte Partei wendete ein, zur Unfallszeit für die Unfallsstelle nicht mehr verantwortlich gewesen zu sein.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen.

Es traf nachstehende Feststellungen:

Die Unfallstelle befindet sich im Stadtgebiet von Graz/Waltendorf, in der Rudolfstraße auf Höhe des Hauses Nr. 146. Die Sicht von Westen kommend ist über 100 m frei. Der Kanaldeckel ist aus einer Entfernung von 30 bis 40 m erkennbar.

Zur Unfallszeit war wegen durchgeführter Kanalbauarbeiten der Nahebereich der Unfallstelle als Schotterstraße ausgebildet und noch nicht neu asphaltiert. Der Kanaldeckel bildete in Richtung Westen eine Stufe in der Größenordnung zwischen 12 bis 15 cm.

Die Klägerin (richtig Geschäftsführerin der klagenden Partei) befuhr die Rudolfstraße mit einer im nachhinein nicht mehr nachvollziehbaren Geschwindigkeit. Als sie das Hindernis wahrgenommen hatte, nahm sie es genau "zwischen die Räder" und betätigte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch die Bremse, weshalb das Unfallsgeschehen in einem "Bremsnicken" erfolgt sein muß. Die normale Bodenfreiheit des PKW hätte bei diesem Hindernis ausgereicht, um ohne Kontakt über die Erhöhung hinweg zu fahren. Der gegenständliche Unfall ereignete sich dadurch, daß die Klägerin (Geschäftsführerin der klagenden Partei) die Bremse betätigte und der Zusammenprall durch das Eintauchen der Karosserie erfolgte. Man hätte ohne weiteres auch mit 50 bis 60 km/h ungebremst über dieses Hindernis hinwegfahren könne. In jedem Fall wäre es sinnvoll gewesen, bei einer rechtsgelegenen Fahrlinie das Hindernis mit den linken Rädern zu überrollen.

Aus den Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung der Sache ergibt sich ferner die Tatsachenfestellung, daß sich vor der Unfallstelle das Gefahrenzeichen "Querrinne" oder "Aufwölbung" gemäß § 50 Z 1 StVO und das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (Erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" gemäß § 52 Z 10a StVO mit der Angabe einer Stundenkilometeranzahl von 30 befanden.

Rechtlich erörterte das Gericht, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Schadenersatz habe, weil die Unfallstelle durch die angeführten Straßenverkehrszeichen gehörig abgesichert gewesen sei. Darüberhinaus habe die Lenkerin des Fahrzeuges der klagenden Partei kein rechtsgelegene Fahrlinie eingehalten und einen Fahrfehler deshalb begangen, weil sie vor dem Hindernis gebremst habe. Die Lenkerin des Fahrzeuges sei wegen des Gefahrenzeichens "Bodenwelle" zu erhöhter Reaktionsbereitschaft verhalten gewesen. Sie habe den Unfall allein verschuldet.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil des Erstgerichtes erhobenen Berufung der klagenden Partei Folge und hob es zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung auf. Das vorhandene Gefahrenzeichen nach § 50 Z 1 StVO "Querrinne" oder "Aufwölbung" zeige Hindernisse, wie Querrinnen, Aufwölbungen oder aufgewölbte Brücken, an. Schon aus diesem Grund sei die Geschwindigkeit des gegnerischen Fahrzeuges den Bodenbeschaffenheiten ausreichend anzupassen gewesen. Ungeachtet der angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h und der nach § 50 Z 1 StVO angekündigten Gefahr müsse aber ein Straßenbenützer nicht damit rechnen, daß ein Kanaldeckel in einer Höhe bis zu 15 cm über die Straßenoberfläche herausragen. Es liege auf der Hand, daß herausragender Kanaldeckel eine besondere Gefahrenquelle darstellten. Diese Gefahrenquelle erfordere eine gesonderte Absicherung etwa durch ein Dreibein mit Blinkleuchte, wie sie auch nach dem Unfall vorgenommen worden sei. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht Feststellungen darüber zu treffen haben, ob die beklagte Partei für die Absicherung der Baustelle verantwortlich gewesen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage, ob ein 12 bis 15 cm über das Fahrbahnniveau herausragende Kanaldeckel durch das Gefahrenzeichen des § 50 Z 1 und durch eine angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung hinreichend gesichert sei, fehle.

Gegen diesen Beschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, ihn abzuändern und zu erkennen, daß 12 bis 15 cm über das Fahrbahnniveau herausragende Kanaldeckel durch das Gefahrenzeichen des § 50 Z 1 StVO "Querrinne" oder "Aufwölbung" und das Vorschriftszeichen des § 52 Z 10a StVO "Geschwindigkeitsbeschränkung (Erlaubte Höchstgeschwindigkeit 30 km/h)" hinreichend gesichert seien. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, den Rekurs der beklagten Partei "abzuweisen".

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Das Gefahrenzeichen des § 50 Z 1 StVO "Querrinne" oder "Aufwölbung" zeigt Hindernisse, wie Querrinnen, Aufwölbungen oder aufgewölbte Brücken, an. Die Aufzählung ist bloß demonstrativ. Das Zeichen wird daher vor jeder gefährlichen Unebenheit auf der Fahrbahn aufgestellt werden können, zum Beispiel auch bei einem schwellenförmigen Übergang zwischen verschiedenen Fahrbahndecken oder für Rumpelstrecken (sogenannter schlafender Polizist) zur Verringerung der Fahrgeschwindigkeit (Messiner, StVO9 § 50 Anm 1).

Schutzzweck dieses Gefahrenzeichens ist es somit, auf dauerbedingte Niveauunterschiede der Fahroberfläche hinzuweisen. Es verpflichtet den Kraftfahrzeuglenker, eine entsprechende Geschwindigkeit einzuhalten (vgl § 49 Abs 1 StVO). Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin ist aber das genannte Gefahrenzeichen nicht geeignet, eine ordnungsgemäße Absicherung eines bis zu 15 cm über die Straßenoberfläche herausragenden Kanaldeckels herzustellen. Zu berücksichtigen ist, daß es sich bei den Querrinnen und Aufwölbungen, vor denen mit diesen Gefahrenzeichen gewarnt werden soll, jedenfalls um kontinuierliche Niveauveränderungen handelt. Nur solche Gefahrenstellen werden daher durch das angeführte Gefahrenzeichen angekündigt. Ein bis zu 15 cm herausragender Kanaldeckel stellt aber ein stufenförmiges, scharfkantiges Hindernis dar, das nach der zutreffenden Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes einer gesonderten Absicherung wie zB durch einen Dreibeinständer mit Blinklicht bedarf. An all dem ändert nichts, daß an der Unfallstelle noch eine Geschwindigkeitsbeschränkung angeordnet war, weil dies die Verpflichtung zur ausreichenden Sicherung eines Hindernisses der beschriebenen Art nicht beseitigt.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.