JudikaturJustiz16R216/23m

16R216/23m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Sonntag als Vorsitzenden und die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Elhenicky und Mag. Janschitz in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb. am **, Pensionist, ** vertreten durch Dr. Florian Johann Ernst Knaipp, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. B* , Lieferant, **, 2. C * , **, und 3. D* AG , **, alle vertreten durch Dr. Johann Sommer, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 14.238,-- s.A., über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse: EUR 12.728,--) gegen das (richtig:) Endurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Juni 2023, 53 Cg 23/21y-56, gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

„1. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 2.218,-- samt 4% Zinsen jährlich seit 25.2.2021 zu zahlen.

2. Das Mehrbegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei weitere EUR 12.020,-- samt 4% Zinsen jährlich seit 25.2.2021 zu zahlen, wird abgewiesen.

3. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 2.012,76 (darin enthalten EUR 82,06 USt und EUR 1.522,27 Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 1.799,18 (darin enthalten EUR 299,86 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 27.10.2020 gegen 9:30 Uhr ereignete sich in ** im Bereich der Kreuzung **gasse – **gasse ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Fußgänger und der Erstbeklagte als Lenker des von der Zweitbeklagten gehaltenen und bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten PKWs VW LT32 HR mit dem amtlichen Kennzeichen ** beteiligt waren. Das Alleinverschulden am Verkehrsunfall traf den Erstbeklagten.

Der Kläger erlitt durch den Verkehrsunfall einen unverschobenen Bruch über dem Oberarmrollmassiv links, der im AKH Wien zunächst mit einem Oberarmspaltgips ruhig gestellt wurde. Bei einer ambulanten Kontrolle am 13.11.2020 wurde ein geschlossener Oberarmgipsverband angelegt, der am 3.12.2020 abgenommen wurde. Insgesamt (inklusive noch künftiger leichter Schmerzen in der Dauer von fünf bis sechs Tagen) sind mit der Verletzung für den Kläger - komprimiert auf den 24 Stunden Tag – ein Tag schwere Schmerzen, acht bis zehn Tage mittlere Schmerzen und 36 bis 41 Tage leichte Schmerzen verbunden.

Mittlerweile ist der Knochenbruch beim Kläger vollständig geheilt. Dauerhaft eingeschränkt bleiben die linke Ellbogenstreckfähigkeit im Ausmaß von 35°, die Beugefähigkeit im linken Ellbogengelenk im Ausmaß von 5° sowie die Vorderarmdrehung in geringem Ausmaß. Mit der eingeschränkten Beugefähigkeit im linken Ellbogengelenk und der geringen Einschränkung der Vorderarmdrehung links sind keine Behinderungen im Alltag verbunden. Aufgrund der Einschränkung der Ellbogenstreckfähigkeit von 35° kann der Kläger mit dem linken Arm nicht mehr so hoch greifen. Dadurch sind alltägliche Behinderungen bei Tätigkeiten zu erwarten, die eine volle Streckung des Arms erfordern.

Der Kläger benötigte nach dem Verkehrsunfall acht Wochen lang für die Verrichtung der Dinge des täglichen Lebens – etwa Einkaufen oder die Haushaltsführung – die Hilfe von Dritten im Ausmaß von zwei Stunden täglich sowie sechs Wochen lang die Unterstützung eines Dritten für die Verrichtung der Körperpflege im Ausmaß von einer Stunde täglich. Die benötigte Hilfe im Haushalt sowie Unterstützung bei der Körperpflege im Ausmaß von insgesamt 154 Stunden erhielt der Kläger vor allem von einer Bekannten; sie unterstütze ihn bei Einkäufen, putzte die Wohnung, kochte für ihn und half ihm beim Duschen.

Der Kläger begehrte von den Beklagten mit Klage vom 25.3.2021 die Zahlung von EUR 22.576,-- (davon EUR 20.020,-- Schmerzengeld und EUR 2.556,-- für 213 Stunden Pflege und Hilfe im Haushalt [Stundensatz EUR 12,--]) sowie die Feststellung, dass die Beklagten zur ungeteilten Hand für sämtliche zukünftige, derzeit nicht bekannte Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 27.10.2020 haften, wobei die Haftung der Drittbeklagten mit der im Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag genannten Versicherungssumme begrenzt sei. Spät- und Dauerfolgen könnten nicht ausgeschlossen werden.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren zunächst dem Grunde und der Höhe nach und beantragten Klagsabweisung. Mit Schriftsatz vom 17.3.2022 stellten sie das Alleinverschulden des Erstbeklagten außer Streit und anerkannten das Feststellungsbegehren sowie das Leistungsbegehren im Umfang von EUR 8.338,-- (davon EUR 6.490,-- Schmerzengeld und EUR 1.848,-- Haushaltshilfe- und Pflegekosten). Sie bestritten weiterhin das darüber hinaus geltend gemachte Schmerzengeld sowie die Kosten für Pflegebedarf und Aushilfe als überhöht.

Der Kläger schränkte das Leistungsbegehren mit Schriftsatz vom 13.2.2023 aufgrund Zahlung der anerkannten EUR 8.338,-- durch die Beklagten auf restliche EUR 14.238,-- sA ein (davon EUR 13.530,-- an restlichem Schmerzengeld und EUR 708,-- an restlichem Ersatz für insgesamt 154 Stunden Unterstützung im Haushalt und Pflege nunmehr zu einem Stundensatz von EUR 16,59). Als Betreuungskosten seien jene Bruttolohnkosten zu ersetzen, die die Erbringung der konkreten, notwendigen Pflegeleistungen durch professionelle Kräfte erforderten. Bei der Caritas der Erzdiözese Wien gem. GmbH werde für eine Heimhilfe ein Stundensatz von EUR 34,-- verrechnet. Für den Pflegeaufwand von insgesamt 154 Stunden stünde dem Kläger daher sogar Ersatz in Höhe von EUR 5.236,-- zu.

Infolge des Anerkenntnisses der Beklagten erging über das Feststellungsbegehren das Teilanerkenntnisurteil vom 17.2.2023.

Mit dem angefochtenen (richtig:) Endurteil gab das Erstgericht dem restlichen Klagebegehren im Umfang von EUR 1.510,-- sA statt und wies das Mehrbegehren von EUR 12.728,-- sA ab. Es legte seiner Entscheidung die eingangs wiedergegebenen, nicht bekämpften Feststellungen zugrunde.

In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass die Haftung der Beklagten dem Grunde nach außer Streit stehe und sich auf das Alleinverschulden des Erstbeklagten gründe, das der Zweitbeklagten als Halterin des Fahrzeugs nach § 19 Abs 2 EKHG zuzurechnen sei. Die Haftung der drittbeklagten Haftpflichtversicherin ergebe sich aus § 26 KHVG. Bei Bemessung des Schmerzengeldes nach § 273 ZPO sei auf den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und Intensität der Schmerzen, auf die Schwere der Verletzung und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigungen des Gesundheitszustands abzustellen. Zu berücksichtigen seien dabei insbesondere die durch das Alter des Verletzten zu erwartende Dauer der Beeinträchtigung oder das Vorliegen und das Ausmaß von psychischen Beeinträchtigungen durch die Auswirkungen der Verletzung auf die künftige Lebensführung. Der Kläger habe einen Bruch über dem Oberarmrollmassiv links erlitten, der mittlerweile vollständig geheilt sei. Dauerfolgen bestünden in Form einer Einschränkung der linken Ellbogenstreckfähigkeit im Ausmaß von 35°, der Beugefähigkeit im linken Ellbogengelenk im Ausmaß von 5° sowie der Vorderarmdrehung links in geringem Ausmaß. Nur mit der Einschränkung der Ellbogenstreckfähigkeit seien weiterhin Beeinträchtigungen im Alltag verbunden. Im Hinblick darauf sowie unter Berücksichtigung der festgestellten Schmerzperioden sei ein global bemessenes Schmerzengeld von insgesamt EUR 8.000,-- angemessen. Abzüglich der bereits erhaltenen Zahlung von EUR 6.490,- verbleibe ein Anspruch des Klägers in Höhe von EUR 1.510,--.

Nach § 1325 ABGB gebühre ihm auch eine Abgeltung für vermehrte Bedürfnisse, insbesondere seines Bedarfs nach Pflege- und Haushaltshilfeleistungen im Ausmaß von 154 Stunden. Der Schädiger schulde die Bruttolohnkosten einer professionellen Hilfskraft für den entstandenen Pflegebedarf. Unerheblich sei, dass diese Leistungen unentgeltlich von dritter Seite erbracht worden seien. Es sei aber nicht auf den Stundensatz der Caritas für eine Heimhilfe in Höhe von EUR 34,-- zurückzugreifen, sondern gemäß § 273 ZPO von einem angemessenen Stundensatz für die vorgenommenen Tätigkeiten (Unterstützung bei Einkäufen, Wohnung putzen, Hilfe bei der Körperpflege) in Höhe von EUR 12,-- und damit von einer Forderung von EUR 1.848,-- auszugehen, welche die Beklagten bereits gezahlt hätten.

Gegen den abweisenden Teil dieses Urteils richtet sich die Berufung des Klägers aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in gänzlich klagsstattgebendem Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist teilweise berechtigt .

1. Der Kläger beanstandet, das Erstgericht habe das Schmerzengeld mit insgesamt EUR 8.000,-- zu gering bemessen. In Anwendung der im Sprengel des Oberlandesgerichts Wien aktuellen Schmerzengeldtagessätze von EUR 120,-- für leichte Schmerzen, EUR 240,-- für mittlere Schmerzen und EUR 360,-- für starke Schmerzen ergebe sich ein Schmerzengeld von mindestens EUR 7.650,--; dieses hätte aufgrund der festgestellten bleibenden Einschränkung der Ellbogenstreckfähigkeit, mit der eine Beeinträchtigung im Alltag einhergehe, wesentlich und nicht nur um EUR 320,-- erhöht werden müssen.

1.1 Das Schmerzengeld ist die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat. Es hat also die Aufgabe, eine Globalentschädigung für alle durch die eingetretenen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen zu gewähren, um dem Beschädigten als Abgeltung für entgangene und allenfalls noch entgehende Lebensfreude die Möglichkeit gewisser, die Lebensqualität erhöhender Anschaffungen zu eröffnen; es ist nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) unter Bedachtnahme auf die Dauer und Intensität der Schmerzen, die Schwere der Verletzung und das Maß der psychischen und physischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustands festzulegen; auch auf das Bewusstsein eines die gewohnte Lebensgestaltung nachhaltig beeinflussenden Dauerschadens und die damit verbundene seelische Belastung ist dabei Bedacht zu nehmen (RS0031040, RS0031054, RS0031055, RS0031307, RS0031175, uva; 2 Ob 175/14w; 2 Ob 105/09v; 8 Ob 16/21t). Zumal bei der Festsetzung des Schmerzengeldes das Ungemach, das der Verletzte voraussichtlich noch zu erdulden haben wird, zu berücksichtigen ist, ist auch das Alter des Verletzten zu berücksichtigen (7 Ob 281/92b).

Bei der Bemessung des Schmerzengeldes ist einerseits auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, andererseits zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen. Es darf der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung im Einzelfall nicht gesprengt werden (RS0031075).

Nach ständiger Rechtsprechung (RS0125618) hat die Schmerzengeldbemessung nicht nach starren Regeln zu erfolgen, sodass es nicht nach Art eines Tarifs für einzelne Tage oder sonstige Zeiteinheiten aufgrund festgestellter Schmerzperioden berechnet werden kann. Schmerzperioden können lediglich zur Orientierung als Bemessungs- oder Berechnungshilfe herangezogen werden (RS0125618 [T3], RS0122794 [T4]).

1.2 In Anwendung dieser Grundsätze ist zwar richtig, dass bei Bemessung des Schmerzengeldes auch die seelische Belastung zu berücksichtigen ist, die mit dem Bewusstsein der bleibenden und auch bei alltäglichen Verrichtungen nachteiligen Bewegungseinschränkung im linken Ellbogen verbunden ist. Davon ist das Erstgericht aber ohnehin ausgegangen. Selbst unter hilfsweiser Heranziehung der bei Schluss der Verhandlung im April 2023 veröffentlichten Schmerzengeldsätze des OLG Wien (EUR 120,-- für leichte, EUR 240,-- für mittlere und EUR 360,-- für starke Schmerzen, jeweils pro komprimierten Schmerztag; vgl. Hartl, Schmerzengeldsätze in Österreich in Euro, RZ 2023,73) als Orientierungs- bzw. Bemessungshilfe würde sich aufgrund der festgestellten Schmerzperioden von einem Tag schweren, acht bis zehn Tagen mittleren und 36 bis 41 Tage leichten Schmerzen ein Schmerzengeld in einer Bandbreite von EUR 6.600,-- bis EUR 7.680,-- als angemessen darstellen. Das vom Erstgericht mit EUR 8.000,-- bemessene Schmerzengeld liegt damit um etwas mehr als 20 % über dem Mindestbetrag von EUR 6.600,-- bzw. um 12 % über dem Mittel von EUR 7.140,--. Mit dieser Erhöhung ist die mit dem verbliebenen Dauerschaden verbundene seelische Belastung auch ausreichend berücksichtigt, weil der (im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung) bereits 75jährige Kläger im Alltag aufgrund des verbliebenen Streckdefizits des linken Ellbogens nicht bei allen, sondern nur bei einzelnen Bewegungen einer Einschränkung unterlegen ist, nämlich solchen, die eine volle Streckung des Ellbogens erfordern, wobei ein solches Defizit zum Teil durch den Einsatz des rechten Arms ausgeglichen werden kann. Weshalb daher von einer wesentlichen Minderung der Lebensqualität und einer damit besonders starken seelischen Belastung aufgrund der bleibenden Bewegungseinschränkung ausgegangen werden müsste, legt der Kläger nicht dar. Ebensowenig zeigt er auf, dass die Rechtsprechung in einem vergleichbaren Fall einen höheren Schmerzengeldbetrag zugesprochen hätte.

Eine korrekturbedürftige Überschreitung des Ermessensspielraums nach § 273 ZPO ist daher nicht zu erkennen.

2. Weiterer Angriffspunkt der Berufung ist die Bemessung der Entschädigung für den vom Erstgericht festgestellten Bedarf an Pflege- und Unterstützungsleistungen im Haushalt von insgesamt 154 Stunden unter Heranziehung eines Stundensatzes von EUR 12,-- und nicht – wie vom Kläger zuletzt begehrt - von EUR 16,59. Als sekundären Feststellungsmangel rügt der Kläger in diesem Zusammenhang das Fehlen einer Feststellung zur Honorierung einer Arbeitsstunde einer professionellen Heimkraft mit EUR 34,--. Diese Tatsache hätte das Erstgericht aufgrund des nur unsubstanziierten Bestreitens durch die Beklagten sogar als schlüssig zugestanden ansehen und schon aufgrund dessen von der Angemessenheit des begehrten Stundensatzes von EUR 16,59 ausgehen müssen.

2.1 Das festgestellte Ausmaß an unfallkausalem Pflegebedarf (Unterstützung bei der Körperpflege) von insgesamt 42 Stunden in den ersten sechs Wochen nach dem Unfall sowie für eine Haushaltshilfe (insbesondere Einkaufen, Wohnungsreinigung, Kochen) von insgesamt 112 Stunden in den ersten acht Wochen nach dem Unfall wird in der Berufung nicht in Zweifel gezogen.

2.2 Die Berufungsgegner erheben in der Berufungsbeantwortung den Einwand, ein höherer Stundensatz als EUR 12,-- könne schon deshalb nicht zugesprochen werden, weil der Kläger die Abgeltung des Pflegeaufwandes bis zuletzt nur zu einem Stundensatz von EUR 12,-- begehrt habe. Damit übersehen sie allerdings, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 13.2.2023 (ON 47,5) die Berechtigung seiner Ersatzforderung für den von einer Bekannten unentgeltlich geleisteten Plegeaufwand von 154 Stunden ausdrücklich auf einen Stundensatz von EUR 16,59 stützte.

2.3 In Fällen, in denen ein Geschädigter nicht von professionellem Pflegepersonal, sondern von seinen Angehörigen oder – wie hier – von einem ihm sonst nahestehenden Dritten unentgeltlich betreut und gepflegt wird, sind die tatsächlichen Pflegeleistungen konkret zu ermitteln und sodann der objektive Wert der Arbeitsleistungen als Grundlage der Vergütung heranzuziehen. Es ist festzustellen, welche Kosten die Befriedigung des Pflegebedarfs durch professionelle Kräfte erfordert hätte. Dabei sind nach ständiger Rechtsprechung die Bruttolohnkosten des fiktiven Pflegepersonals zugrundezulegen. Der Schädiger hat den objektiven Wert der Pflegeleistungen zu ersetzen. Da zu den Kosten der Arbeitsstunden alles zählt, was der Arbeitgeber dafür aufwenden muss, sind auch die Lohnnebenkosten umfasst, und zwar unabhängig davon, ob diese bloß für den Arbeitnehmer abzuführen oder vom Arbeitgeber selbst zu leisten sind (7 Ob 63/10f mwN; vgl auch RS0022789, RS0031691). Zur Bewertung dieser Leistungen sind (hypothetische) Vergleichswerte aus dem nächstgelegenen Markt heranzuziehen (RS0030213 [T8]). Der überprüfbare Ermessensspielraum ist die Bandbreite der Kosten ungelernter und professioneller Pflegepersonen, wobei der Bruttobetrag zu ersetzen ist (RS0110740 [T3]; 8 Ob 27/09t). Als Kosten der Pflege eines Verletzten durch seine Angehörigen sind vom Schädiger jene Bruttolohnkosten zu ersetzen, die die Erbringung der konkreten, notwendigen Pflegeleistungen durch professionelle Kräfte erfordern würde (RS0030213 [T10]).

2.4 In Anwendung dieser Grundsätze ist daher nicht auf jenen Stundensatz abzustellen, den die Caritas Erzdiözese der Wien gem. GmbH ihren Kunden verrechnet (das sind laut der in ihrer Echtheit und Richtigkeit nicht bestrittenen und gemäß RS0121557 der Berufungsentscheidung ohne weiteres zugrunde zu legenden Beilage ./F EUR 34,--), weil dieser nicht den Bruttolohnkosten der bereitgestellten Heimhilfe entspricht.

Die Rechtsprechung (vgl 5 Ob 241/21h, 2 Ob 24/04z; OLG Wien 16 R 49/17v, 16 R 127/18s [beide unveröff]) ist bei Bemessung eines angemessenen Stundensatzes nach § 273 ZPO hingegen auf den Mindestlohntarif für im Haushalt Beschäftigte für Österreich abzustellen. Gemäß § 2 lit B Z 2 und 6 dieses Mindestlohntarifs in der relevanten, für das Jahr 2020 geltenden Fassung (BGBl II Nr. 303/2018) gebührte „Hausgehilfinnen und Hausgehilfen mit Kochen“ ein Bruttostundenlohn im ersten bis fünften Berufsjahr in Höhe von EUR 9,32, sowie den „Kranken- und Altenbetreuerinnen, Kranken- und Altenbetreuern“ in Höhe von EUR 12,42. Unabhängig davon, ob der Dienstnehmer, die Dienste für die Hauswirtschaft des Dienstgebers oder für Mitglieder seines Hausstandes zu leisten hat und damit in den Geltungsbereich des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes (HGHAngG) fällt oder nicht, gebührt ihm gemäß § 9 Abs 1 HGHAngG (allenfalls iVm § 6 des Mindestlohntarifs BGBl II Nr. 303/2018) ein Urlaubszuschuss in Höhe des Zweifachen der monatlichen Geldbezüge sowie eine Weihnachtsremuneration in Höhe eines monatlichen Geldbezugs, sodass der Monatslohn 15 mal jährlich zu zahlen ist (Zuschlag von 25 % für Sonderzahlungen). Zu berücksichtigen sind weiters die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers von rund 22,5% (vgl 2 Ob 152/99p) sowie die anteilige Urlaubsersatzleistung (in diesem Sinn bereits OLG Linz 1 R 13/21v [unveröff]), die gemäß § 10 Abs 1 Urlaubsgesetz jedem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Abgeltung für den der Dauer der Dienstzeit in diesem Urlaubsjahr im Verhältnis zum gesamten Urlaubsjahr entsprechenden Urlaub gebührt. Dies entspricht einem Zuschlag von 9,6 %, der sich aus dem Verhältnis des Anspruchs eines Arbeitnehmers gemäß § 2 Abs 1 Urlaubsgesetz auf bezahlten Urlaub im Ausmaß von 30 Werktagen bei 312 Werktagen pro Jahr ergibt.

2.5 Ausgehend von den Feststellungen im angefochtenen Urteil, wonach der Kläger die Unterstützung eines Dritten in den ersten acht Wochen nach dem Unfall im Ausmaß von täglich zwei Stunden (= insgesamt 112 Stunden zu je EUR 9,32) bei Haushaltsverrichtungen (insbesondere Einkaufen, Wohnungsreinigung, Kochen) und in den ersten sechs Wochen nach dem Unfall im Ausmaß von täglich einer Stunde (= insgesamt 42 Stunden zu je EUR 12,42) benötigte, hätte der tarifliche Bruttomindestlohn für diese Leistungen insgesamt EUR 1.565,48 betragen (entspricht einem Mischstundensatz von EUR 10,17). Unter Hinzurechnung von 25 % für die Sonderzahlungen, weiteren 22,5 % für Dienstgeberabgaben zur Sozialversicherung und des Zuschlags von 9,6 % für die Ersatzleistung gemäß § 10 Abs 1 Urlaubsgesetz ergibt sich ein Mischstundensatz für die erbrachten Leistungen von rund EUR 17,--, der den vom Kläger begehrten Stundensatz von EUR 16,59 deckt. Der vom Erstgericht veranschlagte Stundensatz in Höhe von EUR 12,-- war hingegen zu niedrig bemessen.

Der Berufung war daher teilweise Folge zu gegeben und das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Kläger die von ihm zuletzt noch begehrten EUR 708,-- an Haushaltshilfe- und Pflegeaufwand und daher insgesamt EUR 2.218,-- samt 4% Zinsen jährlich seit 25.2.2021 zuzusprechen waren.

Ein Zuspruch von Zinsen aus der geleisteten Teilzahlung kam bei Neufassung des Spruchs hingegen nicht in Frage. Der Kläger hat zwar bei Klagseinschränkung (vgl. Schriftsatz ON 47,5 Punkt 1.12.) das Zinsenbegehren auf Zahlung von 4 % Zinsen aus EUR 8.338,-- vom 25.2.2021 bis 17.3.2022 aufrecht gehalten. Das Erstgericht hat über diesen Teil des Zinsenbegehrens aber nicht entschieden. Da der Kläger das Fehlen einer Entscheidung darüber in der Berufung weder gerügt, noch dagegen mit Ergänzungsantrag gemäß § 423 ZPO Abhilfe gesucht hat, ist dieser Teil des Zinsenbegehrens aus dem Verfahren ausgeschieden (RS0041490, RS0039606).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 43 Abs 2 ZPO. Der Berufungswerber war nur mit einem gegenüber dem gesamten Anfechtungsgegenstand nicht ins Gewicht fallenden Teil seines Berufungsantrags erfolgreich, sodass den Berufungsgegnern der Ersatz der gesamten Kosten ihrer Berufungsbeantwortung zuzuerkennen ist und auch kein Anlass zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung besteht (9 Ob 61/14g uva; Obermaier , Kostenhandbuch 3 Rz 1.456 mwN).

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung war nicht zu lösen.