JudikaturJustiz2Ob19/06t

2Ob19/06t – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z***** AG, *****, vertreten durch Dr. Herwig Aichholzer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Land Kärnten, Arnulfplatz 1, 9020 Klagenfurt, vertreten durch Dr. Ferdinand J. Lanker, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen EUR 35.961,60 sA und Feststellung (Streitinteresse: EUR 1.162,76), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 17. November 2005, GZ 6 R 162/05y 28, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Tatbestandsmerkmal „mangelhafter Zustand" iSd § 1319a ABGB bedeutet, dass nicht nur für den Weg selbst, sondern auch für dessen Verkehrssicherheit im weiteren Sinn gehaftet wird (RIS Justiz RS0030088). Beurteilungsmaßstab für die Mangelhaftigkeit des Weges ist das Verkehrsbedürfnis und die Zumutbarkeit entsprechender Maßnahmen. Welche Maßnahmen ein Wegehalter im Einzelnen zu ergreifen hat, richtet sich nach § 1319a Abs 2 letzter Satz ABGB danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, seiner geografischen Lage in der Natur und dem Verkehrsbedürfnis angemessen und nach objektiven Maßstäben zumutbar ist. Es kommt im jeweils zu prüfenden Einzelfall darauf an, ob der Wegehalter die ihm zumutbare Maßnahme getroffen hat, um die gefahrlose Benützung dieses Weges zu erreichen (2 Ob 310/02f mwN).

Die dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen (§ 1 Abs 1 StVO) sind so herzustellen und zu erhalten, dass sie von allen Verkehrsteilnehmern bei Beachtung der Straßenverkehrsvorschriften gefahrlos benützbar sind (ZVR 1986/106; ZVR 1989/131; 2 Ob 17/89; 2 Ob 293/98x = ZVR 2000/61; 6 Ob 21/01h = SZ 74/78; RIS Justiz RS0053454, RS0030113 [T4]; Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1319a Rz 6 mit weiteren Judikaturnachweisen).

Straßenbankette iSd § 2 Abs 1 Z 6 StVO sind nach ständiger Rechtsprechung nicht für den Fahrzeugverkehr bestimmt; sie dürfen von Kraftfahrzeugen grundsätzlich überhaupt nicht befahren werden (2 Ob 17/89 mwN; 2 Ob 16/95; RIS Justiz RS0073343). Die verunglückte Motorradlenkerin hätte demnach bei Beachtung der Straßenverkehrsvorschriften das Bankett nicht befahren dürfen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist unter grober Fahrlässigkeit iSd § 1319a ABGB eine auffallende Sorglosigkeit zu verstehen, bei der die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falles in ungewöhnlichem Maß verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist. Der objektiv besonders schwere Verstoß muss auch subjektiv schwer anzulasten sein (2 Ob 59/05y = ZVR 2005/112 mwN; RIS Justiz RS0030171). Entscheidendes Kriterium für die Beurteilung des Fahrlässigkeitsgrades ist die Schwere des Sorgfaltsverstoßes und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes, wobei diese Beurteilung stets nur nach den Umständen des Einzelfalles vorgenommen werden kann (ZVR 1989/131; 2 Ob 310/02f uva).

Der Oberste Gerichtshof hat, gestützt auf das Verbot des Befahrens eines Banketts, in einem Fall, in welchem ein Betontransporter einen neben der Fahrbahn verlaufenden Grünstreifen befuhr, ausgesprochen, der beklagten Wegehalterin könne es keinesfalls als grobe Fahrlässigkeit iSd § 1319a ABGB angerechnet werden, wenn sie nicht für ein gefahrloses Befahren des Grünstreifens durch ein Schwerfahrzeug Sorge getragen oder auf die Gefährlichkeit des Befahrens hingewiesen habe (2 Ob 17/89 mwN).

Die Beurteilung des Berufungsgerichtes, der beklagten Partei sei im Hinblick auf die Gestaltung der Unfallsörtlichkeit keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, wenn sie den jedermann erkennbaren Niveauunterschied zwischen Fahrbahn und Bankett nicht behob, hält sich im Rahmen dieser Judikatur. Eine auffallende Fehlbeurteilung, die im Sinne der Einzelfallgerechtigkeit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, ist in ihr nicht zu erblicken.

Aus der im Rechtsmittel zitierten Entscheidung 4 Ob 72/01v = ZVR 2002/61 ist für den gegenteiligen Standpunkt der klagenden Partei nichts zu gewinnen, weil nach dem dort maßgeblichen Sachverhalt der mangelhafte Zustand eines dem Fußgängerverkehr gewidmeten Weges (Anhebung der Asphaltdecke durch eine Baumwurzel) für den Sturz eines Fußgängers verantwortlich war. Fragen der Beweislastverteilung stellen sich hier nicht.

In Ermangelung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.