JudikaturJustiz14Ns29/19d

14Ns29/19d – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Mai 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Mai 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in den Strafsachen gegen David J***** (jeweils) wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB, AZ 10 U 18/19g des Bezirksgerichts Bludenz und AZ 10 U 74/19z des Bezirksgerichts Donaustadt, in dem zwischen diesen Gerichten geführten Kompetenzkonflikt nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Hauptverfahren ist vom Bezirksgericht Bludenz zu führen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit am 1. März 2019 beim Bezirksgericht Bludenz zu AZ 10 U 18/19g eingebrachtem Strafantrag legt die Staatsanwaltschaft Feldkirch David J***** ein dem Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB subsumiertes Verhalten zur Last, das dieser am 30. Jänner 2019 in S***** begangen haben soll. Die „Ausschreibung“ der Hauptverhandlung für den 16. Mai 2019 erfolgte am 13. März 2019 (ON 3 und 4 im bezughabenden Akt).

Am 14. März 2019 langte beim Bezirksgericht Donaustadt zu AZ 10 U 74/19z ein Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien ein, in welchem dem Genannten ein am 14. Jänner 2019 in W***** gesetztes, gleichfalls als Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB qualifiziertes Verhalten vorgeworfen wird (ON 3).

Mit Verfügung vom selben Tag überwies dieses Gericht den Akt dem Bezirksgericht Bludenz „zur Einbeziehung … gemäß § 37 Abs 1 und 3 StPO“ in das dort anhängige Verfahren (ON 1).

Daraufhin beraumte das Bezirksgericht Bludenz die Hauptverhandlung ab, unterließ die Verbindung der Verfahren, verfügte die Rückübermittlung des Aktes und überwies das eigene Verfahren „zuständigkeitshalber gemäß § 36 Abs 3 StPO“ iVm § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO dem Bezirksgericht Donaustadt zur Verbindung mit dem dortigen Verfahren AZ 10 U 74/19z, weil die frühere Straftat im (örtlichen) Zuständigkeitsbereich dieses Gerichts begangen worden sei (ON 6 im bezughabenden Akt).

Das Bezirksgericht Donaustadt legte die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt vor.

Nach § 37 Abs 3 erster Halbsatz StPO sind, sofern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anklage rechtswirksam wird, ein (anderes) Hauptverfahren gegen den Angeklagten anhängig ist, die Verfahren zu verbinden. Das verbundene Verfahren kommt in Ermangelung eines vorrangigen Anknüpfungstatbestands nach § 37 Abs 2 erster Satz StPO jenem Gericht zu, bei dem die Anklage zuerst rechtswirksam geworden ist (§ 37 Abs 3 zweiter Halbsatz StPO).

§ 37 Abs 3 StPO gilt auch für das bezirksgerichtliche Verfahren. Die damit erforderliche (vgl auch § 4 Abs 2 StPO) Rechtswirksamkeit von Strafanträgen kommt in diesem Verfahren nicht in einem förmlichen Beschluss zum Ausdruck, sondern im Akt der Einleitung des Hauptverfahrens, also in der Anordnung der Hauptverhandlung (§ 450 StPO; Wiederin , WK StPO § 4 Rz 65 ff, 73). Darunter ist jedes Verhalten des Gerichts zu subsumieren, das die Bejahung der Prozessvoraussetzungen unmissverständlich erkennen lässt. Eine Anordnung der Hauptverhandlung ist somit jede Entscheidung, deren Ergebnis keines nach § 450 erster Satz StPO (beschlussförmiger Ausspruch sachlicher Unzuständigkeit), § 451 Abs 2 StPO (beschlussförmige Verfahrenseinstellung) oder § 38 StPO (Wahrnehmung eigener Unzuständigkeit nach § 36 Abs 3, Abs 5; § 37 Abs 1, Abs 2 StPO) ist, also jeder contrarius actus dazu.

Darunter fallen nicht nur dem Gesetzeswortlaut entsprechende Verfügungen auf „Anordnung der Hauptverhandlung“ (§ 213 Abs 4, § 485 Abs 1 Z 4 StPO), sondern auch sonstige Prozesshandlungen, wie – soweit hier wesentlich – die (in der Praxis so bezeichnete) „Ausschreibung“ der Hauptverhandlung (Terminfestsetzung und Verfügung der Ladungen und Verständigungen gemäß § 221 StPO; vgl Danek/Mann , WK StPO § 221 Rz 1) sowie die Übermittlung des Aktes an ein anderes Gericht zwecks Verfahrensverbindung (RIS Justiz RS0132157 [va T1]; zum Ganzen Oshidari , WK StPO § 37 Rz 7 ff mwN).

Da somit nach der Aktenlage der beim Bezirksgericht Bludenz eingebrachte Strafantrag – durch die in der „Ausschreibung“ bestehende Anordnung der Hauptverhandlung am 13. März 2019 – einen Tag früher rechtswirksam wurde als jener beim Bezirksgericht Donaustadt, welches die Überweisung „zur Einbeziehung“ gemäß „§ 37 Abs 1 und 3 StPO“ erst am 14. März 2019 anordnete, ist das Bezirksgericht Bludenz gemäß § 37 Abs 3 zweiter Halbsatz StPO – kraft Zuvorkommens – für das gemeinsam zu führende Hauptverfahren zuständig, ohne dass es darauf ankäme, in welchen Bezirksgerichts Zuständigkeit die frühere Straftat (§ 37 Abs 2 zweiter Satz iVm § 36 Abs 3 StPO, vgl im Übrigen auch RIS Justiz RS0128993, RS0129078) fällt oder wo der Strafantrag früher eingebracht wurde (anders noch 15 Ns 104/15k, 14 Ns 75/17s, 11 Os 159/17t).

Rechtssätze
1
  • RS0132157OGH Rechtssatz

    31. Januar 2024·3 Entscheidungen

    1. Die Verbindung zweier Hauptverfahren gemäß § 37 Abs 3 StPO setzt – auch im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts oder dem Bezirksgericht – die Rechtswirksamkeit (§ 4 Abs 2 StPO) beider Anklagen voraus. Im Fall des § 37 Abs 3 zweiter Halbsatz iVm Abs 2 zweiter Satz StPO zuständigkeitsbegründend zuvorgekommen ist jenes Gericht, bei dem die Anklage zuerst rechtswirksam wurde. 2. Im einzelrichterlichen Verfahren tritt die Rechtswirksamkeit der Anklage mit dem positiven Abschluss einer amtswegigen Vorprüfung des Strafantrags ein. Sie findet dort jedoch – anders als im kollegialgerichtlichen Verfahren – keinen beschlussförmigen Ausdruck, sondern zeigt sich erst im darauf folgenden Akt der Einleitung des Hauptverfahrens. 3. Die Einleitung des Hauptverfahrens (§ 4 Abs 2 StPO) geschieht im einzelrichterlichen Verfahren durch die Anordnung der Hauptverhandlung (§ 450 und § 485 Abs 1 Z 4 StPO). Unter dieser Anordnung wird (keineswegs nur das "Ausschreiben" einer Hauptverhandlung, sondern) jedes Verhalten des Gerichts verstanden, das die Bejahung der Prozessvoraussetzungen (den positiven Ausgang der amtswegigen Vorprüfung) unmissverständlich erkennen lässt. Dies trifft auf jede Entscheidung zu, deren Ergebnis keines nach (im landesgerichtlichen Verfahren:) § 485 Abs 1 Z 1 bis Z 3 StPO oder (im bezirksgerichtlichen Verfahren:) § 450 erster Satz StPO (beschlussförmiger Ausspruch sachlicher Unzuständigkeit), § 451 Abs 2 StPO (beschlussförmige Verfahrenseinstellung) oder § 38 StPO (Wahrnehmung eigener Unzuständigkeit nach § 36 Abs 3, Abs 5; § 37 Abs 1, Abs 2 StPO) ist, also jeder contrarius actus dazu. 4. Bei der amtswegigen Vorprüfung des Strafantrags (noch) außer Betracht zu bleiben hat die Anhängigkeit eines im Sinn des § 37 Abs 3 StPO konnexen Hauptverfahrens bei (irgend-)einem Gericht. Vielmehr hat sich die Vorprüfung – isoliert – auf jenes (Haupt-)Verfahren zu beziehen, das durch die Einbringung dieses (einen) Strafantrags begonnen hat.