JudikaturJustiz15Os9/89

15Os9/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Jänner 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Tegischer als Schriftführerin in der Maßnahmenvollzugssache betreffend Johann S*** über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 6. September 1988, GZ 2 BE 391/88-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Betroffenen, seines Vertreters, seines Sachwalters und seines Bewährungshelfers, zu Recht erkannt:

Spruch

Durch den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 6. September 1988, GZ 2 BE 391/88-16, wurde das Gesetz in den Bestimmungen des § 48 Abs. 2 (erster Satz) StGB verletzt. Dieser Beschluß - der im übrigen unberührt bleibt - wird dahin abgeändert, daß die dem bedingt Entlassenen bestimmte Probezeit 5 (fünf) Jahre beträgt.

Text

Gründe:

Mit dem im Spruch bezeichneten (in Rechtskraft erwachsenen) Beschluß wurde Johann S*** aus einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, in die er mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 30.April 1986, GZ 7 Vr 2557/85-50, gemäß § 21 Abs. 1 StGB eingewiesen worden war, gemäß §§ 47 (Abs. 1 und Abs. 2), 48 Abs. 2 StGB unter Bestimmung einer Probezeit in der Dauer von zehn Jahren bedingt entlassen.

Rechtliche Beurteilung

Die Bestimmungen des § 48 Abs. 2 (erster Satz) StGB waren jedoch durch Art I Z 10 lit b, XIX Abs. 1 StrÄG 1988 schon mit Wirksamkeit vom 1.März 1988 dahin geändert worden, daß die Probezeit bei der Entlassung aus einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher und aus einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter nicht mehr wie bis dahin einheitlich zehn Jahre, sondern dann, wenn die der Unterbringung zugrunde liegende strafbare Handlung mit keiner strengeren Strafe als einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren bedroht ist, jetzt nur noch fünf Jahre beträgt.

Anlaßtaten nach § 21 Abs. 1 StGB hatte der Gesetzgeber allerdings seinerzeit, den Erl. Bem. zur RV 1971 (S 104 f.) zufolge, gezielt gerade nicht als "strafbare Handlungen", sondern vielmehr als "mit Strafe bedrohte Handlungen" bezeichnet, weil sie wegen des Fehlens der Zurechnungsfähigkeit des Täters die Voraussetzungen der Strafbarkeit in concreto eben nicht (voll) erfüllen; nichtsdestoweniger kann aber daraus, daß die verkürzte Probezeit gemäß § 48 Abs. 2 erster Satz (zweiter Halbsatz) StGB nF ihrem Wortlaut nach nur für Fälle gilt, in denen die Anlaßtat als "strafbare Handlung" nicht strenger als mit zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht war, nicht abgeleitet werden, daß diese kürzere Probezeit für Einweisungen nach § 21 Abs. 1 StGB nicht gelte. Denn dafür, daß bei der Gesetzesänderung eine derartige Differenzierung der Probezeit bei bedingter Entlassung aus Einweisungen nach § 21 Abs. 2 und nach § 23 StGB einerseits sowie nach § 21 Abs. 1 StGB anderseits beabsichtigt worden wäre, bieten - ungeachtet dessen, daß auch dabei auf (der Unterbringung zugrunde liegende) "Straftaten" abgestellt wurde - weder die nunmehrigen Materialien (JAB zum StrÄG 1988, 359 d. Beil. zu den Sten.Prot. des NR, II. GP, 12) einen hinreichenden Anhaltspunkt noch das Ziel des Gesetzes, welches dementgegen bei Einweisungen nach Abs. 1 und nach Abs. 2 des § 21 StGB an die Gefährlichkeit des Rechtsbrechers die gleichen Anforderungen stellt. In Ansehung der nicht differenzierenden Verwendung des Ausdrucks "strafbare Handlung" in § 48 Abs. 2 StGB nF ist dementsprechend anzunehmen, daß es sich dabei - gemessen an den Erl.Bem. zur RV 1971 - um ein bloßes Redaktionsversehen handelt, zumal der Gesetzgeber im StGB auch sonst beim Gebrauch der Ausdrücke "strafbare Handlung", "mit Strafe bedrohte Handlung", "strafbare Tat" und "Tat" ein einheitliches Begriffsverständnis nicht durchgehalten hat (vgl hiezu etwa Triffterer AT 41 ff.).

Da im vorliegenden Fall die der Anstaltseinweisung zugrunde liegende Anlaßtat des Betroffenen - als versuchte Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs. 1 StGB - (bloß) mit einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht war, beträgt demnach die Probezeit nach seiner Entlassung aus der mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme gemäß § 48 Abs. 2 erster Satz (zweiter Halbsatz) StGB nF nur fünf Jahre.

In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher die dem Vollzugsgericht durch die Bestimmung einer Probezeit in der Dauer von zehn Jahren unterlaufene Gesetzesverletzung wie im Spruch festzustellen und gemäß dem letzten Satz des § 292 StPO zu beheben.