JudikaturJustiz1Ob366/98z

1Ob366/98z – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Januar 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Harald S*****, und 2. Elisabeth S*****, beide ***** vertreten durch Dr. Franz J. Rainer und Dr. Hans Moritz Pott, Rechtsanwälte in Schladming, wider die beklagten Parteien 1. Otto H*****, und 2. Dr. Elfriede H*****, beide ***** vertreten durch Dr. Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in Schladming, wegen Sicherstellung gemäß § 343 ABGB (Streitwert S 450.000, ) infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 4. November 1998, GZ 4 R 204/98x 44, womit der Endbeschluß des Landesgerichts Leoben vom 29. Juli 1998, GZ 4 Cg 122/95p 39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Kläger brachten vor, sechs auf der ihrem Grundstück benachbarten Liegenschaft der Beklagten befindliche Bäume seien von Fäulnis befallen und stellten eine latente Gefahr für das Haus der Kläger dar, weil zu befürchten sei, daß zumindest Teile dieser Bäume abbrechen und auf die Nachbarliegenschaft der Kläger geworfen würden. Die Kläger begehrten daher zwecks „Sicherstellung gemäß § 343 ABGB“, daß ihnen die Beklagten ein Sicherungspfandrecht auf der diesen gehörigen Liegenschaft im Höchstbetrag von S 450.000 einräumten oder nach ihrer Wahl diesen Betrag beim Bezirksgericht Schladming gemäß § 1425 ABGB zum Zweck der Behebung eines an der Liegenschaft der Kläger eintretenden Schadens aufgrund des Umstürzens der Bäume hinterlegten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren (mit Urteil) ab, weil die Kläger nicht den Nachweis einer konkreten Gefährdung erbracht hätten.

Dem dagegen erhobenen, von den Klägern als Berufung bezeichneten Rechtsmittel gab das Rechtsmittelgericht nicht Folge und sprach aus, daß der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Es führte insbesondere aus, daß die Entscheidung des Erstgerichts als Endbeschluß im Sinne des § 459 ZPO und die Berufung der Kläger als Rekurs gegen diese Entscheidung aufzufassen seien. Der von den Klägern geltend gemachte, ausdrücklich auf § 343 ABGB gestützte Anspruch sei nach den Regeln des Besitzstörungsverfahrens zu behandeln, weshalb auch ein Revisionsrekurs gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über den Endbeschluß des Erstgerichts jedenfalls unzulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Kläger ist unzulässig.

Zu den „Rechtsmitteln“ des Besitzers bei einer Störung seines Besitzes zählt das ABGB auch die Befugnis des Besitzers eines dinglichen Rechts, gemäß § 343 ABGB unter bestimmten Voraussetzungen gerichtlich auf Sicherstellung zu dringen, wenn er beweisen kann, daß ein bereits vorhandener fremder Bau oder eine andere fremde Sache dem Einsturz nahe sei und ihm offenbarer Schaden drohe. Schon die Überschriften zu den §§ 339, 340 und 343 ABGB lassen klar erkennen, daß das Sicherstellungsbegehren des § 343 ABGB in das Gebiet des Besitzprozesses gehört ( Klang II 2 115 f). Wenn auch der Anspruch nach § 343 ABGB im § 454 ZPO nicht als Inhalt einer Besitzstörungsklage Erwähnung findet, handelt es sich dabei doch zweifelsfrei um einen im beschleunigten Verfahren zu behandelnden Besitzstörungs anspruch, zumal § 459 ZPO ausdrücklich die Auferlegung einer Sicherheitsleistung nach § 343 ABGB als möglichen Inhalt eines im Besitzstörungsverfahren zu erlassenden Endbeschlusses anführt ( Frauenberger , Einstweiliger Rechtsschutz bei Besitzstörung 48). Daß der privatrechtliche Sicherstellungsanspruch nach den für Besitzstörungsklagen bestehenden Regeln geltend zu machen ist, wird in der Lehre überwiegend vertreten ( Ehrenzweig , Privatrecht I/2 137; Gschnitzer , Österreichisches Sachenrecht 2 25, 27; Swoboda , ABGB I/II 2 235; Feil , Liegenschaftsrecht I 59; Spielbüchler in Rummel ABGB 2 Rz 1 und 6 zu § 343; Fasching Lehrbuch 2 Rz 1646 und 1656).

Die Rechtsmittelwerber vertreten die Ansicht, die prozessualen Vorschriften über das Besitzstörungsverfahren seien auf ein Begehren nach § 343 ABGB nicht anzuwenden, und schon mehrere Autoren, die im zuvor zitierten Kommentar Klangs in einer Fußnote genannt worden seien, hätten diese Auffassung „nicht wenig überzeugend“ vertreten. Hiezu ist auszuführen:

Mag auch das durch § 343 ABGB gewährte „Rechtsmittel“, das auf Sicherstellung gerichtet ist, etwas außerhalb des Schemas der eigentlichen Besitzstörungsklagen liegt (so Reinl , Das Verhältnis der Bauverbotsklage zur Besitzstörungsklage, in JBl 1970, 79), so darf aber doch nicht übersehen werden, daß schon aufgrund der Randschriften zu den §§ 339 bis 343 ABGB wie zuvor ausgeführt klar zu erkennen ist, daß der Gesetzgeber auch die Sicherstellungsmöglichkeit nach § 343 ABGB als Rechtsmittel des Besitzers bei Störung seines Besitzes verstanden wissen wollte (siehe Reinl aaO 75). Es ist also gar nicht so „selbstverständlich“, wie Randa (Der Besitz nach österreichischem Recht 4 223 f) meint, daß die im § 343 ABGB gewährte Klage des Besitzers auf Sicherstellung eines drohenden Schadens nicht zu den Besitzklagen gehörte. Randa sieht es zwar als inkonsequent an, daß § 343 ABGB im § 15 der Kaiserlichen Verordnung vom 27. Oktober 1849 angeführt wurde (und woraus sich nach Ansicht Klangs eindeutig ergibt, daß das „Rechtsmittel“ des § 343 ABGB in das Gebiet des Besitzprozesses gehöre [ Klang aaO 116]), doch stelle dies nach nunmehr seinerseits geänderter Ansicht doch kein Redaktionsversehen dar; das possessorische Verfahren sei auch auf die Kautionsklage des § 343 ABGB anzuwenden ( Randa aaO 224 f). Dadurch wird auch die Ansicht Burckhards (System des österreichischen Privatrechts III 67 f, insbesondere FN 15) relativiert, der die von Randa aufgegebene Meinung vertrat, die Zitierung des § 343 ABGB in der zuvor genannten Kaiserlichen Verordnung aus dem Jahre 1849 beweise höchstens, daß man bei Abfassung dieser Verordnung einer irrigen Meinung gewesen sei.

Demelius (Grundriß des Sachenrechts 12) vertritt ausdrücklich die Ansicht, daß auch dem Begehren nach § 343 ABGB das „Possessorium summariissimum“ und damit die Vorschriften der §§ 456 und 459 ZPO „offenstünden“, doch sei die Klage nach § 343 ABGB nicht als Besitzstörungsklage anzusehen, weil der Begriff der Störung auf sie nicht passe.

Keiner der zuletzt genannten Autoren, die den Anspruch nach § 343 ABGB nicht als Besitzstörungsklage gewertet wissen wollen, vertritt somit die Auffassung, über eine Klage nach § 343 ABGB sei nicht nach den für Besitzstörungen aufgestellten prozessualen Regeln zu verfahren. Lediglich Wolff (Grundriß des österreichischen bürgerlichen Rechts 4 230) meint allerdings ohne jede Begründung und damit keinesfalls überzeugend , das Sicherstellungsbegehren gemäß § 343 ABGB sei „im gewöhnlichen Verfahren“ geltend zu machen.

Angesichts der von Klang (aaO) kurz und prägnant zusammengefaßten Argumente ist in Übereinstimmung mit nahezu allen Lehrmeinungen davon auszugehen, daß der Sicherstellungsanspruch gemäß § 343 ABGB im beschleunigten Verfahren nach den §§ 454 ff ZPO durchzusetzen ist. Dann liegt aber eine Streitigkeit wegen Besitzstörung (§ 49 Abs 2 Z 4 JN) vor; in solchen Fällen ist der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 6 ZPO jedenfalls unzulässig.

Der Revisionsrekurs ist deshalb zurückzuweisen.