JudikaturJustiz15Os57/21b

15Os57/21b – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Juni 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen J***** H***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall und § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 11. November 2020, GZ 111 Hv 15/20g 128, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Erteilung einer Weisung und Anordnung von Bewährungshilfe nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde J***** H***** des Verbrechens des (richtig:) gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall und § 15 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W***** und andernorts durch Bestärken des Tatentschlusses des T***** S*****, Erleichterung und Förderung dessen Tatbildverwirklichung, Herstellung von Tatbegehungsmitteln, Leistung physischer oder psychischer Unterstützung und durch Hintanhalten von Hindernissen, konkret dadurch, dass er S***** Bankempfehlungen erteilte, seine Gehaltsbestätigungen des Unternehmens A***** durch Einsetzen des Namens S***** teils unter Verwendung der Unterschrift des ehemaligen Geschäftsführers der A***** J***** S***** sowie teils unter Verwendung einer verpixelten Version des Logos der A***** verfälschte und S***** zur Vorlage bei Bankinstituten zur Verfügung stellte, per E Mail vom 2. Mai 2019 an die U***** AG eine gefälschte, handschriftlich ausgefüllte Gehaltsbestätigung lautend auf S***** übermittelte und im Namen der A***** das Angestelltenverhältnis des S***** fälschlicherweise bestätigte, per E Mail vom 3. Mai 2019 an die B***** die Stornierung im KSV sowie des am 31. März 2019 bei der B***** beantragten Kredits und die Auszahlung des bei der E***** AG am 2. Mai 2019 beantragten Kredits forderte, S***** zum Abschluss des Ankaufkreditvertrags betreffend ein KFZ zur Abholung desselben begleitete, in der Absicht, sich – weil ihm entsprechende Geldmittel aus den betrügerisch erlangten Krediten ebenfalls zuflossen – durch die wiederkehrende Begehung von qualifiziertem Betrug über eine längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges, monatlich 400 Euro übersteigendes Einkommen zu verschaffen (US 16), zur Ausführung der strafbaren Handlungen des S***** beigetragen, der mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und gewerbsmäßig durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung verfälschter Urkunden, nämlich unter Vorlage der von H***** verfälschten, auf seinen Namen lautenden Gehaltsbestätigungen des Unternehmens A*****, sohin die wahrheitswidrige Vortäuschung von Einkünften aus einem Angestelltenverhältnis und seiner dadurch gegebenen Kredit würdigkeit und Rückzahlungswilligkeit, Nachgenannte zu Handlungen verleitet und zu verleiten versucht hat, die diese oder einen anderen in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten oder schädigen sollten, und zwar

1./ durch Beantragung von (nicht bedienten [US 13 ff]) Krediten

a./ am 12. März 2019 Angestellte der I***** zur Gewährung eines Kredits von 35.000 Euro, wodurch die Bank in diesem Betrag am Vermögen geschädigt werden sollte, wobei es beim Versuch blieb, weil der Kreditantrag aufgrund interner Richtlinien abgelehnt wurde;

b./ am 31. März 2019 Angestellte der E*****AG zur Gewährung eines Kredits von 50.000 Euro, wodurch die Bank in diesem Betrag am Vermögen geschädigt werden sollte, wobei es beim Versuch blieb, weil S***** nach Aufforderung zur Deckung seines Kontos den Kreditantrag stornierte;

c./ am 26. April 2019 Angestellte der H***** GmbH zum Abschluss einer Zahlungsvereinbarung über die Sa***** betreffend ein iPhone im Wert von 1.789,99 Euro, wodurch die Bank in diesem Betrag am Vermögen geschädigt wurde;

d./ am 2. Mai 2019 Angestellte der E***** AG zur Gewährung eines Kredits von 50.000 Euro, wodurch die Bank in diesem Betrag am Vermögen geschädigt werden sollte, wobei es beim Versuch blieb, weil der Kreditantrag nach negativer Überprüfung der Richtigkeit einer Gehaltsbestätigung abgelehnt wurde;

e./ am 13. Mai 2019 Angestellte der Sa***** zum Abschluss eines Ankaufkreditvertrags betreffend ein Kraftfahrzeug des Unternehmens Au***** im Wert von 17.000 Euro, wodurch die Sa***** in diesem Betrag am Vermögen geschädigt wurde;

2./ durch Beantragung der Eröffnung von Girokonten und der Ausstellung von Kreditkarten jeweils mit Gewährung von (in Anspruch genommenen [US 12 ff]) Überziehungsrahmen

a./ am 24. Jänner 2019 Angestellte der Er***** zur Eröffnung eines Girokontos und Ausstellung einer Kreditkarte, wodurch die Bank im Betrag von 12.005,09 Euro am Vermögen geschädigt wurde;

b./ am 27. Februar 2019 Angestellte der U***** AG zur Eröffnung eines Girokontos, wodurch die Bank im Betrag von 15.948,56 Euro geschädigt wurde;

c./ am 5. März 2019 Angestellte der E***** AG zur Eröffnung eines Girokontos und Ausfolgung einer Kreditkarte, wodurch die E***** AG im Betrag von 9.981,01 Euro am Vermögen geschädigt wurde;

d./ am 21. Mai 2019 Angestellte der St***** AG unter Vortäuschung, über ein Wertpapierdepot in Höhe von 143.799,90 Euro zu verfügen, zur Eröffnung eines Girokontos und Ausstellung zweier Kreditkarten , wodurch die Bank im Betrag von 11.877,73 Euro am Vermögen geschädigt wurde.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

[4] Die Mängelrüge behauptet, das Schöffengericht habe mehrere Passagen der Aussage des Zeugen S***** sowie Aufzeichnungen zu Chatverläufen vom 25. Juli bis 24. November 2018 übergangen (Z 5 zweiter Fall), die jedoch bestätigen würden, dass der Angeklagte von S***** getäuscht worden sei und geglaubt habe, dieser werde seine Verbindlichkeiten gegenüber ihm und jedem anderen Gläubiger durch Realisierung eines Wertpapierdepots begleichen.

[5] Soweit sich die Beschwerde dabei auf Einschätzungen des Zeugen zum Kenntnisstand des Angeklagten beruft, vernachlässigt sie, dass bloße Meinungen und Schlussfolgerungen des Vernommenen kein erörterungsbedürftiges Beweisergebnis sind (RIS Justiz RS0097540).

[6] Mit den Aussagen des Zeugen S*****, es sei seine freie Entscheidung gewesen, zu welchen Banken er gehe, er habe gegenüber dem Angeklagten erwähnt, dass es Vermögen in Malta, ein Konto in Luxemburg und ein Nummernkonto in Zürich gäbe, diesem etwa im Mai 2019 verfälschte Überweisungsbelege für die Miete einer Wohnung in Berlin übermittelt, ihn über eine Arbeitstätigkeit bei M***** und bei P***** getäuscht und ihm einmal gesagt, dass er aus einem Depot die von ihm geschuldeten 25.000 Euro haben könne, spricht die Rüge keine erheblichen, also gesondert erörterungsbedürftigen Verfahrensergebnisse an. Denn die bloß isoliert herausgegriffenen Aussagepassagen sind nicht geeignet, die durch die Gesamtheit der übrigen Beweisergebnisse vermittelte Einschätzung des Schöffengerichts vom Vorliegen oder Nichtvorliegen entscheidender Tatsachen maßgeblich zu beeinflussen (RIS Justiz RS0116877 [T1, T2]).

[7] Dasselbe gilt – mit Blick auf den gegenständlichen Tatzeitraum – für die von der Beschwerde weiters als übergangen reklamierten Aufzeichnungen von Nachrichten zwischen dem Angeklagten und S***** im Zeitraum vom 25. Juli bis 24. November 2018.

[8] Im Übrigen haben die Tatrichter die Aussagen des Zeugen S***** in ihrer Gesamtheit gewürdigt (US 17 ff) und waren schon nach Maßgabe des Gebots zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht zu einer Auseinandersetzung mit sämtlichen Details dieser Aussage verhalten (RIS Justiz RS0106295).

[9] Mit dem Hinweis auf Schreiben, die eine eigenmächtige Bestellung des S***** vom 9. November 2018 bei einem Modehandel im Namen und auf Rechnung des Angeklagten belegen sollen, werden keine entscheidenden Tatsachen angesprochen (RIS Justiz RS0117499).

[10] Indem die Beschwerde eine „ausreichende Begründung“ vermisst, warum der Angeklagte nicht auf das Wort des S***** „in Kombination mit der Vielzahl an schriftlichen Bestätigungen“, welche ihm dieser zu seinen Vermögenswerten vorgelegt habe, vertrauen durfte, und die Gutgläubigkeit des Angeklagten als aus den dargelegten Aussagen des S***** sowie den Chatverläufen „plausibel ableitbar“ erachtet, übt sie bloß in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik. Warum das Erstgericht der Verantwortung des Angeklagten nicht gefolgt ist, hat es im Übrigen in einer sehr umfassenden Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite dargelegt (US 18 ff).

[11] Bezugspunkt der Mängelrüge sind nur Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (RIS Justiz RS0117499). Indem sich die Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) reklamierende Beschwerde lediglich auf die Begründung der Urteilsannahmen zur Anmietung einer Wohnung in Berlin durch den Angeklagten stützt, geht sie daher ins Leere.

[12] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst zu den Schuldsprüchen 2./c./ und d./ „ausreichende“ Feststellungen zur subjektiven Tatseite und zu einem Beitrag zu einer ausreichend individualisierten Tat. Sie orientiert sich dabei nicht an der Gesamtheit der Feststellungen (RIS-Justiz RS0099810), denen zufolge S***** zur Eröffnung des zu 2./c./ gegenständlichen Gehaltskontos und Ausfolgung einer Kreditkarte die vom Angeklagten verfälschten Gehaltsbestätigungen für die Monate Dezember 2018 sowie Jänner und Februar 2019 und bei der Antragstellung zu 2./d./ jene für die Monate März bis Mai 2019 vorlegte, der Angeklagte die Verfälschungen im Wissen vornahm, dass S***** sie „bei diversen Banken“ für Kreditanträge und Kontoeröffnungen verwenden wird, und der Angeklagte darüber hinaus den Tatentschluss des S***** bestärkte. Weiters hielt es der Angeklagte nach den Feststellungen ernstlich für möglich und nahm billigend in Kauf, dadurch S***** zu unterstützen, dass dieser (gemeint:) Angestellte von Bankinstituten durch die Vortäuschung von Einkünften und der damit verbundenen Vortäuschung seiner Kreditfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit (unter anderem) zu Kontoeröffnungen und Ausfolgungen von Bank- und Kreditkarten mit Überziehungsrahmen verleitet sowie diese mit den im Urteil festgestellten Beträgen am Vermögen geschädigt und er sowie S***** hiedurch unrechtmäßig bereichert werden, zumal er wusste, dass S***** nicht für die Deckung der Kreditraten der überzogenen Konten sorgen konnte (US 3 iVm US 10 f, 13, 15 f und 20 f). Welche Feststellungen zum Beteiligungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz des Angeklagten darüber hinaus zu treffen gewesen wären, legt die Beschwerde nicht dar.

[13] Sie war daher bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[14] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.