JudikaturJustiz1Ob234/05a

1Ob234/05a – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei Ö***** N*****, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Klemens Dallinger, Rechtsanwalt, Wien 1, Schulerstraße 18, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der R***** AG, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien (Streitwert: EUR 7,444.246,49 sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. September 2005, GZ 14 R 205/04a-75, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 8. Juli 2004, GZ 33 Cg 38/98w-70, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin macht als Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung geltend, dass die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach rechtswidrige, unzutreffend begründete Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde nicht durch eine Entscheidung ersetzt werden könnten, die andere, im Anlassverfahren nicht vorgebrachte oder hervorgekommene Tatsachen berücksichtige, im Widerspruch zu der zu den Rechtswirkungen verwaltungsgerichtlicher Erkenntnisse bestehenden Judikatur, insbesondere des Verwaltungsgerichtshofs stehe. Dieser Argumentation ist Folgendes entgegenzuhalten:

Bei förmlichen Entscheidungen trifft das Vollzugsorgan eine besondere Begründungspflicht, die ihm die rechtlich schlüssige und rechtsmethodisch einwandfreie Darlegung aufträgt, inwieweit die getroffene Entscheidung durch das Gesetz angeordnet ist. Eine Entscheidung ist zu unterlassen, wenn sie sich nicht einwandfrei begründen lässt. Sie kann insbesondere nicht durch späteren Wissensstand gerechtfertigt werden. Die Begründung muss erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde und aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass dieser Sachverhalt vorliegt. Die Tatsachenfeststellungen sind so zu treffen, dass an Hand der Begründung geprüft werden kann, ob und inwieweit die Ermittlungen und deren Auswertung in einem einwandfreien Verfahren zustande gekommen sind und die zur Annahme des dem Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalts führenden Schlussfolgerungen den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen entsprechen (SZ 59/141 mwH). Keinesfalls ist es zulässig, dass eine allenfalls mögliche neue Begründung, deren sich die Verwaltungsbehörde selbst nicht bediente, nachgeschoben wird, und nach deren Inhalt der rechtswidrige Verwaltungsakt, auf den der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch gestützt wird, vertretbar erscheinen könnte (vgl 1 Ob 247/04m). Die Revisionswerberin übergeht, dass es sich bei dem Bescheid, auf den der hier zu beurteilende Amtshaftungsanspruch gestützt wurde, um den am 9. 6. 1987 im ersten Rechtsgang von der nunmehrigen Nebenintervenientin erlassenen und vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Bescheid handelt, sodass die auf der Grundlage eines neuen Wissensstandes erfolgte Begründung des von der Revisionswerberin so bezeichneten „Ersatzbescheides" dem geltend gemachten Amtshaftungsanspruch nicht entgegen gehalten werden kann. Für die Beurteilung des Organverhaltens als schuldhaft und rechtswidrig ist die (rückwirkende) „Sanierung" eines fehlerhaften Bescheides vielmehr unbeachtlich. Darin, dass die Vorinstanzen die Begründung des erst Jahre später ergangenen „Ersatzbescheides" nicht für die Beurteilung des hier gegenständlichen Amtshaftungsanspruchs herangezogen haben, kann eine (grobe) Verkennung der Rechtslage daher nicht erblickt werden.

Ebenso wenig haftet der Auffassung der Vorinstanzen, wonach sich die Revisionswerberin nicht erfolgreich auf den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 3 ZPO berufen könne, da sie weder eine der in dieser Bestimmung taxativ aufgezählten strafbaren Handlungen geltend mache, noch die behauptete Straftat eines Organs der Gemeinschuldnerin kausal für die im wiederaufzunehmenden Verfahren ergangene Entscheidung gewesen sei, eine vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende (grobe) Unrichtigkeit an. Insoweit genügt es, auf die Ausführungen des Gerichts zweiter Instanz zu verweisen. Entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin, das Berufungsgericht habe eine meritorische Auseinandersetzung mit den Berufungsausführungen unterlassen, hat sich dieses ausführlich mit den geltend gemachten Berufungsgründen, insbesondere der Beweisrüge der klagenden Partei, auseinandergesetzt. Die Beurteilung, ob die vom Wiederaufnahmskläger vorgelegten neuen Beweismittel im konkreten Fall beweiskräftig genug sind, um eine günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen, ist jedoch einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen (6 Ob 186/01y; 10 ObS 23/03k ua). Auch die Frage in welchen Zeiträumen die beklagte Partei für die differenziert nach einzelnen Geschäftsjahren geltend gemachten Schäden einzustehen habe, stellt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO dar. Gemäß § 393 Abs 1 ZPO kann das Gericht, wenn in einem Rechtsstreit ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig und die Verhandlung zunächst bloß in Ansehung des Grundes zur Entscheidung reif ist, vorab über den Grund des Anspruchs durch Urteil entschieden, auch wenn noch strittig ist, ob der Anspruch überhaupt mit irgendeinem Betrag zu Recht besteht (vgl auch Rechberger in Rechberger ZPO² § 393 Rz 7 mwH). Dem hat das Berufungsgericht entsprochen.

Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).