JudikaturJustiz1Ob950/54

1Ob950/54 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Dezember 1954

Kopf

SZ 27/326

Spruch

Wenn die Ehefrau in Deutschland die Ehescheidung nach § 55 EheG. erwirkt hat und die Ehe in Österreich auf Grund einer auf § 55 EheG. gestützten Klage des Mannes rechtskräftig geschieden worden ist, können beide Teile vom anderen Ehegatten Unterhalt nach Billigkeit begehren.

Entscheidung vom 22. Dezember 1954, 1 Ob 950/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Fünfhaus; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht gab dem im Spruch bezeichneten Unterhaltsbegehren insoweit Folge, als der Klägerin für die Zeit ab 29. April 1953 ein monatlicher Unterhaltsbetrag von 200 S zugesprochen wurde. Im übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die am 25. Feber 1938 geschlossene Ehe der Streitteile sei über Klage der Ehefrau zuerst mit dem Urteil des deutschen Landgerichtes Traunstein vom 14. November 1950, gemäß § 55 EheG. geschieden worden, ohne daß das Verschulden eines der Ehegatten ausgesprochen worden wäre. Drei Jahre später sei diese Ehe, die für den österreichischen Rechtsbereich noch immer zu Recht bestanden habe, über Klage des Ehemannes mit dem Urteil des Landesgerichtes für ZRS. Wien vom 24. Juni 1953, geschieden worden, wobei gleichfalls ein Verschulden nicht festgestellt worden sei. Der Beklagte, der für den österreichischen Rechtsbereich die Scheidung begehrt habe, sei nach § 69 Abs. 2 EheG. grundsätzlich verpflichtet, der Klägerin Unterhalt zu leisten. Den beiderseitigen Verhältnissen sei ein monatlicher Unterhaltsbetrag von 200 S angemessen. Zur Bezahlung des Rückstandes für die Zeit vom 1. Jänner 1951 bis 29. April 1953 (Einbringung der Klage) habe der Beklagte nicht verurteilt werden können, weil er bis dahin mangels Forderung eines Unterhaltsbetrages nicht im Verzug gewesen sei.

Infolge Berufung beider Teile bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes ist zwar davon auszugehen, daß die Zulässigkeit der Revision auch in Unterhaltsstreitigkeiten davon abhängig ist, ob der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert 10.000 S überstiegen hat. Denn auch das Unterhaltsbegehren ist auf Geld gerichtet (OGH. E. v. 2. Juli 1953, 1 Ob 549/53, v. 14. Mai 1936, AnwZ. S. 364). Sofern es sich um einen den Grund des Anspruches betreffenden Unterhaltsstreit handelt, in dem die Revision nach § 502 Abs. 2 ZPO. an sich zulässig wäre, könnte sich daher die Revision dessenungeachtet als unzulässig erweisen, wenn es sich um ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichtes wie im vorliegenden Falle handelt und der Streitgegenstand den Betrag von 10.000 S nicht überstiege. Hier spielt diese Rechtsfrage indessen keine Rolle, weil der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (gesamter Klageanspruch von 9409 S und der nach § 58 Abs. 1 JN. mit dem Dreifachen der Jahresleistung zu bewertenden laufenden Unterhaltsleistung von 336 S monatlich, das sind 12.096 S, insgesamt daher 21.504 S), jedenfalls 10.000 S übersteigt.

Es kann auch nicht gesagt werden, daß der Rechtsstreit nur eine Frage der Unterhaltsbemessung beträfe. Es handelt sich vielmehr um die Rechtsfrage, welche der Parteien als diejenige anzusehen ist, die im Sinne des § 69 Abs. 2 EheG. "die Scheidung verlangt hat" und daher auf Unterhalt keinen Anspruch hat. Solche Fragen gehören, wie dies auch aus dem Gutachten des Obersten Gerichtshofes vom 19. Juni 1954, JB. 60 neu, Seite 15 f., hervorgeht, zum Grund des Unterhaltsanspruchs.

Die Revision ist daher zulässig, aber nicht begrundet.

Im Falle einer Scheidung der Ehe ohne Schuldausspruch hat nach § 69 Abs. 2 EheG. der Ehegatte, der die Scheidung verlangt hat, dem anderen Unterhalt im Rahmen der Billigkeit zu gewähren. Hingegen besteht eine Unterhaltspflicht des anderen Gatten nicht, weil das Ehegesetz für den Fall einer solchen Scheidung eben nur demjenigen Teil, der die Scheidung verlangt hat, eine Unterhaltspflicht auferlegt. Die Alimentationspflicht nach § 69 Abs. 2 EheG. setzt also voraus, daß ein Begehren auf Scheidung ohne Schuldausspruch gestellt und ihm rechtswirksam und rechtskräftig Folge gegeben wurde. Diese Voraussetzungen sind, wenn die Scheidung ohne Schuldspruch auf Grund von darauf gerichteter Klage und Widerklage ausgesprochen wurde, bei beiden Gatten gegeben, zumal auch das Ehegesetz in dieser Hinsicht zwischen Klage und Widerklage keinerlei Unterschied macht, also dem Zuvorkommen des einen Gatten, der die Klage notwendig zuerst eingebracht hat, keine Bedeutung beimißt. Demzufolge trifft im Falle der Scheidung ohne Schuldausspruch auf Grund von Klage und Widerklage gemäß § 69 Abs. 2 EheG. beide Gatten eine gegenseitige Alimentationspflicht im Rahmen der Billigkeit (vgl. Volkmar - Antoni, Eherecht S. 269, Schwind, Kommentar zum österreichischen Eherecht S. 234). Dem Umstande, daß die Klägerin zuerst im Gebiet der deutschen Bundesrepublik ein Urteil auf Scheidung der Ehe ohne Schuldausspruch gegen den Beklagten erwirkt hat, kann demnach für die Unterhaltspflicht des Beklagten keine Bedeutung zukommen; denn das Zuvorkommen der Klägerin schließt nicht die Unterhaltspflicht des Beklagten auf Grund seines später in Österreich erwirkten Scheidungsurteils aus. Überdies hat die bei einem deutschen Gericht eingebrachte Scheidungsklage der Klägerin zu einer in Österreich rechtswirksamen Scheidung nicht geführt, da einer Anerkennung des Scheidungsurteils des Landesgerichtes Traunstein in Österreich nach § 24 der 4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz die Vorschriften der §§ 76 Abs. JN. und 328 Abs. 1 Z. 1 der Reichszivilprozeßordnung entgegenstehen. Selbst wenn aber dem auf Begehren der Klägerin in Deutschland erlassenen Scheidungsurteil in Österreich für die Unterhaltsfrage nach § 69 Abs. 2 EheG. Bedeutung beigemessen würde, würde dies die Unterhaltspflicht des Beklagten nicht berühren, sondern könnte vielmehr nur dazu führen, daß auch eine Unterhaltspflicht der Klägerin gegenüber dem Beklagten im Rahmen des § 69 Abs. 2 EheG. in Betracht käme, wie dies bei einer Scheidung auf Grund von Klage und Widerklage der Fall ist. Ein für die Alimentationsregelung nach § 69 Abs. 2 EheG. maßgeblicher Unterschied gegenüber dem Fall der Scheidung auf Grund von Klage und Widerklage besteht nämlich nicht. Die beiderseitige Unterhaltspflicht auf Grund von Klage und Widerklage besteht nach § 69 Abs. 2 EheG. deshalb, weil eben die Scheidung auf Verlangen jedes Teiles ausgesprochen wurde, nicht aber etwa deshalb, weil zwischen der Einbringung der Klage und Widerklage notwendig in der Regel bei normaler Prozeßdauer nur ein verhältnismäßig geringerer Zeitraum liegen kann. Würde nun selbst dem Scheidungsurteil des deutschen Gerichtes für die Unterhaltsfrage in Österreich Bedeutung beigemessen werden, so müßten die Urteile des deutschen und des österreichischen Gerichtes als sich gegenseitig ergänzende Einheit aufgefaßt werden, indem die erstere Entscheidung mangels Anerkennungsfähigkeit im österreichischen Rechtsgebiet bloß für das deutsche Rechtsgebiet die Auflösung der Ehe bewirkt hat und das zweite Urteil ergehen mußte, um denselben Erfolg auch in Österreich herbeizuführen. Demnach ist für die grundsätzliche Unterhaltspflicht des Beklagten nach § 69 Abs. 2 EheG. nur entscheidend, ob der Beklagte selbst ein Begehren auf Scheidung der Ehe ohne Schuldausspruch gestellt hat und ob diesem rechtskräftig und für Österreich rechtswirksam stattgegeben wurde. Dies trifft aber zu.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist demnach richtig, weshalb der Revision ein Erfolg versagt bleiben mußte.