JudikaturJustiz13Os53/19x

13Os53/19x – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. August 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Rathgeb in der Strafsache gegen Peter S***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 24. April 2019, GZ 15 Hv 40/18k 214, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter S***** – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (A I 1) und nach § 28a Abs 1 vierter Fall SMG (A I 2) sowie des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 StGB (I) und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach §§ 15, 12 zweiter Fall StGB, § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG (E) schuldig erkannt.

Danach hat er

(A I) vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

(1) von Anfang 2017 bis zum 14. Juni 2018 in W***** und andernorts als Mitglied einer (aus insgesamt drei Personen bestehenden) kriminellen Vereinigung anderen überlassen, und zwar

(ba bis bc) in mehreren Angriffen drei (im angefochtenen Urteil genannten) Personen insgesamt 1.966 Gramm Cannabisblüten (enthaltend 196 Gramm THCA und 19 Gramm Delta 9 THC) sowie 80 Gramm „Speed“ (enthaltend 8 Gramm Amphetamine), ferner

(bd) „an unbekannt gebliebene Abnehmer nicht mehr feststellbare Mengen an Cannabisblüten, Kokain und Speed“ sowie

(be) drei (im angefochtenen Urteil genannten) Personen nicht feststellbare Mengen an Morphium, weiters

(2) am 10. Mai 2018 in W***** einem verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts angeboten, indem er ihm den Verkauf von 500 Gramm Kokain (enthaltend 150 Gramm Cocain) zusagte,

(E) am 17. Mai 2018 in H***** Aniko H***** zu bestimmen versucht, 100 Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge an Suchtgift anzubauen, wobei er mit dem Vorsatz handelte, dass dieses in Verkehr gesetzt werde, indem er sie aufforderte, eine derartige Plantage als „Gärtnerin“ zu betreuen, und

(I) am 22. Mai 2018 in M***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zur strafbaren Handlung der gesondert verfolgten Helmut P***** und Karl G*****, die

unbekannten Personen fremde bewegliche Sachen, nämlich zwei Kilogramm Cannabisblüten im Wert von 6.000 Euro, durch Einbruch in eine Wohnstätte wegnahmen, indem sie die Eingangstür eines Einfamilienhauses, in dem eine Cannabisplantage betrieben wurde, unter Einsatz nicht unerheblicher Körperkraft aufdrückten und dort verwahrte (bereits abgeerntete) Cannabisblüten fortschafften,

dadurch beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), dass er einen GPS Sender am Fahrzeug des Betreibers der Cannabisplantage (zur Auskundschaftung dessen Aufenthalts) anbrachte und während der Tatausführung Aufpasserdienste leistete.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Zum Schuldspruch A I 1 gingen die Tatrichter von einer – mit auf dieses Suchtgiftquantum gerichtetem Additionswillen (vgl US 17 und 25) – in einer Vielzahl von (solcherart im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit gesetzten) Angriffen überlassenen Menge von mehr als (den allein zu A I 1 ba, bb und bc unbekämpft festgestellten – US 9 f) 196 Gramm THCA, 19 Gramm Delta 9 THC und 8 Gramm Amphetamin aus, die rechtlich gesehen mehr als einem Sechsfachen der für diese Wirkstoffe (jeweils) festgelegten Grenzmenge entspricht.

Ein Entfall der von der Mängelrüge (Z 5 zweiter und vierter Fall) angegriffenen Feststellungen zu A I 1 bd (US 10: „nicht mehr feststellbare Mengen an Cannabisblüten, Kokain und Speed“) würde nichts daran ändern, dass das (insgesamt) tatverfangene Quantum – wie zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich (zur zutreffenden Subsumtion als bloß ein [und nicht mehrere] Verbrechen nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG siehe 12 Os 21/17f [verst Senat], RIS-Justiz RS0131856) – die Grenzmenge überschreitet. Indem sie solcherart keine entscheidende – nämlich für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsame (RIS-Justiz RS0117264) – Tatsache anspricht, verfehlt sie (von vornherein) den Bezugspunkt der unternommenen Anfechtung.

Feststellungsmängel (Z 9 lit a) werden in diesem Zusammenhang nicht deutlich und bestimmt (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) dargetan, sondern bloß pauschal behauptet.

Das Erstgericht hat zu sämtlichen konstitutiven Merkmalen der kriminellen Vereinigung (vgl Plöchl in WK 2 StGB § 278 Rz 4/1 ff) Feststellungen getroffen (US 8 f). Auch von einer Begehung der vom Schuldspruch A I 1 umfassten Tat als Mitglied dieser Vereinigung (im Rahmen deren krimineller Ausrichtung) ging es – auf der Tatsachenebene – mit hinreichender Deutlichkeit aus (US 9, 17 f).

Weshalb die (rechtliche) Annahme der Qualifikationsnorm des § 28a Abs 2 Z 2 SMG – über die (ohnehin) getroffenen hinaus – noch zusätzliche Konstatierungen zu „korrespondierenden Willensäußerungen“ erfordert haben sollte, macht die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht klar (siehe aber RIS Justiz RS0116565).

Die gegen den Schuldspruch A I 2 gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet das Fehlen ausreichender Feststellungen zum „Anbieten“ (§ 28a Abs 1 vierter Fall SMG) von Suchtgift. Sie hält – anders als zur prozessförmigen Darstellung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes geboten (RIS-Justiz RS0099810) – nicht am Urteilssachverhalt fest, wonach es sich um ein „ernst gemeintes Anbot“ des Angeklagten handelte, der „davon ausging“, „tatsächlich in der Lage“ zu sein, die betreffende Suchtgiftmenge (500 Gramm Kokain, enthaltend zumindest 150 Gramm Cocain) zu beschaffen (US 13 f). Außerdem wird nicht aus dem Gesetz abgeleitet dargelegt (abermals RIS Justiz RS0116565), weshalb es – entgegen der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (RIS Justiz RS0125860) – darauf ankommen sollte, ob das Suchtgift „konkret vorhanden war“.

Mit der bloßen Behauptung, es liege eine „unzulässige Tatprovokation durch den verdeckten Ermittler“ vor, argumentiert die Rüge (der Sache nach Z 9 lit b) – abermals prozessordnungswidrig (RIS Justiz RS0099810) – nicht auf der Basis der tatrichterlichen Feststellungen (vgl nur US 11, wonach der Angeklagte „Abnehmer“ für „größere Mengen Cannabis oder Kokain“ suchte).

Die von der Beschwerde (Z 9 lit a, nominell auch Z 5) vermissten, den Schuldspruch E tragenden Feststellungen finden sich – von der Beschwerde übergangen – auf den US 15 ff:

Danach hat der Angeklagte – mit die Aufzucht von zumindest 100 Cannabispflanzen zwecks Gewinnung und (nachfolgendem) Inverkehrsetzen einer die Grenzmenge übersteigenden Menge an Suchtgift umfassender Willensausrichtung (US 16) – in einem Gespräch am 17. Mai 2018 Aniko H***** dazu aufgefordert, eine entsprechende Cannabisplantage zu betreuen, was die Genannte jedoch ablehnte (US 17).

Mit der – unsubstantiierten – Behauptung, es sei lediglich von „straflose[n] Vorbereitungshandlungen“ auszugehen, „allenfalls“ liege „ein strafloser Rücktritt vom Versuch“ vor, wird (ebenfalls) nicht an diesem Feststellungssubstrat Maß genommen (abermals RIS Justiz RS0099810).

Weshalb es – mit Blick auf die dem Angeklagten angelastete versuchte (und misslungene [ Fabrizy , StGB 13 § 12 Rz 12]) Bestimmung – schuld- oder subsumtionsrelevant sein sollte, ob (die zu Bestimmende) Aniko H***** „Tatausführungshandlungen“ gesetzt hat, legt die Beschwerde nicht dar (neuerlich RIS Justiz RS0116565; zum Bestimmungsversuch vgl im Übrigen RIS-Justiz RS0089881).

Das Vorbringen zum Schuldspruch I strebt den Wegfall der Qualifikation nach § 129 Abs 2 Z 1 StGB an.

Jenes Tatsachensubstrat (US 10 f und 36), das die (rechtliche) Beurteilung des Einbruchsobjekts als Wohnstätte (im Sinn dieser Gesetzesstelle) trägt, folgerte das Schöffengericht aus dem – vom Mitangeklagten Karl G***** beschriebenen (ON 155 S 9 iVm ON 148 S 85) – Vorhandensein von Möbeln, einer Sitzgarnitur und einer Küche in dem betreffenden Einfamilienhaus im Zusammenhalt mit der Überlegung, es sei durchaus üblich, Räumlichkeiten, in denen Cannabispflanzen aufgezogen werden, während der „Grow Phasen“ zu bewohnen (US 36).

Dem Vorwurf der „unzureichend[en]“ Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider ist diese Ableitung unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Dass sie „nicht zwingend“ ist, sondern aus den Verfahrensergebnissen auch andere Schlüsse hätten gezogen werden können, stellt den Nichtigkeitsgrund nicht her (RIS Justiz RS0114524).

Die (diesbezügliche) Verantwortung des Mitangeklagten Karl G***** haben die Tatrichter keineswegs übergangen (Z 5 zweiter Fall), sondern ihren Feststellungen sogar ausdrücklich zugrunde gelegt (US 36). Im Rechtsmittel hervorgehobene Details seiner (in der Hauptverhandlung vorgekommenen – ON 155 S 9) Einlassung in der polizeilichen Vernehmung (ON 148 S 85 ff), wonach die Betreiber der Plantage „angeblich im 11. Bezirk“ aufhältig seien, ferner das Einfamilienhaus (zum Zeitpunkt des Einbruchs) „offensichtlich nicht bewohnt“ gewesen sei und „nur als Versteck der Plantage“ gedient habe, waren nicht gesondert erörterungsbedürftig. Denn für die Beurteilung (hier) eines Gebäudes als Wohnstätte genügt es, wenn dieses auch nur vorübergehend bewohnt wird; eine Nutzung zu Wohnzwecken gerade zum Zeitpunkt des Diebstahls ist nicht erforderlich ( Stricker in WK 2 StGB § 129 Rz 87).

Mit der Behauptung, die „bestimmungsgemäße Funktion des Raumgebildes“ habe „in der Zweckbestimmung als Plantage für die Aufzucht von Cannabis Blüten“ bestanden, entfernt sich die Subsumtionsrüge (Z 10) vom festgestellten Sachverhalt (US 10 f, 36). Zudem entbehrt ihre Argumentation, bei einer „derartigen Räumlichkeitsnutzung“ (Betreiben einer Cannabisplantage) trete „ein allfälliger Wohnzweck entschieden zurück“, sodass keine Wohnstätte vorliege, der methodengerechten Ableitung aus dem Gesetz. Damit wird der geltend gemachte materiell-rechtliche Nichtigkeitsgrund – einmal mehr – nicht zu prozessförmiger Darstellung gebracht (neuerlich RIS Justiz RS0099810 und RS0116565).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.