JudikaturJustiz14Os6/21w

14Os6/21w – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Nagy im Verfahren zur Unterbringung der ***** H***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 24. November 2020, GZ 17 Hv 50/20g-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung werden zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung der ***** H***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

[2] Danach hat sie in A***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer paranoiden Schizophrenie, sohin einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht,

1./ am 1. März 2020 einen Beamten während einer Amtshandlung (§ 269 Abs 3 StGB), nämlich des Einschlusses von Insassen der Justizanstalt (US 3), dadurch tätlich angegriffen, dass sie mit dem Fuß gegen die Justizwachebeamtin ***** K***** trat,

2./ eine Körperverletzung an Beamten, nämlich nachfolgend angeführten Justizwachebeamten, während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben oder der Erfüllung ihrer Pflichten dadurch begangen oder zu begehen versucht, dass sie

2./1./ am 1. Mai 2020 im Zuge der Standeskontrolle mit Verletzungsvorsatz (US 3 f) gezielt und heftig mit ihrem Fuß gegen ***** O***** trat, wobei diese nicht getroffen und deshalb nicht verletzt wurde,

2./2./ am 13. Juni 2020 im Zuge der Frühstücksausgabe die Tür des Haftraums gegen ***** B***** schleuderte, die dadurch Hämatome und Abschürfungen am Handgelenk erlitt,

und somit Taten begangen, die als Vergehen des tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB (1./) sowie als Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (2./1./) und nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (2./2./) mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen ist nicht im Recht.

[4] Die Behauptung der Verfahrensrüge (Z 3), der Grundsatz der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung (§ 228 Abs 1 StPO) sei verletzt worden, weil es Zuhörern am 24. November 2020 aufgrund der in § 1 Abs 1 COVID 19 NotMV idF BGBl II 2020/479 normierten Ausgangsregelung verboten gewesen sei, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, trifft nicht zu.

Im Zeitpunkt der Hauptverhandlung sahen die gesetzgeberischen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID 19 für Strafsachen – anders als etwa für bürgerliche Rechtssachen (vgl § 3 iVm § 1 Abs 3 1. COVID 19 JuBG [idF BGBl I 2020/24]) – keine hier relevanten Beschränkungen für die Durchführung von Hauptverhandlungen vor (vgl § 9 1. COVID 19 JuBG [idF BGBl I 2020/24]). Dass der Vorsitzende des Schöffengerichts seine Pflicht zur Beachtung des § 228 Abs 1 StPO durch fehlerhafte Anwendung von ihm zu beachtender Vorschriften verletzt habe (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 252), behauptet die Rüge (zu Recht) ebenso wenig wie einen faktischen Ausschluss der Öffentlichkeit.

Im Übrigen lag ein vom Beschwerdeführer vermutetes – aus der vom Vorsitzenden des Schöffengerichts nicht zu vollziehenden COVID 19 NotMV resultierendes – rechtliches Hindernis potentiell interessierter Zuhörer, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, nicht vor. Dies ergibt sich aus der Klarstellung (arg: 'einschließlich') des Vorliegens eines unaufschiebbaren behördlichen oder gerichtlichen Weges im Fall der Teilnahme an mündlichen Verhandlungen der Gerichte und Verwaltungsbehörden zur Wahrung des Grundsatzes der Öffentlichkeit durch § 1 Abs 1 Z 6 COVID 19 NotMV idF BGBl II 2020/528.

[5] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen.

[6] Das im Unterbringungsverfahren zustehende Rechtsmittel der Berufung (§ 433 Abs 1 iVm § 283 StPO) ist innerhalb der in § 284 StPO normierten Frist von drei Tagen anzumelden (§ 294 Abs 1 StPO). Da die Rechtsmittelwerberin ausschließlich Nichtigkeitsbeschwerde anmeldete (ON 20 S 13), liegt eine solche Erklärung in Bezug auf die Berufung nicht vor ( Ratz , WK-StPO § 294 Rz 2; vgl 14 Os 159/02). Die nunmehr (nach der dreitägigen Anmeldefrist) gemeinsam mit der (nicht auch aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO ergriffenen) Nichtigkeitsbeschwerde ausgeführte Berufung war daher in nichtöffentlicher Sitzung (§ 296 Abs 2 iVm § 294 Abs 4 StPO) zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0100042; Ratz , WK StPO § 296 Rz 5).