JudikaturJustiz15Os99/14v

15Os99/14v – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Oktober 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Oktober 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Breuß als Schriftführerin, in der Medienrechtssache des Antragstellers DI Peter K***** gegen die Antragsgegnerin n***** GmbH wegen § 7a Abs 1 MedienG, AZ 91 Hv 96/13y des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. Mai 2014, AZ 17 Bs 111/14v, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, des Antragstellers, dessen Vertreters Dr. Stögerer, sowie des Vertreters der Antragsgegnerin Dr. Lassl, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Medienrechtssache des Antragstellers DI Peter K***** gegen die Antragsgegnerin n***** GmbH, AZ 91 Hv 96/13y des Landesgerichts für Strafsachen Wien, verletzt das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. Mai 2014, AZ 17 Bs 111/14v, § 7a Abs 1 MedienG.

Text

Gründe:

Der Medienrechtssache des Antragstellers DI Peter K***** gegen die Antragsgegnerin n***** GmbH wegen § 7a Abs 1 MedienG, AZ 91 Hv 96/13y des Landesgerichts für Strafsachen Wien, liegt ein seit 20. August 2013 auf der Website http://www.f*****.at abrufbarer Artikel zu Grunde.

Unter der Überschrift „Causa *****/'***** V' Anklage rechtskräftig“ wird darin über die Anklageerhebung gegen Ex-Ö*****-Chef Martin H*****, dessen Ehefrau Barbara, Ex-T***** Generaldirektor Heinz S***** und Ex-T***** Finanzvorstand Stefano C***** wegen Untreue bzw Beteiligung an dieser im Zusammenhang mit dem Verkauf zweier Etagen des seinerzeit im Eigentum der T***** AG stehenden Innenstadtpalais' am S***** Nr 4 berichtet. In Bezug auf den Antragsteller enthält der Artikel folgenden Passus:

Siebenter Angeklagter ist der Ziviltechniker Peter K*****, der den Verkehrswert der gegenständlichen Immobilie auf  5,2 Millionen Euro beziffert hatte. Für die Anklagebehörde hat er sich damit der Beweismittelfälschung schuldig gemacht, zumal sein Gutachten vordatiert gewesen sein soll.

Mit Urteil vom 7. Jänner 2014 (ON 6) sprach der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien dem Antragsteller nach § 7a Abs 1 MedienG eine Entschädigung zu. Dazu traf er folgende Feststellungen:

Medial vielfach und umfassend berichteter Hintergrund des Artikels ist, dass die Staatsanwaltschaft Wien zu 605 St 5/08m ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere hochrangige Verantwortliche der T***** AG, darunter die Vorstandsmitglieder Heinz S***** und Dr. Stefano C*****, geführt und gegen diese und weitere Personen am 24. Juli 2013 beim Landesgericht für Strafsachen Wien Anklage erhoben hat. Den Genannten wird vorgeworfen, als Vorstandsmitglieder der T***** AG ohne Einholung eines Verkehrswertgutachtens 40 % der Anteile der im Eigentum der T***** AG stehenden Liegenschaft in ***** Nr 4, um einen Preis von 5,4 Mio Euro, der 4,4 Mio Euro unter dem tatsächlichen Verkehrswert gelegen sei, an das ehemalige Ö***** Vorstandsmitglied Mag. Martin H***** verkauft zu haben.

Dem Antragsteller werden von der Staatsanwaltschaft die Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB und der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB zur Last gelegt, weil er für die T***** AG in Ansehung dieser Liegenschaft am 30. April 2008 ein mit 9. Mai 2006 datiertes Verkehrswertgutachten, das den Wert des verkauften 40 % Anteils mit 5,25 Mio Euro auswies, erstattet und dadurch ein falsches Beweismittel mit dem Vorsatz hergestellt habe, dass dieses in einem gerichtlichen Verfahren oder einem Ermittlungsverfahren nach der StPO gebraucht werde, nämlich im Verfahren gegen Heinz S***** und Dr. Stefano C***** zum Beweis der vor dem gegenständlichen Liegenschaftsverkauf erfolgten Einholung eines Bewertungsgutachtens. Durch diese Handlung habe er Heinz S***** und Dr. Stefano C*****, die im Verdacht standen, das Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und  2 StGB begangen zu haben, absichtlich der Verfolgung entzogen.

Der an Politik, Wirtschaft und den damit zusammenhängenden Skandalen interessierte und über den dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegenden Verdacht medial vorinformierte Leser entnehme dem gegenständlichen Artikel, dass gegen den Antragsteller wegen Beweismittelfälschung durch Vordatierung seines Gutachtens Anklage erhoben worden ist.

Der Antragsteller war durch die Nennung seines Namens und seines Berufes für mehr als zehn nicht unmittelbar über den gegen ihn bestehenden Tatverdacht informierte Personen als der Fälschung eines Beweismittels Verdächtiger erkennbar.

Der Antragsteller ist Architekt und Ziviltechniker. Er ist Geschäftsführer der A***** GmbH und bietet ua die Erstellung von Verkehrswertgutachten betreffend Liegenschaften an. Er ist nicht Gerichtssachverständiger. Abgesehen von dem erwähnten Verfahren ist er medial nicht in Erscheinung getreten; er übt weder ein öffentliches Amt aus, noch ist er politisch tätig. Er ist gerichtlich unbescholten.

Das Erstgericht erachtete den Tatbestand des § 7a Abs 1 MedienG für erfüllt. Schutzwürdige Interessen des namentlich genannten Betroffenen würden durch die Berichterstattung jedenfalls verletzt, weil sich die Veröffentlichung bloß auf ein Vergehen (Beweismittelfälschung nach § 293 Abs 1 StGB) beziehe. Obwohl der gegenständliche Bericht von einem Skandal im Bereich der staatsnahen Wirtschaft und von einem hohen Schaden handle, der einem der öffentlichen Hand gehörenden Unternehmen entstanden sein soll, bestehe kein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Identität des Antragstellers. Diesem werde gerade nicht ein Beitrag zur zum Nachteil der T***** AG begangenen Untreue nach § 153 StGB vorgeworfen, sondern nur durch die Erstellung eines „vordatierten“ Gutachtens im Nachhinein versucht zu haben, die bereits lange vollendeten Untreuehandlungen anderer zu verschleiern. Dieser Sachverhalt wäre auch ohne identifizierende Angaben „berichtbar“ gewesen.

Der Antragsteller sei bisher öffentlich nicht in Erscheinung getreten, nicht in die Liste der Gerichtssachverständigen eingetragen und auch sonst keine Person von öffentlichem Interesse.

Auch unter dem Aspekt des § 17 Abs 1 ZTG, wonach die Befugnis, als Ziviltechniker tätig zu sein, im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung wegen bestimmter, einzeln angeführter strafbarer Handlungen nicht jedoch des Vergehens der Beweismittelfälschung oder der rechtskräftigen Verurteilung zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener gerichtlich strafbarer Handlungen erlösche, und der sich daraus ergebenden Wertung des Gesetzgebers gehe der Identitätsschutz des Antragstellers vor. Da nämlich auch im Fall einer Verurteilung des Antragstellers wegen des Vergehens der Beweismittelfälschung (und der Begünstigung) die Verhängung einer zum Erlöschen seiner Berufsausübungsbefugnis führenden, ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe nicht zu erwarten sei, liege ein im Sinn der angeführten Bestimmung „unvereinbarer Gegensatz“ mit den Berufspflichten des Antragstellers nicht vor. Solcherart übersteige das Bedürfnis der Öffentlichkeit, vor dem Antragsteller gewarnt zu werden, dessen Interesse an seinem Identitätsschutz nicht.

Mit Urteil vom 14. Mai 2014, AZ 17 Bs 111/14v, gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht der Berufung der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit (Z 9 lit a) Folge, hob das angefochtene Urteil auf und wies den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung einer Entschädigung nach § 7a MedienG kostenpflichtig ab.

Fallaktuell überwiege das Interesse an der Veröffentlichung von Identifikationsmerkmalen des Antragstellers vor allem wegen des Bestehens eines „sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben“, aber auch wegen der Stellung der betroffenen Person in der Öffentlichkeit:

Der Artikel beziehe sich auf ein Thema von öffentlichem Interesse, weil darin strafrechtlich relevante Missstände und Korruptionsvorwürfe im staatsnahen Wirtschaftsbereich durch Beleuchtung verdächtiger Geldflüsse in einem der öffentlichen Hand zuzuordnenden bedeutsamen Unternehmen aufgezeigt würden. Nicht entscheidend sei, dass dem Antragsteller keine unmittelbare Beteiligung an der Untreue, sondern (nur) nachträgliche Verschleierungshandlungen durch Gutachtensfälschung in Begünstigungsabsicht vorgeworfen würden. Laut Anklage bestehe Grund zur Annahme, dass der Antragsteller in die Straftaten der unmittelbaren Täter insofern involviert bzw Teil deren kriminellen Netzwerks sei, als er ein falsches Beweismittel, das die Hauptangeklagten entlasten und gleichsam „reinwaschen“ sollte, hergestellt habe. Solcherart sei der Antragsteller ein wenn auch später hinzu gekommenes „Rädchen“ in dieser spektakulären Wirtschaftscausa, weshalb auch über ihn unter Namensnennung berichtet werden dürfe.

Wenngleich der Antragsteller nicht zur sogenannten Prominenz zähle, sei er doch als Ziviltechniker, der die Erstellung von Verkehrswertgutachten betreffend Liegenschaften anbiete, eine Person, der landläufig im Hinblick auf ihre Fachkunde und Autorität hohes Vertrauen entgegengebracht werde. Es bestehe daher ein legitimes Interesse der Öffentlichkeit daran, zu erfahren, ob er sich dieser exponierten Stellung und des damit verbundenen Vertrauensvorschusses als würdig erweise. Auch aus diesem Grund sei der Unterrichtung der Bevölkerung über die ihn betreffenden Belastungsmomente der Vorzug gegenüber seinem Recht auf Anonymität einzuräumen.

Zu berücksichtigen sei schließlich auch, dass mit der identifizierenden Berichterstattung bis zur Anklageerhebung abgewartet worden sei, also bis zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits von einem verdichteten Tatverdacht ausgegangen werden konnte.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. Mai 2014, AZ 17 Bs 111/14v (ON 14), steht mit dem Gesetz wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt nicht im Einklang:

Der im Fall konfligierender Grundrechte von der MRK geforderte faire Ausgleich (vgl Art 10 Abs 2) zwischen dem (auf den Schutz von Persönlichkeitsrechten gerichteten) Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 8 MRK) und dem Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 MRK) wird im hier interessierenden Zusammenhang auf innerstaatlicher Ebene durch die von § 7a Abs 1 MedienG geforderte Abwägung schutzwürdiger Interessen des von der Berichterstattung Betroffenen gegenüber spezifischen Interessen der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung von zur Identifizierung geeigneten Angaben gewährleistet (RIS-Justiz RS0125776).

Nach § 7a Abs 1 MedienG hat der Betroffene gegen den Medieninhaber Anspruch auf eine Entschädigung, wenn in einem Medium der Name, das Bild oder andere Angaben veröffentlicht werden, die geeignet sind, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden der Identität einer Person zu führen, die Opfer einer gerichtlich strafbaren Handlung geworden ist (Z 1) oder die einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig ist oder wegen einer solchen verurteilt wurde (Z 2), und hiedurch schutzwürdige Interessen dieser Person verletzt werden, ohne dass wegen deren Stellung in der Öffentlichkeit, wegen eines sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben oder aus anderen Gründen ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung dieser Angaben bestanden hat. Schutzwürdige Interessen des Betroffenen werden jedenfalls verletzt, wenn sich die Veröffentlichung im Fall des Abs 1 Z 2 leg cit bloß auf ein Vergehen bezieht oder das Fortkommen des Betroffenen unverhältnismäßig beeinträchtigen kann (Abs 2 Z 2 leg cit).

Durch § 7a MedienG soll unter anderem hintangehalten werden, dass Verdächtige oder Verurteilte in Form eines „Medienprangers“ anstelle oder neben einer gerichtlichen Bestrafung eine soziale Ersatz- oder Zusatzbestrafung erfahren (EBRV zur Mediengesetznovelle 1992, 503 BlgNR 18. GP 11).

Während § 7a Abs 1 MedienG unter dem Titel „Schutz vor Bekanntgabe der Identität in besonderen Fällen“ einleitend Opfern strafbarer Handlungen und Personen, die solcher verdächtig sind oder wegen solcher verurteilt wurden, in Umsetzung des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens nach Art 8 MRK bei Vorliegen schutzwürdiger Interessen Identitätsschutz gewährt und solcherart das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK einschränkt, trägt der zweite Teil dieser Bestimmung dem letztgenannten Grundrecht in Form eines negativen Tatbestandsmerkmals wieder Rechnung:

Über einen Tatverdächtigen oder Verurteilten ist eine identifizierende Berichterstattung nämlich zulässig wenn

• wegen seiner Stellung in der Öffentlichkeit,

• wegen eines sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben oder

• aus anderen Gründen

ein sein Geheimhaltungsinteresse überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Preisgabe seiner Identität bestanden hat. Diese Kriterien sind in einer Gesamtschau einzelfallbezogen zu würdigen, um zu einer Beurteilung des Überwiegens von Anonymitäts- oder Veröffentlichungsinteresse zu gelangen (15 Os 161/10f).

Das Veröffentlichungsinteresse muss sich gerade auf die Identität des Betroffenen beziehen. Zulässig ist die identifizierende Berichterstattung nur dann, wenn dem Namen oder den sonstigen Identitätsmerkmalen des Betroffenen ein eigenständiger Informations- oder Nachrichtenwert zukommt. Dieser Informationswert muss zudem das schutzwürdige Anonymitätsinteresse des Betroffenen überwiegen. Damit ordnet das Gesetz eine Interessenabwägung an, wobei die schutzwürdigen Interessen auf der Seite des Betroffenen nur in dem Maß zurückgedrängt werden, wie es ein entsprechend gewichtiges und legitimes Interesse der Öffentlichkeit gibt, über die Identität der in die Straftat verwickelten Personen informiert zu werden (RIS Justiz RS0125775; Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll MedienG 3 § 7a Rz 26).

Bei der Beantwortung der Frage, ob die Identität der in § 7a Abs 1 MedienG genannten Personen preisgegeben werden darf, ist ein strenger Maßstab anzuwenden, weil die Öffentlichkeit grundsätzlich kein rechtlich geschütztes Interesse hat, die Identität des Betroffenen zu erfahren ( Rami in WK 2 MedienG § 7a Rz 6 mwN).

Ein überwiegendes Informationsinteresse kann sich jedoch aus der Person ergeben, über die berichtet wird. Das trifft auf jene Personen zu, die wie bekannte Politiker, führende Wirtschaftstreibende, Spitzenbeamte, prominente Künstler oder Sportler (nach der Judikatur des EGMR: public figures) regelmäßig Gegenstand öffentlicher und medialer Aufmerksamkeit sind ( Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll MedienG 3 § 7a Rz 28).

Ist eine Person in diesem Sinn nicht als prominent zu bezeichnen, so kann ein Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben zur Aufhebung ihres Identitätsschutzes führen. Der Begriff des öffentlichen Lebens im Sinn des § 7a Abs 1 MedienG bezeichnet grundsätzlich den Bereich des öffentlichen Handelns in gemeinschaftswichtigen Angelegenheiten. Dazu gehört jedenfalls der staatliche Bereich, dh das Handeln der Organwalter in Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit, ferner das politische Leben einschließlich der Tätigkeit politischer Parteien, die Aktivitäten der Interessensvertretungen, volkswirtschaftlich bedeutsamer Unternehmen und der Massenmedien. Tätigkeiten in den „staatsfernen“ Bereichen der Kunst und des Leistungssports werden auch zum öffentlichen Leben gerechnet. Über politische Affären, Missstände im öffentlichen Dienst, Korruptionsvorwürfe oder große Wirtschaftsskandale und die damit jeweils zusammenhängenden Straftaten darf also in der Regel unter Namensnennung berichtet werden ( Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll MedienG 3 § 7a Rz 29), wobei auch hier die Einschränkung gilt, dass sich das Informationsinteresse auch auf die Identität der Akteure beziehen muss (vgl neuerlich RIS-Justiz RS0125775).

Dass die Tat in einem auffallenden Widerspruch zu den beruflichen Verpflichtungen eines Verdächtigen oder Täters steht, genügt für sich allein nicht, um ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an der Identität der jeweiligen Person im Sinn der von § 7a Abs 1 MedienG genannten „anderen Günde“ darzustellen. Die generelle Zulassung der Durchbrechung des Identitätsschutzes und die dadurch bewirkte Verringerung der Rehabilitierungs- bzw Resozialisierungschancen des Einzelnen in allen Fällen, in welchen dieser den spezifischen Integritätserfordernissen seines Berufes zuwider gehandelt hat, würde den eingangs bereits genannten Sinn und Zweck des § 7a MedienG, nämlich die Vermeidung einer medialen Ersatz- oder Zusatzbestrafung, in diesem Bereich konterkarieren.

Die mediale Warnung vor einem bestimmten Tatverdächtigen oder Straftäter ist vielmehr nur in jenen Ausnahmefällen gerechtfertigt, in denen es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Identifikation in der Öffentlichkeit ein geeignetes und notwendiges Mittel ist, um weiteren Schaden von der Gesellschaft oder von Einzelnen, die bereits Opfer der Straftaten geworden sind oder konkret Gefahr laufen, Opfer weiterer Straftaten des Betreffenden zu werden, abzuwehren. (Nur) In solchen Fällen überwiegt nämlich das öffentliche Interesse an der Aufklärung und der Vermeidung von Straftaten die schutzwürdigen Interessen des Tatverdächtigen oder Täters (vgl Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll MedienG 3 § 7a Rz 30).

Im vorliegenden Fall hat (auch) das Berufungsgericht zutreffend die Verletzung schutzwürdiger Interessen des Antragstellers bejaht, weil sich die Berichterstattung nur auf ein Vergehen, nämlich jenes der Beweismittelfälschung nach § 293 StGB, bezog.

Nicht gefolgt werden kann aber seiner Auffassung, dass die Öffentlichkeit schon deshalb ein die Interessen des Antragstellers überwiegendes Interesse an der Bekanntgabe dessen Identität hätte, weil er wenngleich nur als „Rädchen“ in einem „kriminellen Netzwerk“ tätig geworden sei, das zum Schaden eines zumindest teilweise im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Unternehmens agiert habe.

Es bestand zwar zweifellos ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung über den mutmaßlichen Wirtschaftsskandal in Zusammenhang mit staatsnahen Unternehmen; dieses bezog sich jedoch nicht auch auf die Identität jenes Ziviltechnikers, den man laut Anklage nachträglich zur Rechtfertigung des zu geringen Verkaufspreises einer Liegenschaft herangezogen hat.

Anders als in dem vom EGMR mit Urteil vom 10. Jänner 2012 entschiedenen Fall Standard Verlags GmbH gegen Österreich (Bsw 34702/07 = NL 2013, 3) stand eine Verflechtung von Politik und Wirtschaft, die ohne die Bezeichnung von Namen, Personen und persönlichen, insbesondere verwandtschaftlichen Beziehungen nicht darstellbar gewesen wäre, hier gar nicht in Rede. Vorliegend brachte die Namensnennung des Betroffenen jedoch keinen Mehrwert zu den im Artikel bereits gelieferten Informationen.

Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts lag der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu AZ 15 Os 42/12h, 142/12i, 143/12m (= MR 2013, 10 mit Anm Röggla und Zöchbauer ) keineswegs ein „ähnlich gelagerter Sachverhalt“ (BS 14) zugrunde. Vielmehr war in diesem Fall für das Verständnis der Berichterstattung die Bekanntgabe der exponierten beruflichen Stellung der betroffenen Person und damit eines identifizierenden Merkmals erforderlich (vgl auch RIS Justiz RS0128500).

Die Befugnisse als Ziviltechniker, der regelmäßig mit der Erstellung von Verkehrswertgutachten befasst ist, verschaffen diesem entgegen der Meinung des Berufungsgerichts keine derart „führende Rolle“ oder „exponierte Stellung“, dass über einen den Kernbereich seiner beruflichen Tätigkeit betreffenden Vorwurf strafbaren Verhaltens jedenfalls identifizierend berichtet werden dürfte. Da keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Antragsteller (auch) in anderen Fällen inhaltlich unrichtige Gutachten erstattet hätte oder in Hinkunft erstatten würde, ist eine Warnung der Öffentlichkeit vor seiner Person nicht gerechtfertigt. Ohne Nutzen für die Allgemeinheit ist sie lediglich seiner umfassenden Rehabilitierung hinderlich.

Zusammengefasst liegen daher keine Umstände vor, die wegen der Stellung des Antragstellers in der Öffentlichkeit, wegen eines sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben oder aus anderen Gründen ein die schutzwürdigen Interessen des Antragstellers überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung seiner Identität in Verbindung mit dem Vorwurf der Beweismittelfälschung begründet hätte.

Da die Gesetzesverletzung der Antragsgegnerin, der die Rechte einer Beschuldigten zukommen, nicht zum Nachteil gereicht, war sie lediglich festzustellen.

Rechtssätze
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