JudikaturJustiz14Os70/03

14Os70/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Juni 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juni 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Burtscher als Schriftführerin, in der Strafsache des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gegen Günther S***** wegen des Vergehens nach § 14a SGG und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 4 b EVr 4973/96, Hv 3842/96, über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 14. März 2003, AZ 17 Bs 57/03 (= ON 65), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Staatsanwalt Mag. Oshidari, und des Verteidigers Mag. Duensing zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 4 b EVr 4973/96 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verletzt der Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 14. März 2003, AZ 17 Bs 57/03 (ON 65), § 49 StGB.

Text

Gründe:

Mit am 5. Juli 1996 in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. Juli 1996, GZ 4 b EVr 4973/96-31, wurde Günther S***** wegen der Vergehen nach § 14a und § 16 Abs 1 SGG zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde ein Teil der Freiheitsstrafe von 14 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Den unbedingten Teil der Freiheitsstrafe verbüßte Günther S***** bis zum 30. August 1996 (ON 39). Mit Urteil vom 18. Jänner 1999, 2 KLs 150 Js 13634/98, erkannte ihn das Landesgericht Traunstein wegen der im Mai 1998 begangenen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig und verhängte über ihn hiefür fünf Jahre Freiheitsstrafe (ON 42). In diesem Verfahren befand er sich vom 1. Mai 1998 bis 14. Mai 2002 in Haft (Strafzeitenübersicht der Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech vom 25. März 2003; nicht einjournalisiert).

Im Hinblick auf diese Verurteilung widerrief das Landesgericht für Strafsachen Wien über Antrag der Staatsanwaltschaft vom 19. Mai 1999 (ON 43) mit Beschluss vom 21. Mai 1999, GZ 14 b EVr 4973/96-44, die teilbedingte Strafnachsicht, ohne vor der Entscheidung eine Strafregisterauskunft einzuholen und ohne auch nur den Versuch unternommen zu haben, den Verurteilten zum Widerrufsantrag zu hören. Auf Grund einer vom Generalprokurator erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes hob der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 12. November 2002, GZ 14 Os 124/02-6 (= ON 51), diesen Widerrufsbeschluss wegen Verletzung des § 495 Abs 3 StPO auf und trug dem Landesgericht für Strafsachen Wien die neuerliche Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft Wien auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht unter Beachtung der verletzten Verfahrensvorschrift auf.

Am 13. Jänner 2003 beschloss das Landesgericht für Strafsachen Wien abermals den Widerruf der bedingten Strafnachsicht (ON 56), hatte es dabei aber wiederum unterlassen, vor der Entscheidung den Verurteilten zum Widerrufsantrag zu hören.

Aus Anlass der deswegen von der Staatsanwaltschaft Wien erhobenen Beschwerde (ON 58) hob das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 14. März 2003, AZ 17 Bs 57/03 (ON 65), den angefochtenen Beschluss auf und wies den Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft mit der Begründung ab, dass die im § 56 StGB normierte und durch den Ablauf der Probezeit in Gang gesetzte Frist von sechs Monaten, innerhalb der eine derartige Entscheidung möglich ist, bereits abgelaufen sei.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Beschluss steht - wie der Generalprokurator in seiner dagegen zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Gemäß § 56 StGB kann ein Widerruf der bedingten Strafnachsicht (§ 53 StGB) wegen einer während der Probezeit begangenen und auch abgeurteilten strafbaren Handlung nur in der Probezeit oder auch innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Probezeit erfolgen. Gemäß § 49 StGB werden aber Zeiten, in denen der Verurteilte auf behördliche Anordnung angehalten worden ist, in die Probezeit nicht eingerechnet. Unter Berücksichtigung der oben angeführten Haftzeiten endet daher die mit der Rechtskraft des Urteils des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. Juli 1996 (5. Juli 1996) beginnende dreijährige Probezeit erst Mitte September 2003. Die Widerrufsentscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien war daher - grundsätzlich - zulässig.

Die gerügte Gesetzesverletzung war zwar festzustellen, ihr aber keine konkrete Wirkung zuzuerkennen, weil dem Verurteilten durch den gesetzwidrigen Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 14. März 2003 kein Nachteil entstanden ist.