JudikaturJustiz14Os40/22x

14Os40/22x – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juni 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Marko, BA, BA, in der Strafsache gegen Dr. * K* und einen Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster und vierter Fall, Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Oktober 2021, GZ 121 Hv 7/20s 124, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Erstgericht – soweit hier von Bedeutung – Dr. * K* von der wider sie erhobenen Anklage frei, sie habe von Herbst 2015 bis zum 12. Februar 2017 mehrfach in W* und andernorts gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 [gemeint: erster Fall] StGB) und mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder Dritte unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorgabe von lukrativen Projekten und Unternehmensgründungen im Irak und der Erbringung damit zusammenhängender Leistungen, teils unter Benützung falscher Urkunden und Daten, nämlich gefälschter offizieller Schreiben und E Mails tatsächlich nicht existierender irakischer Behörden, zu Handlungen, nämlich zu Überweisungen und Zahlungen von Geldbeträgen, durch welche folgende Unternehmen und Personen in einem 300.000 Euro übersteigenden Gesamtbetrag am Vermögen geschädigt wurden oder werden sollten,

I/ verleitet, und zwar

1/ von Oktober 2015 bis zum 22. Dezember 2016 mehrfach Verantwortliche der O* AG zur Überweisung und Barzahlung von insgesamt 161.031,29 Euro für Registrierungsgebühren samt Spesen, Verwaltungsgebühren, die Ausstellung einer Bietergarantie samt Spesen, für Aufwendungen eines vorgegebenen Besuchs einer Wirtschaftsdelegation, für die Erlangung einer Bestätigung der irakischen Zentralbank und für angeblich vorfinanzierte Auslagen im Zusammenhang mit einem vermeintlichen Autobahnprojekt in B*;

2/ am 16. und am 30. Dezember 2015 Verantwortliche der S* GmbH zur Überweisung von insgesamt 307.800 Euro für die vorgegebene Gründung eines Sicherheitsunternehmens im Irak;

3/ vom 29. Jänner bis November 2016 mehrfach * G* zur Überweisung und Übergabe von insgesamt 425.968,76 Euro für die Gründung eines Unternehmens namens E* Limited;

4/ vom 8. Dezember 2015 bis zum 25. Mai 2016 mehrfach Verantwortliche der R* GmbH zur Überweisung von insgesamt 167.632,50 Euro für Registrierungsgebühren, eine „Bid-Bond-Anleihe“, Verwaltungsgebühren im Zusammenhang mit der Gründung eines Unternehmens sowie für Aufwendungen eines vorgegebenen Besuchs einer irakischen Wirtschaftsdelegation samt Spesen;

II/ zu verleiten versucht, und zwar vom 1. September 2016 bis zum 12. Februar 2017 mehrfach Verantwortliche der O* AG für Kosten und Gebühren im Zusammenhang mit dem zu I/1 genannten Autobahnprojekt, indem sie jeweils Rechnungen mit einer Zahlungsaufforderung übermittelte, wobei es beim Versuch blieb, weil die Zahlungen von insgesamt 166.257 Euro und 825.000 US-Dollar nicht geleistet wurden.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die dagegen von der Staatsanwaltschaft aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

[3] Das Erstgericht sah es insgesamt (zu sämtlichen Punkten des Freispruchs) zusammengefasst ebenso wenig als erwiesen an, dass die Angeklagte ihre Geschäftspartner über die Existenz eines irakischen Ministeriums mit dem Namen I* (kurz: I*), lukrative Projekte und Unternehmensgründungen im Irak oder die Erbringung von ihr in Rechnung gestellter Leistungen getäuscht habe, wie, dass sie falsche Urkunden oder Daten übermittelt habe. Gründe für das Unterbleiben einer Erfüllung der gegenständlichen Verträge konnten für die Tatrichter „nicht mir der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt“ werden. Negativfeststellungen traf das Erstgericht weiters zur vorgeworfenen vereinbarungswidrigen Verwendung von Geldbeträgen sowie in Bezug auf einen auf Täuschung, Vermögensschädigung, unrechtmäßige Bereicherung sowie Verwendung falscher Urkunden und Daten gerichteten Vorsatz der Angeklagten (US 16 f).

[4] Neben detaillierteren Feststellungen zum Sachverhalt gingen die Tatrichter insbesondere zu den Punkten I/1, I/3, I/4 und II – entgegen der Annahme der Anklage (vgl ON 88 S 9 und 11) – davon aus, dass das genannte irakische Ministerium (I*) seit 2004 unter verschiedenen Bezeichnungen, auch im Tatzeitraum, tatsächlich existierte (US 10, 16, 22, 23 und 26).

[5] Zu I/2 wiederum nahmen sie an, dass die Angeklagte von der S* GmbH nicht mit der Beschaffung einer Lizenz für die von deren Geschäftsführer * Ri* angestrebten Gründung eines irakischen Sicherheitsunternehmens beauftragt gewesen sei. Die inkriminierten Überweisungen auf ihr türkisches Privatkonto seien vielmehr bloß deshalb erfolgt, weil Direktüberweisungen von Österreich in den Irak nicht möglich gewesen seien. Die überwiesenen Beträge hätten zufolge einer Vereinbarung mit Ri* im Irak an dessen Beauftragte in bar übergeben werden sollen, wobei der Verbleib des Geldes nicht habe geklärt werden können. Über die Beträge habe die Angeklagte vereinbarungsgemäß Scheinrechnungen ausgestellt. Daneben habe sie Ri* beim Aufbau des irakischen Sicherheitsunternehmens durch die Suche von Mitarbeitern, die Beschaffung von Ausrüstung im Irak sowie durch Weiterleitung von Dokumenten und Übersetzungen ins Arabische unterstützt. Einen schriftlichen Vertrag über diese Dienstleistungen habe es nicht gegeben. Die Angeklagte habe nicht im Juli 2016 Ri* eine (wie sich letztlich herausstellte gefälschte) Lizenz für das irakische Sicherheitsunternehmen übergeben (US 13 iVm US 20 f).

[6] Entgegen der Kritik ist die Feststellung zur Existenz des irakischen Ministeriums mit der Bezeichnung I* nicht unvollständig (Z 5 zweiter Fall) begründet. Mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war das Erstgericht nicht verhalten, das begründend herangezogene (US 22) Schreiben des Bundesministeriums Europäische und internationale Angelegenheiten (ON 121) in allen Einzelheiten zu erörtern. Gleiches gilt für Details (ON 122 S 29 f) der im Urteil berücksichtigten (US 22) Aussage des Zeugen Dr. * P*.

[7] Mit der in die Gegenrichtung weisenden E Mail Auskunft des österreichischen Außenwirtschaftscenters in A* (ON 73) haben sich die Tatrichter ohnehin auseinandergesetzt (US 22) und im Einklang mit den Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen dargelegt, weshalb sie ihr geringere Bedeutung beimaßen. Davon ausgehend bestand kein Grund, die später mündlich gegenüber der Staatsanwaltschaft abgegebene Erklärung des Verfassers der Auskunft, diese sei richtig (ON 1 S 35), eigenständig im Urteil zu würdigen.

[8] Mit welchem Inhalt konkret die „umfassende schriftliche Expertise der Rechtsanwaltskanzlei Dr. J* (Beilage ./W in ON 2, AS 187 ff) und „des D* (Beilage ./X in ON 2, AS 191 ff)“ in diesem Zusammenhang erheblich und damit erörterungsbedürftig sei, verabsäumt die Beschwerde deutlich und bestimmt darzulegen (RIS-Justiz RS0118316 [T5]). Im Übrigen sind Mutmaßungen, Meinungen, Schlussfolgerungen ohne Schilderung von Tatsachenwahrnehmungen von nicht als Sachverständige beigezogenen Personen nicht Gegenstand der Beweisaufnahme und als solche unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit auch nicht erörterungsbedürftig (RIS-Justiz RS0097545 [T1]).

[9] Im Hinblick auf den Punkt I/2 des Freispruchs legt die Rüge nicht dar, welche Feststellung konkret sie als unvollständig begründet erachtet. Die einleitende, pauschale Wiedergabe sämtlicher dazu getroffener Konstatierungen wird dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung des einen Nichtigkeitsgrund bildenden Tatbestands nicht gerecht (vgl § 285a Z 2 StPO).

[10] Zwar kann dem Inhalt der – im Urteil nur allgemein angesprochenen (US 23) – E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Zeugen Ri* und der Angeklagten und ihren Mitarbeitern Relevanz in Bezug (bloß) auf die Negativfeststellung zur Beauftragung der Angeklagten mit der Beschaffung der Lizenz für das irakische Sicherheitsunternehmen (US 13) nicht gänzlich abgesprochen werden. Dass dieses Beweisergebnis allerdings erheblich (mithin erörterungsbedürftig) im Zusammenhang mit den (oben wiedergegebenen) weiteren – einem Schuldspruch entgegenstehenden – (Negativ )Feststellungen sei, vermag die Rüge nicht darzulegen. Diese spricht somit keine entscheidende Tatsache an, die allein den Bezugspunkt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes bildet (vgl RIS Justiz RS0117499, [zur Freispruchsanfechtung] RS0130018 [insbesondere T1]).

[11] Dass die beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts, das Ministerium mit der Bezeichnung I* weise einen „Zusammenhang mit dem irakischen Geheimdienst“ auf, weshalb eine aussagekräftige Auskunft der irakischen Botschaft zu diesem Thema „unwahrscheinlich scheint“ sowie selbst unter der Prämisse, dass es sich bei (im Verfahren relevanten) E-Mails und Bestätigungen des I* um Fälschungen gehandelt habe, „aufgrund der Beweisergebnisse keine Grundlage für die Annahme bestehe, dass diese Fälschungen durch die Angeklagte vorgenommen worden wären oder sie vorsätzlich mit gefälschten Dokumenten“ gearbeitet habe (US 22), gegen die Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungssätze verstießen (vgl RIS Justiz RS0118317), vermag die eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) monierende Rüge nicht aufzuzeigen.

[12] Soweit mit diesem Vorbringen eine weitere (den Kriterien der Z 5 entsprechende) Begründung dieser Urteilsannahmen verlangt wird, übersieht die Beschwerdeführerin, dass derartige (beweiswürdigende) Erwägungen ihrerseits nicht weiter begründungspflichtig sind (vgl RIS-Justiz RS0116737).

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).