JudikaturJustiz13Os77/15w

13Os77/15w – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. September 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Wüstner als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Christian K***** und andere Angeklagte wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Mumin I***** und Robert N***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 4. November 2014, GZ 26 Hv 49/14f 106, sowie die Beschwerden der Angeklagten Mumin I***** und Robert N***** gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Erteilung von Weisungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten Mumin I***** und Robert N***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mumin I***** (richtig) mehrerer Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a und (richtig) 11 zweiter Fall FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 (3/a) und mehrerer Vergehen der falschen Beurkundung im Amt nach §§ 12 zweiter Fall, 311 StGB (3/b), Robert N***** (richtig) mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 (4/a) und mehrerer Vergehen der falschen Beurkundung im Amt nach § 311 StGB (4/b) schuldig erkannt.

Danach haben jeweils in mehreren Angriffen in Innsbruck und an anderen Orten

(3) Mumin I***** vom Jänner 2006 bis zum September 2007

a) gewerbsmäßig eingangsabgabepflichtige Waren, auf die Zoll sowie Einfuhrumsatzsteuer von zusammen rund 82.200 Euro entfielen, vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht und der zollamtlichen Überwachung entzogen, indem er 15 Pkw teils selbst (§ 11 erster Fall FinStrG), teils durch Bestimmung anderer (§ 11 zweiter Fall FinStrG) aus der Schweiz nach Österreich einführte, und

b) einen Beamten, nämlich den bevollmächtigten Sachverständigen der technischen Prüfstelle des Amtes der L***** Robert N*****, durch Zahlung von jeweils 200 Euro über zwei Mittelsmänner dazu bestimmt, in öffentlichen Urkunden, deren Ausstellung in den Bereich seines Amtes fällt, nämlich in Einzelgenehmigungs-bescheiden, die Herkunft von zumindest vier zollunredlich eingeführten Pkw fälschlich zu beurkunden,

(4) Robert N***** vom 13. August 2007 bis zum 30. Juni 2008 in Bezug auf 19 Pkw in Einzelgenehmigungs-bescheiden als Herkunftsland Schweden anstelle der Schweiz eingetragen und hiedurch

a) gewerbsmäßig vorsätzlich Sachen, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen worden war und auf die Zoll sowie Einfuhrumsatzsteuer in der Höhe von zusammen rund 52.400 Euro entfielen, „verheimlicht“ und

b) als Beamter, nämlich bevollmächtigter Sachverständiger der technischen Prüfstelle des Amtes der L*****, in öffentlichen Urkunden, deren Ausstellung in den Bereich seines Amtes fällt, Tatsachen fälschlich beurkundet.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von Mumin I***** aus Z 5, von Robert N***** aus Z 5 und 9 lit a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Mumin I*****:

Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden von der Beschwerde nicht angesprochen) über schuld oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS Justiz RS0106268).

Von diesem Bezugspunkt entfernt sich die Rüge, indem sie fehlende Erörterung (Z 5 zweiter Fall) von Aussagen des Mitangeklagten Christian K***** zu von diesem zollunredlich eingeführten Pkw, der Depositionen des Zeugen Alexander B***** zur Aufgabenteilung zwischen Beamten des Z***** und jenen der örtlichen Polizeidienststelle sowie einer Urkunde und der Aussage des Mitangeklagten Stefan La***** zu „Schweizer Händlernummern“ und „Schweizer Garagennummern“ einwendet.

Soweit die Beschwerde aus den Depositionen des Zeugen Alexander B*****, der Mitangeklagten Christian K***** und Stefan La***** sowie der abgesondert verfolgten Michel S***** und Antonio T***** anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse ableitet, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (hier § 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Die Aussage des Mitangeklagten Antonio T*****, wonach er „keine eigenen Wahrnehmungen gemacht habe“, ob der Beschwerdeführer „auch selbst Fahrzeuge aus der Schweiz nach Österreich gebracht“ habe (ON 89 S 37), steht den tatrichterlichen Feststellungen nicht erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) entgegen.

Hinzu kommt, dass mit dem diesbezüglichen Einwand aufgrund der Gleichwertigkeit von (soweit hier aktuell) unmittelbarer Täterschaft (§ 11 erster Fall FinStrG) und Bestimmungstäterschaft (§ 11 zweiter Fall FinStrG) erneut keine entscheidende Tatsache angesprochen wird (12 Os 25/03, RZ 2003, 234; RIS Justiz RS0117604, jüngst 13 Os 21/14h).

Auch mit der Behauptung angeblicher Widersprüche (Z 5 dritter Fall) darüber, ob die zollunredlich eingeführten Pkw nach der Einfuhr in Österreich verblieben oder in weiterer Folge wieder exportiert wurden, bezieht sich die Beschwerde nicht auf schuld oder subsumtionsrelevante Umstände.

Mit dem Hinweis, dass der Beschwerdeführer schuldig erkannt wurde, Robert N***** auch in Bezug auf den im Urteil unter der fortlaufenden Nummer 13 bezeichneten Pkw (US 17) zur falschen Beurkundung im Amt bestimmt zu haben (US 6 iVm US 30 und 5), hinsichtlich dieses Pkw aber kein Schuldspruch des Robert N***** nach § 311 StGB erfolgte (US 7 iVm US 31 und 5), wird kein innerer Widerspruch der angefochtenen Entscheidung aufgezeigt. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS Justiz RS0086859 und RS0089720 und herrschender Lehre ( Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 17, 40 und 44 mwN) verlangt nämlich die Bestimmungstäterschaft mangels qualitativer Akzessorietät keinen Schuldspruch des Bestimmten.

Die spekulativen Überlegungen zur bloß rund sechswöchigen Überschneidung der Tatzeiträume des Beschwerdeführers und des Mitangeklagten Robert N***** (nominell Z 5 dritter Fall) sowie zur Vernichtung von Typenscheinen (nominell Z 5 vierter Fall) lassen keinen Bezug zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Robert N*****:

Die Mängelrüge (Z 5) erschöpft sich darin, aus den vom Erstgericht vollständig erörterten (Z 5 zweiter Fall), den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend gewürdigten (Z 5 vierter Fall) Verfahrensergebnissen (US 33 bis 78) anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse abzuleiten und wendet sich damit nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) aus einer Richtlinie des Rates, welche die behördliche Zulassung von bereits innerhalb der Union zugelassenen Fahrzeugen in einem anderen EU Mitgliedstaat regelt, argumentiert, geht sie nicht vom Urteilssachverhalt aus und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810). Verfahrensgegenständlich sind nämlich Fahrzeuge, die zunächst in der Schweiz, also außerhalb der Europäischen Union, zugelassen waren und sodann (zollunredlich) in die Europäische Union, konkret nach Österreich, eingeführt wurden.

Weshalb zusätzlich zur Feststellung, der Beschwerdeführer habe zur Verschleierung der zollunredlichen Einfuhr in Einzelgenehmigungsbescheiden die EU Herkunft mehrerer Fahrzeuge vorgetäuscht (US 31 f), Konstatierungen über den Inhalt der hienach ausgestellten Zulassungsscheine schuld oder subsumtionsrelevant sein sollen, wird nicht aus dem Gesetz abgeleitet (siehe aber 12 Os 52/02, SSt 64/31 sowie RIS Justiz RS0116565 und RS0116569).

Ebenso wenig wird aus dem Gesetz abgeleitet, warum die rechtliche Unterscheidung zwischen eigennütziger und fremdnütziger Abgabenhehlerei sowie die Frage, ob der Beschwerdeführer „seine Unterstützungshandlung vor oder nach Vollendung der Tat zugesagt hat“, schuld oder subsumtionsrelevant sein sollen.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass die Differenzierung zwischen eigennütziger (§ 37 Abs 1 lit a FinStrG) und fremdnütziger (§ 37 Abs 1 lit b FinStrG) Hehlerei allein gesetzestechnisch begründet ist, die in § 37 Abs 1 FinStrG beschriebenen Tathandlungen also im Sinn eines alternativen Mischtatbestands rechtlich gleichwertig sind (RIS Justiz RS0086531, Lässig in WK 2 FinStrG § 37 Rz 5 und 16). Der Umstand, dass der Schuldspruch 4/a nach dem Grundtatbestand des § 37 Abs 1 „lit a“ FinStrG erfolgte (US 7), gemäß den diesbezüglichen Feststellungen aber fremdnützige Abgabenhehlerei vorliegt (US 31 f), ist daher rechtlich bedeutungslos.

Eine ausdrückliche Zusage des Hehlers gegenüber dem Vortäter, die Unterstützungshandlung vorzunehmen, wird vom Gesetz nicht verlangt. Wesentlich in Bezug auf die zeitliche Relation zwischen Vortat und Hehlerei ist vielmehr, dass Erstere im Zeitpunkt Letzterer faktisch vollendet sein muss (13 Os 19/08v EvBl 2010/13, 85; RIS Justiz RS0086500), was in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich festgestellt wird (US 31 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen und die gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtenden Beschwerden gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Erteilung von Weisungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Hinzugefügt sei, dass das Erstgericht in Bezug auf den Tatbestand des Schmuggels (§ 35 Abs 1 FinStrG) zu Recht sowohl die Tatbestandsvariante des ersten Falles als auch jene des dritten Falles des § 35 Abs 1 lit a FinStrG als erfüllt ansah. Zwischen diesen Tatbestandsvarianten kommt es nämlich zu Überlappungen, die aus den diesbezüglichen zollrechtlichen Vorgaben resultieren. So umfasst einerseits der Schutzbereich des ersten Falles des § 35 Abs 1 lit a FinStrG den gesamten Einfuhrvorgang bis zur Gestellung einschließlich dieser (Art 40 ZK). Andererseits unterliegt die eingeführte Ware schon ab dem Zeitpunkt des Verbringens der zollamtlichen Überwachung (Art 37 Abs 1 erster Satz ZK), die ihrerseits durch den dritten Fall des § 35 Abs 1 lit a FinStrG finanzstrafrechtlich geschützt ist, womit konkrete, diesen Schutz auslösende Überwachungsmaßnahmen ( Witte in Witte , Zollkodex Art 203 Rz 5) schon vor Gestellung möglich sind. Diese tatbestandlichen Überschneidungen führen aber nicht dazu, dass durch ein und dieselbe Tat im materiellen Sinn (hiezu Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 1) mehrere Finanzvergehen nach § 35 Abs 1 lit a FinStrG verwirklicht werden, womit diese Bestimmung einen alternativen Mischtatbestand normiert, der alle maßgebenden zollrechtlichen Vorgaben, die einfuhrseitig zu beachten sind, strafrechtlich schützt ( Lässig in WK 2 FinStrG § 35 Rz 19).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.