JudikaturJustiz15Os140/09s

15Os140/09s – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. November 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. November 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Hofer als Schriftführerin in der Strafsache gegen R***** N***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Mai 2009, GZ 24 Hv 93/07v 64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (III./) sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde R***** N***** des Verbrechens (richtig: mehrerer Verbrechen) des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 (und § 15) StGB (I./1./ bis 4./), des Vergehens (richtig: mehrerer Vergehen) des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (II./) und des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 13. und 14. August 2006 in F*****

I./ geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vorgenommen, und zwar dadurch, dass er

1./ den 12 jährigen Cornelius R***** am Geschlechtsteil berührte, wobei R***** nackt war,

2./ den 11 jährigen Ramon Y***** am Geschlechtsteil berührte, wobei Y***** nur mit einer Unterhose bekleidet war,

3./ den 10 jährigen Dawid Z***** am Geschlechtsteil berührte,

4./ dem 13 jährigen Michael N***** die Unterhose hinunterzog, ihn am Gesäß massierte und ihm anbot, ein „Happy End durch Masturbation an dessen Glied" herbeizuführen, wobei die Tat beim Versuch blieb,

II./ die unter I./ genannten geschlechtlichen Handlungen an den seiner Aufsicht unterstehenden Minderjährigen Cornelius R*****, Ramon Y*****, Dawid Z***** und Michael N***** unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber diesen Personen vorgenommen,

III./ „den 9 jährigen Manuel N***** mit Gewalt zur Duldung körperlicher Kontakte, indem er ihn mit beiden Händen festhielt, ihm den Mund zuhielt und ihn in der Folge im Bereich des Bauches auf der bloßen Haut ableckte, wobei diese Vorgangsweise sexuell motiviert war, zu einer geschlechtlichen Handlung genötigt".

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.

Die Mängelrüge moniert unter dem Gesichtspunkt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nur pauschal, „erhebliche Widersprüche in den Angaben der Kinder" seien im Urteil mit Stillschweigen übergangen worden, der Zeuge R***** habe bei seiner polizeilichen Vernehmung „noch teilweise anders" ausgesagt als bei seiner kontradiktorischen Vernehmung, dies gelte auch für die Zeugen N***** und Y*****, legt aber nicht dar, welche Teile der Aussagen der genannten Zeugen konkret unerörtert geblieben seien. Weil das Schöffengericht die leugnende Verantwortung des Angeklagten zur Gänze als unglaubwürdig verworfen hat, war es nicht verhalten, sich mit Details derselben auseinander zu setzen.

Ob die Taten des Angeklagten am 13. oder 14. August 2006 stattgefunden haben, betrifft keinen im Sinn der geltend gemachten Z 5 erster Fall (Undeutlichkeit) für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidenden Umstand.

Mit der Kritik an der Heranziehung des Umstands der homosexuellen Veranlagung des Angeklagten im Rahmen der Beweiswürdigung wird keine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur (objektiven und) subjektiven Tatseite dargetan, haben die Tatrichter ihre Feststellungen doch in erster Linie auf die für glaubwürdig befundenen Aussagen der männlichen Tatopfer gestützt und nur zur Abrundung (US 9: „auch das spricht eher dafür ...") auch auf die - zugestandene - sexuelle Orientierung des Angeklagten hingewiesen.

Soweit die Beschwerde die Annahme des Erstgerichts, die Möglichkeit einer Verwechslung des Angeklagten mit Helmut B***** habe sich im Zuge des Beweisverfahrens als haltlos erwiesen (US 9), als offenbar unzureichend begründet kritisiert, lässt sie die Ausführungen zu den den Angeklagten belastenden Aussagen der Tatopfer außer Acht und zeigt keine für eine Täterschaft B*****s sprechenden Verfahrensergebnisse auf, die einer Erörterung bedurft hätten.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem Verweis auf einzelne Widersprüche in den Aussagen der Belastungszeugen keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt zu I./4./ - mit dem bloßen Abstellen auf die festgestellten weiteren Tatumstände des Ausziehens der Unterhose und des Massierens des Gesäßes des Unmündigen - nicht dar, warum das konstatierte verbale Anbot des Angeklagten an diesen, an dessen Glied zu masturbieren, den Tatbestand nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB nicht erfüllen soll.

Indem die Beschwerde die Urteilsfeststellungen, wonach der Angeklagte die geschlechtlichen Handlungen unter Ausnützung seiner Zuständigkeit zur Aufsicht über die Kinder vornahm (US 7), mit eigenen beweiswürdigenden Erwägungen bestreitet, nimmt sie prozessordnungswidrig nicht den bei Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes gebotenen Vergleich der tatsächlichen Urteilsannahmen mit dem darauf anzuwendenden Gesetz vor.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO).

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das angefochtene Urteil mit dem von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO behaftet ist. Denn ihm sind zum Schuldspruch wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (III./) keine Feststellungen dahin zu entnehmen, dass der Angeklagte objektiv eine geschlechtliche Handlung vorgenommen oder vorzunehmen versucht habe, stellt doch das bloß konstatierte Ablecken der Haut „im Bereich des Bauches" (US 10, 7 iVm 4) - ungeachtet einer festgestellten „sexuellen Motivation" - eine solche nicht dar. Weil dem Urteil aber auch keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite zur Gewaltanwendung zu entnehmen sind, kam eine abschließende rechtliche Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof (in Richtung des - in objektiver Hinsicht verwirklichten - Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB) nicht in Betracht.

Das Urteil war daher im Schuldspruch III./ und im Strafausspruch aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.