JudikaturJustiz2Ob14/54

2Ob14/54 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Mai 1954

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Ullrich als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Elsigan, Dr. Lenk, Dr. Sabaditsch und Dr. Gitschthaler als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei der klagenden Partei Johann K*****, vertreten durch Dr. Hans Diemath, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien I., Rosenbursenstraße 1, wegen Herausgabe eines LKW, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 12. November 1953, GZ 1 R 464/53-35, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Juni 1953, GZ 10 Cg 276/52-27, bestätigt wurde in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 943,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Dem Kläger wurde zu Ostern 1949 ein 5 Tonnen-Lastkraftwagen gestohlen. Der Wagen wurde von dem Dieb an Wilhelm C***** veräußert, der den in dem Fahrzeug befindlichen Motor durch einen minderwertigeren ersetzte. Am 23. 12. 1949 versuchte Hans E*****, mit diesem Kraftwagen eine größere Anzahl von Weckeruhren ohne Einfuhrbewilligung und Zollentrichtung von Deutschland nach Österreich einzuführen. In der Unterwerfungsverhandlung vom 23. 12. 1949 unterwarf sich Johann E***** der Einziehung der zum Schmuggel benutzten Zugmaschine. Die Unterwerfung wurde vom Hauptzollamt in Linz am gleichen Tage genehmigt. Am 9. 5. 1950 gab der Kläger dem Hauptzollamt in Linz bekannt, dass ihm der Kraftwagen gestohlen worden sei und erklärte, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Kraftfahrzeug am 23. 12. 1949 gemäß § 401 der AbgO rechtskräftig zugunsten des österreichischen Staates eingezogen worden sei. Aufgrund eines Ansuchens des Klägers um gnadenweise Freigabe des Kraftwagens beantragte das Hauptzollamt in Linz, dem Kläger den Rückerwerb des Kraftwagens zu 25 % des Schätzpreises zu ermöglichen und teilte ihm mit, dass ihm der Kraftwagen unter der Voraussetzung zur einstweiligen Benützung übergeben werde, dass er das Eigentumsrecht der Republik Österreich bis zur Bezahlung des vom Bundesministerium für Finanzen festzusetzenden Rückkaufspreises anerkenne. Die verlangte Verpflichtungserklärung unterfertigte der Kläger am 10. 8. 1950. Mit dem Erlass vom 18. 3. 1952 wies jedoch das Bundesministerium für Finanzen das Freigabeansuchen des Klägers ab, stellte ihm jedoch den Rückerwerb des Wagens um den Betrag von 25.000 S in Aussicht. Die Hauptbestandteile des Wagens seien von Wilhelm C***** mit einem Kostenaufwand von rund 30.000 S angeschafft worden, sodass eine kostenlose Freigabe hinsichtlich der Einbauten nicht gerechtfertigt sei. Der Kraftwagen wurde sohin neuerlich auf Veranlassung der Zollfahndungsstelle bei der Finanzlandesdirektion Graz beschlagnahmt. Laut der über die Beschlagnahme aufgenommenen Niederschrift wurde dem Kläger eröffnet, dass der Lastkraftwagen gemäß § 401 der AbgO eingezogen worden sei. Der Kläger begehrt nunmehr, die Republik Österreich schuldig zu erkennen, ihm den Lastkraftwagen herauszugeben.

Beide Untergerichte verwarfen die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und gaben dem Klagebegehren statt. Der Einziehungsbescheid, auf den sich die Republik Österreich berufe, richte sich gegen den Beschuldigten Hans E*****, nicht aber gegen den Kläger. Die Trennung des eingebauten Motors ohne gleichzeitige Rückstellung des seinerzeit von dem unredlichen Besitzer ausgebauten ursprünglichen Motors sei ohne Zerstörung des Kraftfahrzeuges nicht möglich. Dem Kläger stehe als dem an dem Einbau schuldlosen Teil das Recht der Wahl zu, entweder den Lastkraftwagen gegen Ersatz der Verbesserungen zu erhalten oder ihm dem Wilhelm C***** gegen Vergütung zu überlassen. Diese Wahl habe der Kläger gegenüber der beklagten Partei eindeutig dahin getroffen, dass er die Herausgabe des Lastkraftwagens ohne Einschränkung verlange.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Streitgegenstand, über den es erkannt habe, den Betrag von 10.000 S übersteige. Die beklagte Partei bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit der vorliegenden Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise begehrt sie die Aufhebung des angefochtenen Urteiles und die Zurückverweisung der Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster oder zweiter Instanz.

Mangelhaft soll das Berufungsverfahren deshalb sein, weil das Berufungsgericht, ohne den Wert der Verbesserung zu untersuchen, die Vorschriften des § 415 ABGB für anwendbar erklärt habe. Den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führt die Finanzprokuratur dahin aus, dass durch den Einziehungsbescheid die Rechte des Klägers an dem Kraftwagen erloschen seien. Der Einziehungsbescheid wirke gegen jedermann. An diesen Bescheid seien die ordentlichen Gerichte gebunden. Der Einziehungsbescheid sei auch von Wilhelm C***** und dem Kläger zur Kenntnis genommen worden. Im Verhältnis zu Wilhelm C***** könne zwar der Kläger dessen Anspruch auf Ersatz des gemeinen Wertes des Motors mit seinem Schadenersatzanspruch kompensieren. Die Republik Österreich sei nicht der Rechtsnachfolger des Wilhelm C*****. Sie habe an dem gesamten Kraftwagen einschließlich des Motors Eigentum erworben. Auch wenn sie zur Herausgabe des Kraftwagens verurteilt würde, könnte die Rückstellung nur Zug um Zug gegen Bezahlung des gemeinen Wertes des von Wilhelm C***** eingebauten Motors erfolgen.

Gemäß § 448 Abs 1 der AbgO ist im Strafbescheid, wenn Nebenbeteiligte in der Untersuchung beigezogen wurden, darüber zu erkennen, ob sie die Einziehung gegen sich gelten zu lassen haben. Ist ihre Zurückziehung im Verwaltungsstrafverfahren oder im gerichtlichen Verfahren unterblieben, so kann hierüber durch besonderen Strafbescheid entschieden werden (§ 448 Abs 2 AbgO). Aus der Bestimmung des § 448 Abs 1 AbgO ergibt sich, dass der Einziehungsbescheid nur gegen denjenigen wirkt, auf den er sich bezieht. Hätte der Strafbescheid absolute Wirkung in dem Sinne, dass durch ihn das Eigentumsrecht von Personen vernichtet würde, die im Verfahren nicht zugezogen wurden, so wäre die Anordnung, dass in dem Strafbescheid auch zu erkennen ist, ob Nebenbeteiligte die Einziehung gegen sich gelten zu lassen haben, überflüssig. Wenn aber die Einziehung gegen Nebenbeteiligte, die in der Untersuchung zugezogen wurden, nur dann wirkt, wenn im Strafbescheid darüber erkannt ist, ob sie die Einziehung gegen sich gelten zu lassen haben, so muss die Einziehung gegen sie auch unwirksam sein, wenn ihre Zurückziehung unterblieben ist.

Mit der Entscheidung vom 15. 11. 1950, Z 700/50 (Slg der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes neue Folge 1950, Nr 283

F) hat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht abgelehnt, dass eine Zurückziehung von Nebenbeteiligten völlig in das Ermessen der Behörde gestellt ist. Mit dem Worte „kann" im § 448 Abs 2 der AbgO solle nur eine Befugnis der Strafbehörde zum Ausdruck gebracht werden, ein Straferkenntnis auch gegen Nebenbeteiligte zu erlassen. § 448 AbgO sehe vor, dass dann, wenn Nebenbeteiligte im Strafverfahren zugezogen worden sind, im Strafbescheid darüber zu erkennen ist, ob sie die Einziehung gegen sich gelten lassen müssen. Sei ihre Zuziehung im Verwaltungsstrafverfahren unterbleiben, könne gegen sie durch besonderen Strafbescheid entschieden werden. Aus dem Recht der Behörde zur Erlassung eines Ergänzungsbescheides könne nicht gefolgert werden, dass die anderen Personen gegenüber mit Erkenntnis ausgesprochene Einziehung auch gegenüber den bisher nicht beigezogenen Nebenbeteiligten wirke. Die gegenteilige Auffassung würde dem im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Grundsatz des Parteiengehörs widerstreiten.

Im vorliegenden Falle wurde der Kläger im Verfahren, das zur Einziehung führte, nicht zugezogen. Der Beschuldigte Hans E***** hat sich der Einziehung unter Verzicht auf Erlass eines Strafbescheides sofort unterworfen. Diese Unterwerfung steht gemäß § 445 AbgO einer rechtskräftigen Verurteilung gleich. Der Kläger, hat mangels eines Ergänzungsbescheides die Einziehung gegen sich nicht gelten zu lassen. Die genehmigte Unterwerfung des Hans E***** äußerte gegen ihn keine Wirkung. Daran ändert auch nichts, das der Kläger diesen gegen ihn wirkungslosen Bescheid zur Kenntnis genommen hat. Die Verpflichtungserklärung vom 10. 8. 1950 wurde von ihm unter der Voraussetzung der Genehmigung des Antrages des Hauptzollamtes abgegeben. Wilhelm C***** hat den eingebauten Motor nach Entfernung des im Kraftfahrzeug befindlichen Motors mit dem Kraftfahrzeug vereinigt. Die Absonderung des Motors von dem Kraftwagen ist deshalb untunlich, weil durch sie eine beträchtliche Wertverminderung des Wagens entstünde. Da der Motor als Nebensache anzusehen ist, erwarb der Kläger als Eigentümer der Hauptsache durch den Einbau auch das Eigentum an dem Motor (vgl Ehrenzweig I/2, § 216). Der Austausch eines Bestandteiles blieb ohne Einfluss auf das Eigentum des Klägers an dem Lastkraftwagen. Ein Ersatz des gemeinen Wertes des eingebauten Motors an Wilhelm C***** kommt nicht in Betracht, weil der Einbau des Motors keine Verbesserung darstellt. Im Übrigen könnte die Republik Österreich Ersatzansprüche des Wilhelm C***** gegen den Kläger mangels einer Rechtsnachfolge in diese Ansprüche nicht geltend machen. Die Frage des gemeinen Wertes des eingebauten Motors ist für die Entscheidung der Rechtssache ohne Belang. Die Feststellung der Untergerichte, dass der eingebaute Motor minderwertiger ist als der ursprüngliche, ist tatsächlicher Art und kann mit dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit der Berufungsverfahrens nicht bekämpft werden. Da der Kläger Eigentümer des Kraftwagens einschließlich seiner Bestandteile ist und der Einziehungsbescheid gegen ihn keine Wirkung äußert, erscheint das Klagebegehren begründet.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.