JudikaturJustiz22R34/04k

22R34/04k – LG Salzburg Entscheidung

Entscheidung
01. April 2004

Kopf

Das Landesgericht Salzburg als Berufungsgericht hat durch die Richter Dr.Hemetsberger als Vorsitzenden sowie DDr.Aichinger und LGVPräs.Dr.Bauer in der Rechtssache des Klägers H***** L*****, 5020 S*****, vertreten durch Dr.Reinhard RATSCHILLER, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1.) R***** R*****, 5071 S*****, und 2.) I***** VERSICHERUNGS AG, 5020 S*****, vertreten durch Dr.Leopold HIRSCH, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, wegen EUR 950,-- s.A., über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 14.11.2003, 18 C 580/03v-9, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

510 Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 244,57 (darin EUR 40,76 Ust.) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :

Text

520 Der Kläger wurde durch einen vom Erstbeklagten verschuldeten Verkehrsunfall am 28.06.2002 verletzt. Aufgrund dieser Verletzung konnte der Kläger ein von ihm gechartertes Boot, auf welchem er einen Urlaub im Mittelmeer verbringen wollte, nicht übernehmen und musste deshalb an den Vermieter des Bootes die Hälfte der Bootscharter von EUR 1.900,--, sohin EUR 950,--, bezahlen.

Ausgehend von diesem unstrittigen Sachverhalt begehrt der Kläger von den beklagten Parteien den Ersatz der Stornogebühr aus dem Titel des Schadenersatzes. Er habe diesen unfallskausalen Aufwand tatsächlich getragen.

Die beklagten Parteien bestritten, beantragten Klagsabweisung und wendeten im Wesentlichen ein, dass die Unmöglichkeit des Gebrauches einer gemieteten Sache einen nicht ersatzfähigen ideellen Schaden darstelle.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht das Klagebegehren abgewiesen. Das im Wesentlichen mit der Begründung, dass durch den Unfall vom Erstbeklagten nicht in den vom Kläger abgeschlossenen Mietvertrag über ein Boot eingegriffen worden sei. Ebenso wenig sei durch den Unfall das gemietete Boot beschädigt worden, sodass keine typischerweise mit der Beschädigung des gemieteten Gegenstandes verbundenen Aufwendungen entstehen hätten können. Die Unmöglichkeit des Gebrauchs des gemieteten Bootes stelle daher keinen materiellen, sondern einen ideellen Schaden dar, der nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes (8 Ob 27/87) nicht zu ersetzen sei. Seien aber die Aufwendungen für die Miete des Bootes nicht zu ersetzen, müsse dasselbe auch für die Stornogebühr gelten, die zur Vermeidung weiterer nutzloser Aufwendungen entrichtet worden sei. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf vollinhaltliche Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Berufungsbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

530 Die Berufung ist nicht berechtigt.

Der Berufungswerber argumentiert im Wesentlichen damit, dass die vom Erstgericht zitierte Judikatur deshalb auf den vorliegenden Fall nicht mehr anwendbar sei, weil sie auf der früheren Auffassung des Obersten Gerichtshofes beruhe, wonach die Beeinträchtigung des Urlaubs als ideeller Schaden nicht "kommerzialisierbar" und daher nicht ersatzfähig sei.

Das ist schon deshalb unzutreffend, weil der Kläger nicht den Ersatz von entgangener Urlaubsfreude geltend macht. Er begehrt nämlich nicht Schadenersatz wegen des Entganges von Reiseerlebnissen oder Reiseeindrücken. Vielmehr behauptet er, dass er aufgrund der beim Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen ein von ihm gechartertes Boot, auf dem er seinen Urlaub im Mittelmeer verbringen habe wollen, nicht übernehmen habe können und deshalb die Stornogebühr von EUR 950,-- bezahlen habe müssen. Er habe die vereinbarte Stornogebühr (EUR 950,--) tatsächlich zu tragen gehabt, weshalb dieser unfallkausale Aufwand von den beklagten Parteien zu ersetzen sei; hilfsweise begehrt er den Betrag von EUR 950,-- aus dem Titel des Schmerzengeldes.

Damit macht der Kläger aber nicht Ersatz für entgangene Urlaubsfreuden geltend, sondern Ersatz für den von ihm getätigten Aufwand von EUR 950,-- (Stornogebühr). Hiebei handelt es sich aber entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes um sogenannte frustrierte Aufwendungen. Zur Frage des Ersatzes nutzlos gewordener Aufwendungen hat der Oberste Gerichtshof bislang stets ausgesprochen, dass bei Sachschäden ein Ersatz frustrierter Aufwendungen nur gefordert werden kann, wenn der Gebrauchsgegenstand selbst, für den der Aufwand gemacht wurde, beschädigt wurde und deshalb nicht verwendet werden kann. Dies würde etwa für die während der Zeit der unfallbedingten Nichtbenützung eines beschädigten Kraftfahrzeuges weiterlaufenden Generalunkosten zutreffen. Die Besonderheit bei den frustrierten Aufwendungen besteht darin, dass der Schädiger die nutzlosen Aufwendungen und daher auch die Vermögensverminderung um diesen Betrag nicht verursacht hat, da die Aufwendungen ohne das schädigende Ereignis gleichermaßen getätigt worden wären. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes stellt der Ersatz der nutzlos gewordenen Aufwendungen daher einen Ausgleich für die Beeinträchtigung ideeller Interessen dar (8 Ob 27/87 mwN; anderer Ansicht Reischauer in Rummel: ABGB², Rz 11 zu § 1293). Verursacht hat der Schädiger nämlich nicht die Vermögensverminderung, weil die Aufwendungen unabhängig davon bereits getätigt wurden, sondern die Vereitelung des Gebrauches. Dieser Gebrauchsentgang stellt aber nur einen ideellen Nachteil dar. Das Abstellen auf die vom Schädiger nicht verursachten Aufwendungen statt auf den wirklich verursachten Nachteil verdeckt die Tatsache, dass hier ein Immateralschaden in Geld ausgeglichen werden soll. Ein solcher Ersatz widerspricht dem Willen des Gesetzes, selbst bei Sachschäden nur in Ausnahmefällen und nur bei außergewöhnlichen Gefühlsbeziehungen zu einer Sache einen Ausgleich ideeller Schäden zuzulassen (§ 1331 ABGB). Der Ersatz frustrierter Aufwendungen muss daher auf bestimmte, eng umgrenzte Fälle eingeschränkt werden, um nicht die Wertungen des Gesetzes, nach denen ideelle Schäden nur in geringem Maße zu ersetzen sind, als Vermögensschäden zu hintergehen und zu einer untragbaren Ausweitung des Ersatzes zu gelangen. Der Umstand, dass die Gebrauchsmöglichkeit durch einen tatsächlichen, der Höhe nach meist unschwer feststellbaren Vermögensaufwand erzielt wurde und daher eine Schwierigkeit der Berechnung der ideellen Nachteile in Geld nicht zu erwarten ist, kann für sich allein nicht den Ersatz sämtlicher frustrierter Aufwendungen rechtfertigen. So würde es etwa zu einer untragbaren Ausuferung der Schadenersatzpflicht führen, wenn bei Verletzung einer Person dieser alle frustrierten Aufwendungen zu ersetzen wären. Der Schädiger hätte dann etwa auch für die auf diesen Zeitraum entfallenden Aufwendungen für Gebrauchsgegenstände, für ein Wochenendhaus, für die Konzert- und Theaterabonnements usw. des Verletzten zu haften (Ob 27/87 mwN; ZVR 1978/264 betreffend Aufwendungen für den Besuch einer Fahrschule, wobei die Klägerin aufgrund ihrer Verletzungen die Lenkerprüfung nicht mehr ablegen konnte). Der Ansatz der sogenannten "Frustrationslehre" würde daher zu einer Ausweitung der Haftung führen, der jegliche Begrenzung fehlt. Dies wird insbesondere in den Fällen deutlich, in denen, wie im vorliegenden Fall, nicht eine Sache zerstört oder entzogen, sondern der Verfügungsberechtigte durch Verletzung am Gebrauch seiner Güter verhindert wird. Die Möglichkeit, dass man nicht alle Güter, die man mit Geld erworben hat, jederzeit nutzen kann, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko (Schwimann: ABGB², Rz 23 zu § 1293 mwN).

Angesichts dieser Judikatur kommt daher auch der vom Kläger begehrte Ersatz frustrierten Aufwandes für das von ihm gecharterte Boot nicht in Betracht.

Entgegen der Ansicht des Berufungswerbers vermag daran auch die Umsetzung der Pauschalreiserichtlinie und die neueste Judikatur des Obersten Gerichtshofes zum Ersatz entgangener Urlaubsfreuden nichts zu ändern. Das schon deshalb, weil in all diesen Fällen ein Vertragsverhältnis vorlag und somit stets die Frage des Anspruches auf ideellen Schadenersatz im Zusammenhang mit vertraglicher Haftung zu beurteilen war. Die Pauschalreiserichtlinie und die §§ 31b ff KSchG, mit denen die Pauschalreiserichtlinie in das Österreichische Recht umgesetzt wurde, betreffen überhaupt nur die Haftung des Veranstalters einer Pauschalreise gegenüber dem Vertragspartner (Reisenden) für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen. Der Ersatz des ideellen Schadens für entgangene Urlaubsfreude ist hier maßgeblich darauf zurückzuführen, dass mit dem Vertrag (Pauschalreisevertrag, Buchung eines Hotelzimmers etc.) immaterielle Interessen verfolgt werden, der Vertrag daher gerade die Förderung ideeller Interessen bezweckt (Karner: Verpatzter Urlaub und der EuGH, in: RdW 2002, 204 ff mwN).

Davon kann aber im vorliegenden Fall, wo der geltend gemachte Schaden durch einen Verkehrsunfall (also im deliktischen Bereich) eingetreten ist, keine Rede sein. Der Berufungswerber kann sich deshalb nicht erfolgreich auf die Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Ersatzfähigkeit entgangener Urlaubsfreuden berufen. Aus dieser neueren Judikaturlinie kann auch keinesfalls abgeleitet werden, dass der Oberste Gerichtshof nunmehr generell - auch im Falle deliktischer Haftung - die Ersatzfähigkeit ideeller Schäden bejahen würde. Die Rechtsprechung zeigt vielmehr, dass der Ersatz ideeller Schäden die Ausnahme bleiben soll, zumal der Oberste Gerichtshof stets betont, dass der Gefahr des Ausuferns von Schadenersatzansprüchen entgegengetreten werden muss (vgl. 2 Ob 84/01v). Der Oberste Gerichtshof spricht zwar immaterielle Schäden - abgesehen von den bereits dargestellten Fällen des Ersatzes für entgangene Urlaubsfreude - nicht mehr nur in den im Gesetz ausdrücklich geregelten Fällen des § 1325 ABGB (Schmerzengeld), § 1328 ABGB (geschlechtlicher Missbrauch), § 1329 ABGB (Freiheitsentziehung), § 1331 ABGB (Affektionsinteresse), § 213a ASVG (Integritätsabgeltung) sowie im Falle des § 8 Abs.3 MRG (Ungemach eines Mieters), sondern - im Wege des Analogieschlusses - auch bei Trauer- bzw. Schockschäden zu. In all diesen Fällen wird ein ideeller Schaden aber grundsätzlich nur dann ersetzt, wenn die Einwirkungen in die psychische Sphäre Krankheitswert haben, also eine Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1325 ABGB vorliegt, oder wenn dem Schädiger Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Bei leichter Fahrlässigkeit oder im Falle bloßer Gefährdungshaftung fehlt es hingegen jedenfalls an der erforderlichen Schwere des Zurechnungsgrundes (vgl. 2 Ob 84/01v).

In den Fällen, in denen die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden bislang auch im deliktischen Bereich bejaht wurde, wurde die psychische Beeinträchtigung durch besonders massive Vorgänge (Freiheitsentzug, geschlechtlicher Missbrauch, Schock durch den Tod naher Angehöriger etc.) ausgelöst. Mit der Zuerkennung einer Entschädigung für derart gravierende Beeinträchtigungen ist das Bedürfnis nach Abgeltung des Nachteiles durch Gebrauchsentgang einer Sache auch nicht annähernd gleichzustellen. Dies auch dann nicht, wenn die Sache der Freizeit- oder Urlaubsgestaltung dient und, womit der Berufungswerber argumentiert, die Urlaubsmöglichkeit für das laufende Jahr unwiderbringlich verloren war. Es ist daher an der Judikatur des obersten Gerichtshofes (8 Ob 27/87) festzuhalten, wonach die aus dem Gebrauchsentgang einer Sache resultierenden ideellen Nachteile grundsätzlich nicht ersatzfähig sind; die gegenteilige Auffassung würde zu einer (weder vom Gesetzgeber noch vom Obersten Gerichtshof gewollten) untragbaren Ausweitung der Schadenersatzansprüche führen. Der begehrte Ersatz für die bezahlte Stornogebühr für das gecharterte Schiff steht dem Kläger daher nicht zu.

Die Stornogebühr kann dem Kläger aber auch nicht aus dem Titel des Schmerzengeldes zuerkannt werden. Soweit immaterielle Schäden, wie die frustrierten Aufwendungen im vorliegenden Fall, nicht ersatzfähig sind, können sie nämlich nicht in einen ersatzfähigen Schmerzengeldanspruch umgewandelt werden. Andernfalls hätte es nämlich der von nicht ersatzfähigen immateriellen Nachteilen Belastete auf diese Weise jederzeit in der Hand, die fehlende Ersatzfähigkeit des anstehenden bzw. bereits eingetretenen immateriellen Schadens zu umgehen und sich vom Schädiger Ersatz zu verschaffen (vgl. 1 Ob 313/01p).

Im Übrigen kommt ein Schadenersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreude, wie zuvor bereits dargelegt, nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes und auch nach der Pauschalreiserichtlinie ohnedies nur im Zusammenhang mit vertraglicher Haftung in Betracht; von einer solchen kann aber hier keine Rede sein; ebenso wenig von einer Pauschalreise im Sinne der Richtlinie 90/134/EWG. Würde man dem Kläger die begehrte Stornogebühr von EUR 950,-- nun als weiteres Schmerzengeld zuerkennen, würde dies schließlich auch dem Prinzip der Pauschalbemessung des Schmerzengeldes widersprechen, zumal dem Kläger diese Position von Anfang an bekannt war. Der Berufung musste daher insgesamt ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Abweichend vom Kostenverzeichnis waren den beklagten Parteien nicht die verzeichneten 180 % Einheitssatz, sondern nur 60 % Einheitssatz zuzusprechen, weil die Regelung des § 23 Abs. 9 RATG über den 3- bzw. 4-fachen Einheitssatz gemäß § 23 Abs.10 RATG nicht für Berufungsverfahren gilt, in denen, wie im vorliegenden Fall, § 501 Abs.1 ZPO anzuwenden ist.

Im Hinblick auf den Streitwert ist jeder weitere Rechtszug ausgeschlossen (§ 502 Abs.2 ZPO).

Landesgericht Salzburg