JudikaturJustiz14Os145/97

14Os145/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. März 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. März 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Phillip als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Leinfellner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Bernhard W***** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. Mai 1997, GZ 1 c Vr 4.714/95-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Plöchl, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Trappel zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in jenem Teil des Schuldspruchs wegen des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 StGB (Punkt 3), dem telefonisch übermittelte Äußerungen zugrunde liegen, demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Bernhard W***** wird von der Anklage, er habe von Dezember 1990 bis Juli 1991 der am 31. Juli 1977 geborenen, sohin unmündigen Astrid R***** wiederholt am Telefon erklärt, daß er sich gerade selbst befriedige, wobei er ins Telefon stöhnte, und dadurch vor ihr Handlungen begangen, die geeignet sind, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung der Genannten zu gefährden, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Bernhard W***** wird für die unberührt gebliebenen Schuldsprüche wegen der Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1) und der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (2) sowie der Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 StGB (aufrechter Teil des Punktes 3) und des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB

(4) nach §§ 28 Abs 1, 206 Abs 1 StGB zu

2 1/2 (zweieinhalb) Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, wovon ihm gemäß § 43a Abs 4 StGB ein Strafteil von 2 (zwei) Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen wird.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Bernhard W***** der Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1) und der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (2), ferner der Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 StGB (3) sowie des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (4) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien und Klosterneuburg

1. von Anfang 1991 bis Juli 1991 in wiederholten Angriffen mit der am 31. Juli 1977 geborenen Astrid R*****, sohin mit einer unmündigen Person, den außerehelichen Beischlaf unternommen, indem er versuchte, seinen Penis in ihre Scheide einzuführen, wobei es zur Berührung der Geschlechtsteile kam;

2. von Oktober 1990 bis Juli 1991 die genannte Unmündige in wiederholten Angriffen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er sie (am Geschlechtsteil) "ausgriff", ihre Brüste betastete, sie am ganzen Körper - auch im Genitalbereich - küßte, seinen Finger sowie eine Kerze in die Scheide einführte und versuchte, seinen Penis in ihren Mund zu stecken;

3. von Dezember 1990 bis Juli 1991 in wiederholten Angriffen dadurch, daß er der genannten Unmündigen Pornohefte zeigte, sie aufforderte "Stellungen" mit ihm auszuprobieren und ihr wiederholt am Telefon erklärte, daß er sich gerade selbst befriedige, wobei er ins Telefon stöhnte, sowie sich vor ihr selbst befriedigte, vor ihr Handlungen vorgenommen, die geeignet sind, ihre sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung zu gefährden, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen;

4. die genannte Minderjährige durch die unter den Punkten 1 und 2 beschriebenen Handlungen unter Ausnützung seiner Stellung als Lehrer zur Unzucht mißbraucht.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der nur teilweise Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) hat das Erstgericht die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 6) logisch und empirisch einwandfrei sowie dem Gebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO entsprechend begründet, indem es diese aus dem ausführlich konstatierten äußeren Verhalten des leugnenden Beschwerdeführers ableitete. Eine eingehendere Begründung war nach der spezifisch sexualbezogenen Art der Tathandlungen nicht erforderlich.

Nach Prüfung der Akten anhand der Tatsachenrüge (Z 5 a) ergeben sich für den Obersten Gerichtshof auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldspruch tragenden Tatsachenfeststellungen.

In einer umfassenden Beweiswürdigung (US 7 bis 11) setzten sich die Tatrichter sowohl mit der Persönlichkeit des Tatopfers als auch mit den Widersprüchen in dessen Angaben sowie mit den Beweggründen, aus denen es sich Bezugspersonen nur zögernd anvertraut hat, eingehend auseinander und legten einwandfrei dar, warum sie diesen Depositionen gegenüber der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers den Vorzug gaben.

Daß Astrid R***** erst im Laufe des Verfahrens zugab, dem Angeklagten noch am 14. Februar 1992 eine Postkarte geschickt zu haben (S 60 f/II), bezog das Schöffengericht ebenso in den Kreis seiner Erwägungen ein wie die Verantwortung, die Genannte habe ihn aus "verschmähter Liebe" zu Unrecht belastet (US 8, 10).

Indem der Beschwerdeführer damit die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin in Frage stellt, bekämpft er bloß die Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung. Daß aus den Beweisergebnissen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse möglich gewesen wären, ist für sich noch nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die entscheidenden Tatsachenfeststellungen zu begründen.

Im bisher erörterten Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Hingegen kommt der Rechtsrüge (Z 9 lit a), womit der Angeklagte jenen Teil des Schuldspruchfaktums 3, wonach er in der Zeit vom Dezember 1990 bis Juli 1991 der Astrid R***** wiederholt am Telefon erklärte, daß er sich gerade selbst befriedige, wobei er ins Telefon stöhnte, Berechtigung zu.

§ 208 StGB setzt voraus, daß die zur Gefährdung der sittlichen, seelischen oder gesundheitlichen Entwicklung von Personen unter 16 Jahren geeignete Handlung vor einer geschützten Person vorgenommen wird. Die Tat muß in Gegenwart des Opfers auf eine solche Art und Weise gesetzt werden, daß sie von diesem (visuell oder auditiv) wahrgenommen werden kann (SSt 55/53; Leukauf/Steininger Komm3 § 208 RN 6, 7; Mayerhofer/Rieder StGB4 § 208 Anm 1). Briefliche oder die vorangeführten telefonischen Übermittlungen erfüllen den Tatbestand des § 208 StGB nicht (Pallin in WK § 208 RN 5).

Soweit dem Schuldspruch wegen des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 StGB (Punkt 3) telefonisch übermittelte Äußerungen zugrunde liegen, war daher mit einem Freispruch vorzugehen (§§ 259 Z 3; 288 Abs 2 Z 3 StPO).

Bei der damit erforderlich gewordenen Strafneubemessung waren das Zusammentreffen zweier Verbrechen und zweier Vergehen und die Wiederholung der strafbaren Handlungen über einen längeren Zeitraum erschwerend; mildernd hingegen der ordentliche Lebenswandel und das längere Zurückliegen der Taten. Die ausgesprochene Unrechtsfolge entspricht auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Strafe auf das künftige Leben des Angeklagten in der Gesellschaft (§ 32 Abs 2 StGB) der unrechtsbezogenen Täterschuld.

Der Vollzug eines Strafteils von sechs Monaten ist aus präventiver Sicht notwendig.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.