JudikaturJustiz1Ob673/47

1Ob673/47 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. November 1947

Kopf

SZ 21/50

Spruch

Die Finanzprokuratur ist jederzeit berechtigt, behufs Ausübung des ihr zur Wahrung des öffentlichen Interesses nach dem Grünverkehrsgesetz zustehenden Rekursrechtes die Zustellung des Grundbuchsbescheides über die Eigentumseinverleibung zu begehren.

In Wahrnehmung dieses Rekursrechtes ist die Finanzprokuratur auch befugt, geltend zu machen, daß die Genehmigung des Vertrages von einer nicht zuständigen Grundverkehrskommission ausgesprochen wurde.

Die Pflicht des Grundbuchsrichters, die ihm vorgelegten Urkunden in der Richtung zu prüfen, ob sie von der zuständigen Behörde (Grundverkehrskommission) ausgestellt sind, ist dahin begrenzt, daß untersucht wird, ob nicht eine klar erkennbare Unzuständigkeit jener Behörde vorliegt, die die Urkunde ausgestellt oder den Bescheid erlassen hat.

Die Art der Verwendung der Grundstücke im Sinne des § 10, Abs. 1, lit. a bis c Grundverkehrsgesetz ist von der Grundverkehrkommission zu beurteilen.

Entscheidung vom 13. November 1947, 1 Ob 673/47.

I. Instanz: Bezirksgericht Waidhofen an der Ybbs; II. Instanz:

Kreisgericht St. Pölten.

Text

Das Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs als Grundbuchgericht hatte mit Beschluß vom 9. Mai 1947 die Einverleibung des Eigentums für die Ehegatten F. und A. R. im Eigentumsblatt einer Liegenschaft bewilligt. Die Bewilligung erfolgte auf Grund eines Kauvertrages, womit die bisherige Eigentümerin die Liegenschaft an die Eheleute R. verkauft hatte. Der Kaufvertrag war von der Grundverkehrbezirkskommission genehmigt worden. Zugleich mit der Eigentumseinverleibung war über Antrag der Käufer im Lastenblatt das Pfandrecht für die Kreditforderung einer Band gegen die Käufer einverleibt worden.

Am 25. Juli 1947 begehrte die Finanzprokuratur die Zustellung einer Beschlußausfertigung über die Einverleibung des Eigentums für die Eheleute R. Noch vor Erledigung dieses Zustellungsersuchens langte beim Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs ein Rekurs der Finanzprokuratur gegen den Einverleibungsbeschluß vom 9. Mai 1947 ein, der darauf gestützt war, daß zur Genehmigung des Kaufvertrages nicht die Grünverkehrsbezirkskommission, sondern die Grundverkehrslandeskommission zuständig gewesen wäre, weil es sich um forstwirtschaftliche Grundstücke handle. In der Zwischenzeit hatte die Grundverkehrslandeskommission mit Beschluß vom 22. Juli 1947 in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes den Bewilligungsbeschluß der Grundverkehrsbezirkskommission von Amts wegen aufgehoben.

Das Rekursgericht hat dem Rekurse der Finanzprokuratur Folge gegeben und den Antrag auf Einverleibung des Eigentumsrechtes der Eheleute R. sowie des Pfandrechtes für deren Kreditschuld abgewiesen. In der Begründung der Entscheidung wird auf den Beschluß der Grundverkehrslandeskommission verwiesen und angeführt, daß nach deren Beschluß die strittige Liegenschaft sich aus 150 ha Waldgrundstücken und nur 25 ha landwirtschaftlich genutzter Fläche zusammensetze. Es sei daher die Grundverkehrsbezirkskommission zur Genehmigung des Kaufvertrages nicht zuständig gewesen, welche Unzuständigkeit vom Bezirksgericht gemäß § 94 GBG. hätte beachtet werden müssen.

Der Oberste Gerichtshof hat den Revisionsrekursen der Käufer, der bisherigen Eigentümerin und der Hypothekargläubigerin stattgegeben und den erstgerichtlichen Beschluß wiederhergestellt.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Den Ausführungen der Revisionsrekurse kann zwar nicht beigestimmt werden, wenn sie geltend machen, daß der Finanzprokuratur ein Rekursrecht schon deswegen nicht zustehe, weil ihr der erstgerichtliche Beschluß niemals zugestellt worden sei. Die Zustellung einer Ausfertigung des Einverleibungsbeschlusses, worauf die Finanzprokuratur nach der in den Revisionsrekursen selbst angeführten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 26. November 1918 jederzeit ein Recht hat, hat lediglich die Bedeutung, daß dadurch nunmehr das Rekursrecht der Finanzprokuratur befristet wird, während es vorher unbefristet war. Es handelt sich daher höchstens um die vorzeitige Einbringung eines Rechtsmittels gegen eine bereits vorliegende Entscheidung; an der Zulässigkeit eines solchen Rechtsmittels kann nicht gezweifelt werden.

Unzutreffend ist auch die Meinung der Revisionsrekurse, der Finanzprokuratur könne ein Rekursrecht mangels Verletzung öffentlicher Interessen nicht zugestanden werden. Die Frage, ob ein Kaufvertrag die Genehmigung der zuständigen Grundverkehrskommission gefunden hat, berührt ebenso das öffentliche Interesse wie der Umstand, daß ein genehmigungspflichtiger Kaufvertrag überhaupt niemals einer Grundverkehrskommission zur Genehmigung vorgelegt wurde. In letzterer Richtung ist aber das öffentliche Interesse und das Rekursrecht der Finanzprokuratur durch die von den Revisionsrekursen selbst angeführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 26. November 1918, R I 267/18, und vom 28. Mai 1929, SZ. XI/96, anerkannt worden. Für die Einschränkung, die die Revisionsrekurse machen wollen, daß sich nämlich dieses öffentliche Interesse nur im Falle der gänzlichen Umgehung der Grundverkehrskommission ergebe, daß es aber nicht vorliege, wenn eine angeblich unzuständige Grundverkehrskommission die Genehmigung ausgesprochen habe, läßt sich keine Begründung finden.

Die Revisionsrekurse bekämpfen in der Folge die in den angeführten oberstgerichtlichen Entscheidungen ausgesprochene Rechtsansicht, daß die Finanzprokuratur jederzeit eine Ausfertigung des Einverleibungsbeschlusses begehren und diesen Beschluß aus dem Gründe anfechten könnte, daß die erforderliche Genehmigung der Grundverkehrskommission nicht vorlag. Diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofes werden von den Rekurswerbern hauptsächlich mit dem Hinweis darauf bekämpft, daß durch sie die Rechtssicherheit im Grundbuchsverkehr und der Grundsatz des Vertrauens in den Grundbuchstand vernichtet werde. Der Oberste Gerichtshof sieht aber keinen Grund, aus Anlaß des vorliegenden Falles von seiner früheren Rechtsprechung abzuweichen.

Berechtigt scheinen jedoch dem Obersten Gerichtshof die Ausführungen der Revisionsrekurse, wenn sie geltend machen, daß im vorliegenden Fall für den Grundbuchsrichter kein ausreichender Grund vorlag, die Zuständigkeit der Grundverkehrsbezirkskommission zur Genehmigung des Kaufvertrages zu verneinen. Es ist zwar richtig, daß der Grundbuchsrichter die ihm vorgelegten Urkunden auch in der Richtung einer Prüfung zu unterziehen hat, ob sie von der zuständigen Behörde ausgestellt sind. Diese Überprüfungspflicht des Grundbuchrichters darf jedoch nicht überspannt werden; die Abweisung eines Einverleibungsgesuches wegen Unzuständigkeit der Behörde, von der die eingebrachten Urkunden ausgestellt worden sind, kann vom Grundbuchsrichter nur dann ausgesprochen werden, wenn diese Unzuständigkeit auf Grund der dem Gerichte vorliegenden Akten klar erkennbar ist. Nur sogenannte absolut nichtige Verwaltungsakte berechtigen das Gericht, die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde nicht anzuerkennen.

Im vorliegenden Fall hat die Liegenschaft ein Ausmaß von rund 175 ha, wovon nach der Entscheidung der Grundverkehrslandeskommission (der das Rekursgericht gefolgt ist) rund 150 ha auf Waldgrundstücke und der Rest von 25 ha auf landwirtschaftliche Grundstücke entfallen sollen. Auf Grund welcher Unterlagen die Grundverkehrslandeskommission zu ihrer Berechnung gekommen ist, kann nach den vorliegenden Akten nicht festgestellt werden. Nach dem Grundbesitzbogen, der sich im Akte der Grundverkehrsbezirkskommission befindet, entfallen ungefähr 120 ha auf Waldungen und ungefähr 55 ha auf Grundstücke anderer Kulturgattungen (Äcker, Wiesen, Gärten, Hutweiden). Es ist schon hienach fraglich, ob ein Betrieb, der ein Drittel der Fläche in dem erheblichen Ausmaß von 55 ha landwirtschaftlich bearbeitet und nutzt, als forstwirtschaftlich angesehen werden kann. Hiezu kommt, daß nach den der Grundverkehrskommission vorgelegten Bestätigungen der zuständigen Stellen von der Liegenschaft in den Jahren 1941 bis 1944 mehr als 33.000 lt. Vollmilch jährlich und mehr als 600 lt. Rahm jährlich abgeliefert worden sind, daß sich ferner die Bezirksforstinspektion dahin äußert, daß das Gut der Hauptsache nach ein landwirtschaftlicher Betrieb ist und aus der Forstwirtschaft das für die Familie des Eigentümers erforderliche Einkommen nicht erzielt werden könnte. Nach dieser Äußerung ist der Bestand an schlagbarem Wald in den Waldgrundstücken verhältnismäßig gering, was sich auch aus dem geringen Ausmaß der Schlägerung, die in den letzten Jahren erfolgte, ergibt. Auch das Gemeindeamt und die Bezirkshauptmannschaft bestätigen, daß der Lebensunterhalt des Eigentümers zum größten Teil aus der Landwirtschaft bestritten werden muß. Nach diesen Bestätigungen würde es sich daher um einen in der Hauptsache landwirtschaftlichen Betrieb handeln.

Bei diesem Sachverhalt kann nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht angenommen werden, daß für den Grundbuchsrichter auf Grund der Aktenlage die Unzuständigkeit der Grundverkehrsbezirkskommission zur Genehmigung des Kaufvertrages klar erkennbar war. Dies steht auch im Einklang mit dem in der oberstgerichtlichen Entscheidung SZ. IV/135 ausgesprochenen Grundsatz, daß es auf die Art der Verwendung der Grundstücke ankomme, welche Frage die Grundverkehrbezirkskommission zu beurteilen habe. Die Entscheidung der Grundverkehrslandeskommission, auf die sich das Rekursgericht hauptsächlich zu stützen scheint, konnte aber eine Änderung der Rechtslage im vorliegenden Verfahren deswegen nicht herbeiführen, weil sie erst nach Fassung des erstrichterlichen Beschlusses erflossen ist und neue Tatsachen im grundbücherlichen Rekursverfahren nicht berücksichtigt werden dürfen. Nur nebenbei sei auf die in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ. IV/135 geäußerte Rechtsmeinung hingewiesen, daß ein nachträglicher Widerruf einer bereits von einer Grundverkehrskommission erteilten Genehmigung im Gesetz nicht vorgesehen ist und daß ein solcher Widerruf den Grundsätzen des Grundbuchrechts widerstreitet und wirkungslos bleiben