JudikaturJustiz21R316/04k

21R316/04k – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
13. Oktober 2004

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des

Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender) sowie Dr. Hintermeier und

Dr. Steger in der Rechtssache der klagenden Partei Nataliya

E*****, Hausfrau, ***** St. Pölten, Dr*****, vertreten durch Dr.

Stefan Gloß, Dr. Hans Pucher, Mag. Volker Leitner, Mag. Christian Schweinzer, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die beklagte Partei Roman H*****, Maschineneinsteller, ***** St. Pölten, *****, vertreten durch Dr. Thomas Trixner, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen € 872,07 s. A., über den Rekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 10.9.2004, 7 C 1725/01w-23, den Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Rekurs gegen den Punkt 1. des angefochtenen Beschlusses

(Erlöschen der Verfahrenshilfe) wird als unzulässig z u r ü c k g e

w i e s e n .

2. Im Übrigen wird dem Rekurs F o l g e gegeben, der angefochtene

Beschluss hinsichtlich des Punktes 2. (Nachzahlungsverpflichtung) als

nichtig a u f g e h o - b e n und dem Erstgericht insoweit die

neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Der Revisionsrekurs zu Punkt 1. ist j e d e n - f a l l s u n z u

l ä s s i g .

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies mit Urteil vom 23.6.2002, 7 C 1725/01w-17, das Begehren der Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr €

872,07 s.A. zu bezahlen, ab, die Klägerin wurde zum Kostenersatz von € 648,29 verurteilt.

Der von der Klägerin dagegen erhobenen Berufung gab das Landesgericht St. Pölten mit seiner Entscheidung vom 11.10.2002, 36 R 317/02i-21, nicht Folge.

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 14.3.2002 war der Klägerin die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs. 1 Z 1 lit a bis d ZPO bewilligt worden.

Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens forderte die Erstrichterin die Klägerin mit Beschluss vom 12.7.2004 auf, das angeschlossene Vermögensbekenntnis ZPF1 dem Gericht binnen 14 Tagen vollständig ausgefüllt zurückzusenden, widrigenfalls angenommen werden würde, dass die seinerzeitigen Voraussetzungen für die in diesem Verfahren bewilligte Verfahrenshilfe nicht mehr gegeben seien und die Klägerin nunmehr zur Nachzahlung der Beträge, von deren Berichtigung sie seinerzeit befreit gewesen war, ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen Unterhalts ebenso imstande sei „wie zur tarifmäßigen Entlohnung des ihr beigegebenen Rechtsanwalts". Diese Aufforderung wurde der Klägerin an die Adresse laut Ersturteil „H ***** St. Pölten-Traisenpark", nach der Aktenlage durch Hinterlegung am 15.7.2004 zugestellt.

Ein Vermögensbekenntnis hat die Klägerin nicht vorgelegt. Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht (Punkt 1.) die Verfahrenshilfe für erloschen erklärt und (Punkt 2.) die Klägerin zur gänzlichen Nachzahlung der Beträge, von deren Berichtigung sie aufgrund der bewilligten Verfahrenshilfe einstweilen befreit war, verpflichtet, konkret betrifft dies einen Betrag von €

283,50, zu dessen Rückzahlung binnen 14 Tagen die Klägerin verhalten wurde. Die Nichtvorlage des Vermögensbekenntnisses würdigte die Erstrichterin im Sinn des § 381 ZPO dahingehend, dass die Voraussetzungen für die Verfahrenshilfe weggefallen seien; damit seien die Dolmetschergebühren von € 177,50 und die Pauschalgebühr von € 106,-- für die Berufung von der Klägerin zurückzuzahlen. Anlässlich der versuchten Zustellung dieses Beschlusses an die Klägerin persönlich unter der Adresse H ***** St. Pölten-Traisenpark, ergab sich, dass die Klägerin von dieser Adresse verzogen war (Postfehlbericht ON 24).

Die von der Erstrichterin eingeholte Auskunft aus dem zentralen Melderegister wies einen Umzug von diesem Wohnsitz am 1.4.2003 und eine neue Adresse der Klägerin in ***** Oberwagram, *****, auf. Dort wurde der Klägerin der angefochtene Beschluss auch zugestellt. Sie bekämpft ihn mit dem beim Erstgericht zu Protokoll gegebenen Rekurs aus dem Grund der Nichtigkeit bzw. der Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, ihn für nichtig zu erklären; in eventu wird ein Abänderungsantrag dahin gestellt, dass der Beschluss ersatzlos behoben werde, bzw. ein Aufhebungsantrag, wobei dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen werden möge.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unzulässig, soweit er den Beschlusspunkt 1. (Erlöschen der Verfahrenshilfe) betrifft, im Übrigen ist er berechtigt. Es handelt sich hier um ein Verfahren, dessen Streitwert den Betrag von € 2.000,-- nicht überstieg, gemäß § 517 ZPO kann somit nur gegen folgende Beschlüsse erster Instanz Rekurs ergriffen werden: 1. wenn die Einleitung oder Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage verweigert wurde, 2. wenn über den Antrag auf Bestellung einer Sicherheit für die Prozesskosten oder auf Ergänzung dieser Sicherheit entschieden wurde, 3. wenn dem Begehren um Erstreckung einer Tagsatzung unter Verletzung der Bestimmungen des § 134 ZPO stattgegeben wurde und der Beschluss zugleich gemäß § 141 ZPO anfechtbar ist, 4. wenn ein Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Tagsatzung oder wegen Verstreichens der Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels abgewiesen wurde, 5. wenn über Prozesskosten entschieden worden ist, 6. wenn über die Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit entschieden worden ist.

Es entspricht nun der weitaus überwiegenden Rechtsprechung (MGA JN/ZPO15, E. 8 zu § 517 ZPO; RIS-Justiz RS 0043770; REDOK 8060) und auch Lehre (M. Bydlinski in Fasching2 Rz 8 zu § 72), dass die Verweigerung oder Entziehung der Verfahrenshilfe nichts mit der Einleitung oder Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage zu tun hat und demnach im Fall eines € 2.000,-- nicht übersteigenden Streitwerts nicht anfechtbar ist. Man kann auch nicht damit argumentieren, dass jede Entscheidung über die Verfahrenshilfe gemäß § 517 Z 5 ZPO anfechtbar sei, weil sie indirekt die Prozesskosten betrifft. Auch viele andere in einem Rechtsstreit gefasste Beschlüsse sind mittelbar für die Entscheidung über die Prozesskosten von Bedeutung; diese Ansicht müsste letztlich dazu führen, dass der Anwendungsbereich des § 517 ZPO entgegen dem erkennbaren Zweck des Gesetzes, die Anfechtbarkeit weitgehend einzuschränken, über Gebühr ausgedehnt würde (3 Ob 557/92 = MietSlg 44.824).

Der Rekurs gegen das Erlöschen der Verfahrenshilfe (Punkt 1. des angefochtenen Beschlusses) war daher als unzulässig zurückzuweisen. Anders ist die Rechtslage aber nach Auffassung des Rekursgerichts in Bezug auf die der Klägerin auferlegte Nachzahlungspflicht (laut Punkt 2. des Beschlusses) nach § 71 ZPO.

Gemäß § 71 Abs. 1 ZPO ist die die Verfahrenshilfe genießende Partei mit Beschluss zur gänzlichen oder teilweisen Nachzahlung der Beträge zu verpflichten, von deren Berichtigung sie einstweilen befreit gewesen ist und die noch nicht berichtigt sind, ebenso wie zur tarifmäßigen Entlohnung des ihr beigegebenen Rechtsanwaltes, soweit und sobald sie ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts dazu imstande ist. Nach Ablauf von 3 Jahren nach Abschluss des Verfahrens kann die Verpflichtung zur Nachzahlung nicht mehr auferlegt werden. Gemäß § 71 Abs. 2 ZPO ist in dem Beschluss über die Nachzahlung der Partei zunächst der Ersatz der in § 64 Abs. 1 Z 1 lit b bis f ZPO genannten Beträge aufzuerlegen, dann die Leistung der Entlohnung des Rechtsanwalts unter gleichzeitiger Bestimmung ihrer Höhe und endlich die Entrichtung der in § 64 Abs. 1 Z 1 lit a ZPO genannten Beträge; dieser Beschluss ist erst nach Eintritt der Rechtskraft vollstreckbar.

Gemäß § 71 Abs. 3 ZPO kann in Verfahren nach den Abs. 1 und 2 leg.cit. das Gericht die Parteien unter Setzung einer angemessenen Frist zur Beibringung eines neuen Vermögensbekenntnisses und, soweit zumutbar, von Belegen auffordern. § 381 ZPO ist sinngemäß anzuwenden. Diese Bestimmungen finden sich zwar im siebenten Titel des ersten Abschnittes des ersten Teiles der ZPO im Kapitel Verfahrenshilfe, ordnen nach Auffassung des Rekursgerichts aber tatsächlich - unter bestimmten Voraussetzungen - eine Nachzahlungspflicht der die Verfahrenshilfe genießenden Partei, somit eine Kostenersatzpflicht - wenn auch nicht gegenüber dem Prozessgegner, sondern gegenüber dem Gericht bzw. dem Verfahrenshelfer selbst, an. Fasching (in ZPR2 Rz 498) vertritt ja ganz allgemein die Auffassung, dass auch bei einem S 15.000,-- (bzw. jetzt € 2.000,--) nicht übersteigenden Streitwert den Parteien gegen die Bewilligung oder Versagung der Verfahrenshilfe der Rekurs zustehe, weil es sich um eine Entscheidung handle, die auch die Prozesskosten betreffe. In dieser Allgemeinheit hat die Rechtsprechung (s. 3 Ob 557/92) diese Lehrmeinung abgelehnt, weil die Verfahrenshilfe ja nur mittelbar für die Entscheidung über die Prozesskosten von Bedeutung ist. Wird aber einer Partei ziffernmäßig die Nachzahlung bestimmter Kostenbeträge beschlussmäßig auferlegt, handelt es sich nach der Auffassung des Rekursgerichts doch um einen der Entscheidung über die Prozesskosten nach § 517 Z 5 ZPO analogen Fall, weil alles für eine Gleichbehandlung spricht (vgl. auch die ähnlichen Bestimmungen der §§ 42 Abs. 1 GebAG, 2 Abs. 2 GEG). Ob der Klägerin beschlussmäßig die Verpflichtung auferlegt wird, € 283,50 als Kosten an den Prozessgegner oder als nachzuzahlende Beträge an das Gericht zu erstatten, macht nicht wirklich einen Unterschied. Aus all diesen Gründen hält das Rekursgericht insoweit den Rekurs für zulässig.

Der Rekurs ist auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass die Vorgangsweise der Erstrichterin, die Aufforderung zur Beibringung des neuen Vermögensbekenntnisses trotz des aktenkundig nicht widerrufenen Vertretungsverhältnisses der Partei ebenso selbst zuzustellen wie den Nachzahlungsbeschluss, der ständigen Rechtsprechung entspricht (MGA a.a.O., E. 18 zu § 71 ZPO). Nach der Aktenlage ist allerdings tatsächlich der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z 5 ZPO gegeben, weil die Klägerin kein ausreichendes rechtliches Gehör vor dem Nachzahlungsbeschluss hatte. Wie sich durch die Erhebungen der Erstrichterin selbst bereits herausgestellt hat, war die Klägerin bei Hinterlegung der Aufforderung zur Vorlage des Vermögensbekenntnisses nicht mehr unter der aktenkundigen Adresse H ***** in St. Pölten-Traisenpark wohnhaft, sondern bereits im April 2003 an ihre nunmehrige Adresse ***** Oberwagram, *****, übersiedelt, wovon sie das Erstgericht nicht mehr verständigen musste (MGA a.a.O., E.14 zu § 8 ZustG). Die Hinterlegung war somit gemäß § 17 Abs. 1 ZustG unzulässig, weil sich an der betreffenden Adresse keine Abgabestelle der Klägerin mehr befand. Der angefochtene Beschluss musste daher in seinem Punkt 2. als nichtig aufgehoben werden, im fortgesetzten Verfahren ist der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme, insbesondere zur Vorlage eines aktuellen Vermögensbekenntnisses zu geben, was bereits veranlasst wurde (ON 26).

Die Unzulässigkeit eines Revisionsrekurses hinsichtlich der Zurückweisungsentscheidung beruht auf § 528 Abs. 2 Z 1 und 4 ZPO. Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6