JudikaturJustiz15Os159/11p

15Os159/11p – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Februar 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Februar 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Linzner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Birgit und Christian D***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 6. September 2011, GZ 25 Hv 141/10z 26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Birgit und Christian D***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB, letzterer als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat

1.) Birgit D***** am 15. Juli 2009 in Wien und Eisenstadt als vom Handelsgericht bestellte Nachtragsliquidatorin der G***** GmbH in Liquidation die ihr durch behördlichen Auftrag eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch der G***** GmbH i.L. einen 50.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil idH von 88.153,95 Euro (gleichzeitig den Gläubigern der Verlassenschaft nach Roman E***** einen Vermögensnachteil von 56.684,81 Euro) zugefügt, indem sie beim Landesgericht Eisenstadt die gegen Christian D***** eingebrachte Klage unter Anspruchsverzicht zurückzog, wodurch das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 27. Februar 2009, AZ 27 Cg 258/05t, mit dem Christian D***** schuldig erkannt worden war, der G***** GmbH 66.959,20 Euro sowie die mit 21.194,75 Euro bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu bezahlen, gegenstandslos wurde;

2.) Christian D***** zu der unter 1.) dargestellten strafbaren Handlung der Birgit D***** „beigetragen und diese zu der dort genannten Vorgangsweise bestimmt“, indem er als Geschäftsführer der T***** Handelsgesellschaft mbH mit Eingabe vom 23. März 2009 zu FN ***** beim Handelsgericht Wien die Wiederaufnahme der Liquidation und die Bestellung der Birgit D***** zur Nachtragsliquidatorin der G***** GmbH i.L beantragte, um nach Bestellung der Birgit D***** zur Nachtragsliquidatorin die unter 1.) dargestellte Klagsrückziehung zu ermöglichen.

Diesen Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit einer gemeinsam ausgeführten, auf Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Diese verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Mängelrüge (Z 5) einleitend meint, die „unrichtige rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts“ sei auf einen der Gründe der Z 5 „zurückzuführen“, und insofern auf die Ausführungen zu den materiellen Nichtigkeitsgründen verweist, verkennt sie Inhalt und Reichweite dieses formellen Nichtigkeitsgrundes.

Das zu Undeutlichkeit und Widersprüchlichkeit (Z 5 erster und dritter Fall) erstattete Vorbringen, der Umstand, dass die Angeklagten der Ansicht waren, der G***** GmbH i.L. stünden keine Ansprüche gegen den Zweitangeklagten zu, schließe einen Vorsatz auf wissentliche Zufügung eines Vermögensnachteils „aus der Natur der Sache aus“, verkennt, dass für die Zufügung des Vermögensnachteils bedingter Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) ausreicht.

Die im Rahmen der Beweiswürdigung getätigten Ausführungen des Erstgerichts über die Motivation der Angeklagten und die von ihnen gewählte Vorgangsweise (US 16 zweiter Absatz) betreffen keine entscheidenden Tatsachen (zum Begriff Ratz , WK StPO § 281 Rz 399), sodass die Argumentation der Nichtigkeitsbeschwerde ins Leere geht.

Gleiches gilt für die beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts über den Wissensstand der Angeklagten bezüglich der Mehrheitsverhältnisse in der G***** GmbH (US 16 zweiter Absatz) und den Hintergrund des Rechtsstreits zwischen der G***** GmbH und dem Zweitangeklagten. Eine von den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang behauptete Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) läge nur vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergäbe ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 467), nicht aber, wenn das Erstgericht aus Beweismitteln andere Schlüsse zieht als die Beschwerdeführer.

Schließlich ist auch das selektive Herausheben zweier unterschiedlicher Verfahrensstadien betreffender Passagen des Ersturteils über die Motivation der Angeklagten (US 8 und 14) nicht geeignet, eine Widersprüchlichkeit der erstgerichtlichen Begründung zur subjektiven Tatseite aufzuzeigen.

Mit der unsubstantiierten Behauptung, das Erstgericht versteige sich in „Verschwörungstheorien“, und es unterstelle dem Vertreter der Angeklagten, diese zur gewählten Vorgangsweise bestimmt zu haben, sowie mit dem Vergleich der eigenen Aktivitäten mit jenen des Masseverwalters gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Unter Hinweis auf das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), wonach die Angeklagten „gleichzeitig den Gläubigern in der Verlassenschaft nach Roman E***** einen Vermögensnachteil von 56.684,81 Euro“ zugefügt hätten, bringt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) an sich zutreffend vor, dass der Vermögensnachteil beim Tatbestand der Untreue in der Person des Vertretenen und nicht im Vermögen eines Dritten einzutreten hat (RIS Justiz RS0106192). Sie übersieht dabei aber, dass der den Gläubigern entstandene Vermögensnachteil von den Tatrichtern nur illustrativ angeführt wurde, sie jedoch von einem tatbestandsmäßigen Schaden in der Höhe von (bloß) 88.153,95 Euro ausgegangen sind (US 11 f, 17).

Das Vorbringen, es sei nicht geklärt, ob die Vermögensverschiebungen durch den Zweitangeklagten faktisch zu einem Vermögensnachteil auf Seiten der G***** GmbH geführt hätten, orientiert sich nicht an den erstgerichtlichen Feststellungen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 19), wonach ein solcher Schaden tatsächlich eingetreten ist (US 6, 9 und 14).

Dass ein nicht rechtskräftiges Urteil „an sich kein Aktivum“ darstelle, wird von den Beschwerdeführern nur allgemein postuliert, nicht aber für den konkreten Fall argumentativ aus dem Gesetz abgeleitet (vgl zum Vermögensnachteil Kirchbacher/Presslauer in WK 2 § 153 Rz 36 ff). Die weiteren Ausführungen, es gebe keine konkreten Feststellungen zum Vermögensnachteil, insbesondere nicht zur Frage, ob der G***** GmbH überhaupt Kosten entstanden seien, ignorieren neuerlich die gegenteiligen Konstatierungen und verfehlen so den Bezugspunkt der Rechtsrüge, nämlich die Gesamtheit der Urteilsannahmen.

Weshalb die getroffenen Feststellungen nicht ausreichen sollten, die Annahme eines 50.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteils zu rechtfertigen, bleibt überhaupt unklar (vgl US 2, 6 und 8).

Mit der Subsumtionsrüge (Z 10) wenden die Beschwerdeführer ein, das Erstgericht hätte sich mit der Frage der Einbringlichkeit der im Urteil zugesprochenen Beträge auseinandersetzen müssen. Weshalb die hiezu erfolgten Konstatierungen, wonach die Angeklagten wussten, dass „die Forderung keinesfalls uneinbringlich wäre, nachdem der Zweitangeklagte noch ein langes Erwerbsleben vor sich hat und überdies über ein Einfamilienhaus verfügt“ (US 12 dritter Absatz), „keineswegs“ ausreichen sollten, bleibt unerfindlich. Die an die Behauptung der Uneinbringlichkeit anknüpfenden, auf dem im Zivilverfahren abgegebenen Vermögensbekenntnis des Zweitangeklagten basierenden weiteren Spekulationen können somit dahingestellt bleiben. Dass sich die geschädigte G***** GmbH i. L. dem Strafverfahren nicht als Privatbeteiligte angeschlossen hat, ist nicht „zu beachten“, vielmehr für die Lösung der Schuld und Subsumtionsfrage ohne Bedeutung.

Das die Wissentlichkeit der Zufügung eines Vermögensnachteils bestreitende weitere Vorbringen verkennt einerseits neuerlich, dass der Tatbestand der Untreue (§ 153 StGB) hiefür nur bedingten Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) verlangt, und erschöpft sich andererseits in der bloßen Bestreitung des Vorliegens eines solchen.

Aus welchem Grund ein Umstand (nämlich, dass der Schaden bei der G***** GmbH auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Zweitangeklagten entstanden wäre; US 9) im Zivilverfahren nicht bewiesen werden konnte, ist im gegebenen Zusammenhang ebenso irrelevant wie die Frage, weshalb sich der Masseverwalter nicht als Privatbeteiligter angeschlossen hat. Schließlich begehren die Beschwerdeführer (verfehlt auch unter Berufung auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO: „ausgehend von der Gesamtsituation“) und unter eigenständigen Beweiswerterwägungen die Feststellung, dass „der erforderliche Vorsatz nicht gegeben“ sei. Damit wird jedoch weder ein Begründungsmangel noch materiell rechtliche Nichtigkeit prozessordnungsgemäß zur Darstellung gebracht.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.