JudikaturJustiz14Os30/13p

14Os30/13p – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. April 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wancata als Schriftführer in der Strafsache gegen Behyar R***** wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 Z 1 erster Fall und 145 Abs 1, Abs 2 Z 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 13. November 2012, GZ 10 Hv 76/12s 68, sowie seine Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Behyar R***** des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 erster Fall und Abs 2 Z 2 StGB (I) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II), der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (III) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (IV) schuldig erkannt.

Danach hat er in K*****

(I) seine Ehegattin Nazafarin Ro***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch gefährliche Drohung mit dem Tod und durch Gewalt eine längere Zeit hindurch fortgesetzt zur Schenkung einer in ihrem Alleineigentum stehenden Liegenschaft im Iran und zum dafür erforderlichen Aufsuchen der iranischen Botschaft zu nötigen versucht, indem er

1) von März 2012 bis 30. Mai 2012 wiederholt telefonisch ankündigte, sie widrigenfalls zu töten, indem er ihr die Kehle durchschneiden werde,

2) am 31. Mai 2012 persönlich ankündigte, er werde ihr die Kehle aufschneiden, wobei er sie an der Schulter erfasste, sie festhielt und ihr ein Buttermesser gegen die Kehle drückte;

(II) der Genannten durch die unter I/2 beschriebene Tat vorsätzlich eine Verletzung, nämlich eine quer verlaufende und senkrechte Abschürfung mit kleiner Blutergussbildung in der Mitte des Halses, zugefügt;

(III) von 1. Juni 2009 bis Ende Februar 2012 fortgesetzt Gewalt gegen Nazafarin Ro***** ausgeübt, indem er wiederholt ankündigte, sie selbst, die gemeinsamen Kinder und ihre Verwandten umzubringen, um sie dadurch in Furcht und Unruhe zumindest vor einer Verletzung am Körper zu versetzen, und ihr wiederholt Schläge mit der Faust und mit einem Gürtel versetzte;

(IV) zumindest seit Juni 2011 Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den iranischen Reisepass, den iranischen Personalausweis und Dokumente bezüglich des iranischen Liegenschaftseigentums der Nazafarin Ro*****, mit dem Vorsatz unterdrückt, deren Verwendung im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache zu verhindern.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 3, 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der Ansicht der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider setzt die Anordnung einer freiheitsentziehenden vorbeugenden Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB bei sonstiger Nichtigkeit aus Z 3 nicht die Anwesenheit eines Sachverständigen aus der Psychiatrie während der ganzen Hauptverhandlung, sondern bloß dessen Beiziehung voraus (§ 439 Abs 2 iVm § 429 Abs 2 Z 2 StPO), welche vorliegend durch Vernehmung des Experten in der Hauptverhandlung am 13. November 2012 erfolgte (ON 67 S 9 ff; vgl zum Ganzen Ratz , WK-StPO § 281 Rz 259 f; Murschetz , WK-StPO § 439 Rz 4 ff).

Entgegen dem Einwand der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) hat das Erstgericht Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend ausführlich dargelegt, warum der leugnenden Verantwortung des Angeklagten zuwider den belastenden Angaben des Tatopfers Nazafarin Ro***** unter Beachtung der sonstigen Verfahrensergebnisse Glauben geschenkt und sie als Feststellungsgrundlage herangezogen wurde (US 8 ff).

Soweit mit dem weiteren Vorbringen Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Beurteilung der Aussage dieser Zeugin als glaubwürdig angesprochen wird, zeigt die Beschwerde einerseits der Überzeugung der Tatrichter entgegenstehende unberücksichtigt gebliebene Beweisergebnisse nicht auf und verfehlt andererseits den - nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen gelegenen - Bezugspunkt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 431 f).

Widersprüchliche Aussagen der Genannten im Zusammenhang mit der Beendigung (bloß) der dem Schuldspruch III zugrunde liegenden körperlichen Misshandlungen wurden ebenso erörtert wie der Umstand, dass sie ihre diesbezüglichen Angaben anlässlich der kontradiktorischen Vernehmung teilweise von einem Zettel ablas (US 9). Mit Blick auf den keineswegs undeutlich (Z 5 erster Fall) und durch Bezugnahme auf die Bekundungen der Genannten (ON 13) mängelfrei (Z 5 vierter Fall) begründeten festgestellten Tatzeitraum von über eineinhalb Jahren (US 2, 5) ist dessen konkreter Beginn oder Ende zudem nicht entscheidend. Gleiches gilt für den exakten Zeitpunkt der einzelnen Tathandlungen im Zuge der fortgesetzten Gewaltausübung (vgl zur zeitlichen Komponente: Schwaighofer in WK² StGB § 107b Rz 25 f).

Die Aussage des Babak R***** im Ermittlungsverfahren, die nach dem nicht begründeten Rügevorbringen in Betreff des den Schuldsprüchen I und III zugrunde liegenden Sachverhalts von jenen des Tatopfers abweichen soll, wurde zufolge berechtigter Inanspruchnahme der dem Zeugen zustehenden Aussagebefreiung (§§ 156 Abs 1 Z 1 iVm § 252 Abs 1 StPO; ON 46 S 29) in der Hauptverhandlung ausdrücklich von der Verlesung ausgenommen (ON 67 S 17) und bedurfte daher keiner Berücksichtigung im Urteil ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 427).

Soweit im Folgenden die Unterlassung amtswegiger Beweisaufnahmen zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugin Nazafarin Ro***** nach Art einer Aufklärungsrüge (Z 5a) kritisiert wird, unterlässt die Beschwerde die gebotenen Ausführungen, wodurch der Beschwerdeführer an entsprechender Antragstellung (auf seine ergänzende Vernehmung zu den „streitauslösenden“ Eigentumsverhältnissen des Grundstücks im Iran und auf Einsichtnahme in den Reisepass der Zeugin) gehindert gewesen wäre.

Zum Schuldspruch IV vermisst die Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) eine Auseinandersetzung mit der Aussage des Angeklagten, wonach seine Ehefrau sich nunmehr im Iran befinde, weil daraus abzuleiten sei, dass sie sich wieder im Besitz der verfahrensgegenständlichen Einreisedokumente befinde. Dabei wird verkannt, dass es für die vorgenommene Subsumtion ausreicht, wenn die Urkunden - wie hier nach den insoweit nicht deutlich und bestimmt bekämpften Urteilsannahmen zumindest vorübergehend der ungehinderten Verfügungsmacht der Berechtigten entzogen wurden. Die exakte Dauer der Unterdrückung ist hingegen nicht von Bedeutung ( Fabrizy , StGB 10 § 229 Rz 4; Kienapfel/Schroll in WK² StGB § 229 Rz 24, 38).

Die Ableitung der subjektiven Tatseite zum Schuldspruch I aus dem objektiven Täterverhalten (US 6 iVm US 10) ist dem Einwand der weiteren Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 452).

Mit dem in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwurf, das Erstgericht hätte die rechtlichen Konsequenzen einer Übertragung von ehelichem Vermögen unter Ehegatten nach iranischem Recht überprüfen und berücksichtigen müssen, dass danach „bei aufrechter Ehe beiden das eheliche Vermögen gehört“, im Falle einer Scheidung aber iranisches Recht anzuwenden wäre, womit es an einem Schadenseintritt beim Opfer und an einer unrechtmäßigen Bereicherung des Beschwerdeführers fehle, wird ein Begründungsmangel nicht geltend gemacht.

Unter dem Gesichtspunkt der der Sache nach angesprochenen Z 10 des § 281 Abs 1 StPO lässt die Rüge einerseits die erforderliche Benennung der strafbaren Handlung, der das inkriminierte Täterverhalten nach ihrer Ansicht zu unterstellen wäre (vgl dazu RIS-Justiz RS0099950), und andererseits eine methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz vermissen, aus welchem Grund der konstatierte Versuch des Angeklagten, seine Ehefrau zur unentgeltlichen Überlassung einer Liegenschaft in seine alleinige Verfügungsgewalt zu nötigen, selbst unter Annahme von Miteigentum der Ehegatten nicht zu einem Vermögensnachteil für die Erpresste und zu einer unrechtmäßigen Bereicherung des Täters führen sollte (vgl dazu auch Mayerhofer in WK 2 StGB § 169 Rz 2).

Die Feststellungen zur psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers (in Form einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen dissozialen und narzistischen Anteilen, die einer seelischen und geistigen Abartigkeit höheren Grades entspricht) und deren Einfluss auf die Tatbegehung (US 7) hat das Erstgericht auf das als schlüssig und nachvollziehbar erachtete Gutachten des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. W***** gestützt (US 10), was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 11 erster Fall iVm Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden ist.

Dass sich der Experte mit der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beschwerdeführers zu den Tatzeitpunkten nicht auseinandergesetzt hätte, trifft nicht zu (vgl insbesonders ON 23 S 3 und 12 f).

Mängel in Befund oder Gutachten im Sinn des § 127 Abs 3 StPO werden mit der Aussage, die Diagnose beruhe alleine auf den „prinzipiell sehr widersprüchlichen“ Angaben der Zeugin Nazafarin Ro*****, der Sachverständige habe sich nicht die Mühe gemacht, ärztliche Befunde oder eine „vorangegangene Krankengeschichte“ des Angeklagten einzuholen und auch nicht dargelegt, auf welchen anerkannten Untersuchungsmethoden, wissenschaftlichen Lehren, Tests oder gesicherten und nachprüfbaren Erkenntnissen seine Schlüsse fußen, nicht dargetan.

Dem weiteren Einwand der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) zuwider haben die Tatrichter die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchtenden Prognosetaten hinreichend konkretisiert (US 7) und hinsichtlich der in § 21 StGB genannten Erkenntnisquellen für die Gefährlichkeitsprognose (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) nicht bloß „formelhaft“ den Gesetzestext wiedergegeben, sondern den erforderlichen Sachverhaltsbezug hergestellt (US 5 ff, 7 und 11; vgl dazu Ratz , WK-StPO § 281 Rz 716).

Soweit die Beschwerde die Eignung der angesprochenen Expertise als tragfähige Basis für den Ausspruch nach § 21 Abs 2 StGB in Bezug auf die Prognoseentscheidung in Frage stellt, wird ein bloßes Berufungsvorbringen erstattet ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 715 f; jüngst 13 Os 61/12p).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.