JudikaturJustiz14Os24/17m

14Os24/17m – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Mai 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Paul T***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2. Dezember 2016, GZ 181 Hv 33/16p 46, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Paul T***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Paul T***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1./) und der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er in J***** Vanessa P*****

1./ am 27. Februar 2016 mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich des Analverkehrs, genötigt, indem er ihr mehrere Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht versetzte, sie an den Haaren zerrte, würgte und sie im Bereich der Schultern und der Oberarme niederdrückte;

2./ vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar:

a./ zwischen dem 13. und 15. Dezember 2015, indem er ihr mehrere Schläge mit der flachen Hand sowie mit einem Badezimmerteppich gegen den Kopf versetzte, wodurch sie Nasenbluten erlitt;

b./ am 28. Februar 2016, indem er ihr mehrere Schläge gegen das Gesicht und gegen den Körper versetzte, wodurch sie Hämatome im rechten Gesichtsbereich und eine Abschürfung am rechten Oberlid erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Die Verfahrensrüge (Z 3) kritisiert, dass der in der Hauptverhandlung am 2. Dezember 2016 (ON 45) – zur Ermittlung des Verursachers der am Tatort sichergestellten Kotspuren – beigezogene Sachverständige Univ. Doz. Dr. Thorsten S***** nicht ein von ihm selbst erstelltes Gutachten, sondern jenes der Sachverständigen Priv. Doz. Dr. Nicole von W***** (ON 44) dem Gericht vorgelegt und sodann „erörtert“ habe. Soweit die Beschwerde davon ausgehend die – ohnedies vor dem erkennenden Gericht erfolgte – Beiziehung des Sachverständigen Univ. Doz. Dr. Thorsten S***** selbst „als Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit“ kritisiert, zeigt sie keine Verletzung des § 252 StPO auf.

Auf etwaige Mängel des Gutachtens oder auf Befangenheitsgründe in der Person dieses Sachverständigen nimmt das Rechtsmittel, wie anzumerken bleibt, nicht Bezug.

Darüber hinaus geht auch der (der Sache nach aus Z 5 vierter Fall erhobene) Einwand, das Gutachten der Sachverständigen Priv. Doz. Dr. Nicole von W***** (ON 44) sei im Hauptverfahren nicht vorgekommen und hätte daher im Urteil nicht verwertet werden dürfen, schon deshalb ins Leere, weil (auch) diese Expertise nach dem (ungerügt gebliebenen und aus Sicht des Obersten Gerichtshofs auch unbedenklichen) Hauptverhandlungsprotokoll mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten gemäß § 252 Abs 2a StPO vorgetragen wurde (ON 45 S 6).

Die Beschwerdekritik (der Sache nach Z 4), der beisitzende Richter habe dem Angeklagten Beweisergebnisse aus einem den Zeugen Blerim B***** betreffenden Verfahren vorgehalten (vgl dazu RIS-Justiz RS0113446; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 459), ohne dass der bezughabende Akt verlesen worden wäre, scheitert an der erforderlichen Antragstellung, solche Vorhalte zu unterlassen (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 237). Eine (verbotene) Beweisverwertung im Urteil (Z 5 vierter Fall) macht die Beschwerde insoweit (zu Recht) nicht geltend.

Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider stellen Verfahrensresultate, wonach Vanessa P***** bereits im Jahr 2011 von einem anderen Mann vergewaltigt worden sei, die dieser Zeugin attestierte Glaubwürdigkeit nicht in Frage, sodass sie keiner Erwähnung in den – gedrängt abzufassenden (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – Urteilsgründen bedurften. Die (nach Art einer Aufklärungsrüge im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5a StPO) erhobene Kritik am Unterbleiben einer ergänzenden Befragung des Tatopfers und an der Abstandnahme von der Verlesung des bezughabenden Ermittlungs- oder Gerichtsakts legt nicht dar, wodurch der Beschwerdeführer an entsprechender Fragestellung und darauf gerichteter Antragstellung gehindert war (vgl RIS-Justiz RS0115823).

Soweit das Rechtsmittel (Z 5 vierter Fall) die zur Annahme eines Analverkehrs führenden Urteilsgründe als offenbar unzureichend kritisiert, dabei aber die Konstatierungen zu einem ebenfalls durchgeführten Vaginalverkehr unbekämpft lässt, stellt sie die rechtliche Beurteilung der Tat nach § 201 Abs 1 StGB gar nicht in Frage und bezieht sich demnach auf keine entscheidende Tatsache (vgl RIS-Justiz RS0117264).

Mit dem (aus Z 5 fünfter Fall) erhobenen Einwand, das Sachverständigengutachten ON 44 stamme nicht von Univ. Doz. Dr. Thorsten S*****, sondern von Priv. Doz. Dr Nicole von W*****, ist der Beschwerdeführer auf die obige Erledigung der Mängelrüge zu verweisen. Das Beschwerdeargument, das Erstgericht habe die genannte Expertise fälschlich als „gerichtsmedizinisches Gutachten“ bezeichnet, obwohl es sich dabei um eine „Untersuchung humanspezifischer Merkmale“ gehandelt habe, schlägt schon deshalb fehl, weil damit eine unrichtige (oder unvollständige) Wiedergabe des Inhalts eines Beweismittels (RIS-Justiz RS0099547) gar nicht angesprochen wird.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit ihrer Kritik an der unterbliebenen Berücksichtigung von Beweisergebnissen betreffend eine im Jahr 2011 stattgefundene Vergewaltigung der Vanessa P*****, mit Zweifeln an der Eignung der Gutachtensergebnisse zur Stützung der Darstellung des Tatopfers und mit eigenen Spekulationen betreffend die Entstehung der Kotspuren am Bettlaken keine erheblichen Bedenken gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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