JudikaturJustiz1Ob115/68

1Ob115/68 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Mai 1968

Kopf

SZ 41/60

Spruch

Haftung eines Gastwirtes, der seinen Gästen eine Garage zur Verfügung stellt, gemäß § 970 (2) zweiter Satz ABGB.

Kein Mitverschulden eines Durchreisenden, der das Hotelzimmer nur für eine Nacht benützt und verschiedene Sachen im versperrten Personenkraftwagen, der in der absperrbaren Garage untergebracht ist, zurückläßt.

Entscheidung vom 16. Mai 1968, 1 Ob 115/68.

I. Instanz; Bezirksgericht Amstetten; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.

Text

Der Erstkläger nächtigte vom 26. auf den 27. September 1965 im Hotel des Beklagten. Er behauptet, sein in einer vom Beklagten zugewiesenen, unversperrten Garage abgestellter PKW sei in der Nacht aufgebrochen und die darin befindlichen, ihm gehörigen verschiedenen Effekten im Gesamtwert von 2642 DM seien gestohlen worden. Mit der vorliegenden Klage verlangt der Erstkläger den Ersatz dieses Betrages. Die Zweitklägerin beantragte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 48.50 DM als Ersatz des durch den Einbruch an dem Kraftwagen entstandenen Schadens.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 2690 DM s. A. an den Erstkläger, wies aber das Begehren der Zweitklägerin ab.

Dieser Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Der Erstkläger habe am 26. September 1965 das Hotel des Beklagten aufgesucht und sich dort bei Gislinde P., die in der Rezeption Dienst versah, nach zwei Einzelzimmern und einer Garage für seinen Kraftwagen erkundigt. Beides sei ihm zugesagt worden. Darauf sei er mit dem Wagen in den Hof des Hotels eingefahren und von einem zirka zwanzigjährigen Mädchen in einen Holzschuppen, der als Abstellplatz für die Kraftwagen von Gästen des Beklagten verwendet werde, eingewiesen worden. Der Holzschuppen biete Platz für zwei Personenkraftwagen und sei versperrbar. Nach dem Abstellen des Wagens habe der Erstkläger einen Koffer mit in das Hotel genommen.

Im Kraftwagen seien zurückgeblieben: 1 Kleidersack mit 3 maßgeschneiderten Anzügen, 1 dunkelblaues Hemd, 1 Mantel, 1 Aktentasche aus Leder, worin sich 1 Diktiergerät, Papiere des Erstklägers, 1 Flasche Wodka, 1 Flasche Kirschlikör und 1 Bernsteinkette mit Anhänger befunden hätten, eine Brieftasche aus Krokodilleder, 1 Notizbuch und 1 Ehering aus Gold, welche Sachen sich in einem der beiden Anzüge befunden hätten. Der Wert dieser Gegenstände betrage 2642 DM. Diese Gegenstände seien im Fahrgastraum des Wagens gewesen. Im Kofferraum habe sich ein weiteres Gepäckstück mit verschiedenen Gegenständen befunden. Der Erstkläger sei vom Hotelpersonal nicht darauf aufmerksam gemacht worden, daß keine Gegenstände, insbesondere keine Wertsachen, im Wagen zurückgelassen werden dürfen. Der Holzschuppen sei vom Hotelpersonal nicht abgeschlossen worden, ebenso auch nicht das Einfahrtstor zum Hotelhof. In der Nacht vom 26. auf den 27. September 1965 hätten unbekannte Täter den eingestellten Kraftwagen durch Einschlagen des linken rückwärtigen Eckfensters aufgebrochen und die im Fahrgastraum befindlichen Gegenstände gestohlen. Der Erstkläger habe am Morgen des 27. September 1965 den Schaden entdeckt und dem Beklagten gemeldet. Dieser habe seine Versicherung verständigt und mit deren Angestellten Helmut J. eine Schadensmeldung aufgenommen. Darin sei unter der Spalte Verschulden vermerkt, daß die Garage nicht versperrt gewesen sei, weil noch ein zweiter Personenkraftwagen eingestellt werden sollte, der dann aber nicht eingestellt worden sei. Durch das Einschlagen des Fensters des ordnungsgemäß versperrt gewesenen Personenkraftwagens sei ein Schaden von 48.50 DM entstanden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus:

Der Personenkraftwagen sei vom aufgenommenen Gast an einem hiezu bestimmten Ort abgestellt, darüber hinaus sei dieser Abstellplatz dem Erstkläger vom Personal des Hotels des Beklagten zugewiesen worden. Der Kraftwagen sei daher als eine eingebrachte Sache nach § 970 ABGB. zu behandeln. Der Beklagte gehöre auch zum Kreis der Unternehmer, die Aufbewahrungsräume für Fahrzeuge besitzen. Er hafte somit nach § 970 (2) ABGB. für die gestohlenen Sachen. Von dieser Haftung könne er sich nur dann befreien, wenn er beweise, daß der Schaden weder durch ihn noch durch seine Leute verschuldet, noch durch fremde in dem Haus aus- und eingehende Personen verursacht worden sei. Dieser Beweis sei nicht gelungen, weil einerseits ein Verschulden von Bediensteten des Beklagten vorliege und andererseits auch die Verursachung des Schadens durch fremde, im Hause aus- und eingehende Personen nicht ausgeschlossen sei. Der Beklagte könne die Haftungsbegrenzung gemäß dem BGBl. Nr. 638/1921 in der Fassung BGBl. Nr. 259/1951 nicht in Anspruch nehmen, weil diese auf den Fall des § 970 (2) ABGB. nicht anzuwenden sei. Die Haftungsbeschränkung gelte aber auch dann nicht, wenn der Schaden vom Unternehmer oder seinen Leuten verschuldet worden sei. Auch dies treffe zu. Das Verschulden des Beklagten bzw. seiner Leute liege darin, daß weder der Einstellplatz noch das Hoftor während der Nacht abgesperrt worden seien. Ein Verschulden des Erstklägers könne darin, daß er die in Frage stehenden Sachen im versperrten Kraftwagen gelassen habe, nicht erblickt werden. Die Bernsteinkette samt Anhänger und der Ehering seien keine Kostbarkeiten im Sinne des § 970a ABGB.

Das Klagebegehren der Zweitklägerin sei abzuweisen, weil ihr die aktive Klagslegitimation fehle. Träger des Anspruchs aus der Gastwirtehaftung gemäß § 970 ABGB. sei nur der Gast und nicht der Eigentümer der eingebrachten Sache.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil dem Gründe nach mit Zwischenurteil, hob es hinsichtlich der Höhe des Anspruches auf und verwies die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten gegen das Zwischenurteil nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es ist davon auszugehen, daß der Kläger die deliktische Haftung des Gastwirts nach § 1316 ABGB. nicht in Anspruch nimmt; es steht nur die Haftung des Beklagten aus dem Gastaufnahmevertrag gemäß § 970 ABGB. in Frage. Die Einbringung des Kraftwagens des Erstklägers im Sinne des § 970 ABGB. kann nach den Feststellungen der Untergerichte nicht mehr zweifelhaft sein, hat er doch den Wagen an den ihm von einem Hotelangestellten angewiesenen Platz gebracht. Der Schaden ist aber auch vom Beklagten oder seinen Leuten verschuldet worden, weil sie es unterlassen haben, die Garagentür über Nacht abzusperren. Der Beklagte hat dadurch die Pflicht zur Obsorge für die eingebrachten Sachen des von ihm aufgenommenen Gastes verletzt (vgl. Ehrenzweig II/1 S. 388). Er haftet daher ohne Rücksicht auf die durch das Gesetz BGBl. Nr. 638/1921 in der Fassung BGBl. Nr. 259/1961 getroffenen Haftungsbeschränkungen (vgl. Klang[2] IV 668, Ehrenzweig, a. a. O. S. 390). Der Beklagte haftet also schon nach § 970 (1) ABGB. für das ihn oder seine Leute treffende Verschulden an dem Schaden des Erstklägers.

Auf die Haftung für die Verursachung des Schadens durch fremde im Hause aus- und eingehende Leute und die damit zusammenhängenden Fragen, ob diese sich auch auf die Haftung für Schäden durch Aufbrechen des PKW. erstreckt, kommt es gar nicht mehr an.

Ein Mitverschulden des Erstklägers, der als bloßer Durchreisender das Hotelzimmer nur für eine Nacht benötigte und deshalb unterlassen hat, gewisse nicht unmittelbar benötigte Gegenstände aus dem Kraftwagen auf sein Zimmer zu bringen, liegt nicht vor. Der Erstkläger konnte mit der Versperrung des Garagentores rechnen. Den Beklagten trifft aber auch die Haftung eines Unternehmers, der Aufbewahrungsräume hält (§ 970 (2) zweiter Satz ABGB.), weil es nicht darauf ankommt, daß dies dem Hauptzweck nach geschieht (vgl. Edlbacher, ÖJZ. 1967 S. 1 ff. unter IV), eine Beschränkung der Haftung auf solche Sachen, die sich offen auf dem Fahrzeug befinden, dem Gesetz nicht entnommen werden kann und eine zu enge Auslegung jedenfalls vermieden werden muß (vgl. Klang[2]