JudikaturJustiz13Os4/99

13Os4/99 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. März 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. März 1999 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Matz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dipl.Ing. Milan J***** wegen des Vergehens des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs nach § 256 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 28. Oktober 1998, GZ 30 i Vr 4392/98-60, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Dipl.Ing. Milan J***** wurde - auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen - von der Anklage,

er habe von Ende 1986 bis Ende 1989 in Wien, wobei er bis Juni 1990 als III. Sekretär an der dortigen Botschaft der damaligen Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik ("CSSR"), akkreditiert war, den zum Nachteil Österreichs betriebenen Nachrichtendienst des erwähnten Entsendestaates, "StB", dadurch unterstützt, daß er als Führungsoffizier dieses Geheimdienstes von dem, ebenfalls für den "StB" in Wien tätigen, abgesondert verfolgten und bereits rechtskräftig verurteilten Josef M***** Informationen über in Österreich aufhältige Emigranten, insbesondere der katholischen Kirche Nahestehende und Unterzeichner der "Charta 77" bzw Personen, die diesen Gruppen nahestanden, sowie (über) österreichische Staatsbürger, die diesen Emigranten Unterstützung gewährten, übernahm und diese gewonnenen Erkenntnisse der (richtig: an die) nachrichtendienstliche(n) Zentrale des "StGB" in Prag im Wege des tschechoslowakischen Außenministeriums weiterleitete und somit preisgab, insbesondere von Josef M***** im Rahmen seiner Tätigkeit als Mesner der Wiener Karlskirche und Kontaktperson zu Jiri D*****, der in Wien Treffen von Personen organisierte, die den Unterzeichnern der "Charta 77" nahestanden, gewonnene Informationen über von Flüchtlingen im Exil entwickelte Aktivitäten und von österreichischen Staatsbürgern, die Kontakt zu diesen tschechischen Emigranten unterhielten, aber auch selbst in seiner diplomatischen Funktion im Rahmen von persönlichen Gesprächen gewonnene Erkenntnisse über Personen, die dem damaligen Regime der "CSSR", insbesondere in bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte, kritisch eingestellt waren, sammelte und diese in schriftlicher Form mittels Diplomatenpost im Wege des Außenministeriums der Tschechoslowakischen Republik an die Zentrale des "StB" in Prag übermittelte, und hiedurch das Vergehen des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs nach § 256 StGB begangen zu haben,

gemäß "§ 236 StPO" (richtig: § 336 StPO) freigesprochen.

Die Geschworenen verneinten die anklagekonforme Hauptfrage.

Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer formell auf die Z 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich - worauf auch die Generalprokuratur zutreffend hinweist - als nicht zielführend erweist.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem Einwand der (nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilenden) Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung orientiert sich die Beschwerde nicht am Gesetz (§§ 321, 323, 327 StPO), da sie dazu auf die Niederschrift und die Erwägungen (§ 331 Abs 2 und 3 StPO) Bezug nimmt (vgl insbesondere 12 Os 79/83, 13 Os 106/83 und 11 Os 50/91 sowie Mayerhofer StPO4 E 10 und 18 zu § 331 und E 6 zu § 345 Abs 1 Z 8).

Das Vorbringen, die - einem Kommentarwerk (Foregger, WK, Rz 4 zu § 256 StGB) folgende - Passage der Rechtsbelehrung (S 1 und 2) "Nachteilig für Österreich muß die Existenz des geheimen Nachrichtendienstes, nicht aber die einzelne gesammelte Nachricht oder weitergegebene Nachricht sein", wäre nur vordergründig korrekt und würde in Wahrheit fälschlich den Eindruck erwecken, daß der im Sinne des § 256 StPO tatbildmäßige "Schaden des Staates" durch Sammeln und Weitergeben entstanden sein müsse und demgemäß die tatsächliche Weiterleitung gesammelter Informationen an einen Empfänger erforderlich sei, widerspricht dem klaren Wortlaut des bemängelten Satzes.

Da die Rechtsbelehrung ferner zum einen darlegt, daß auch ein bloß gelegentliches Tätigwerden zum Nutzen eines Nachrichtendienstes unter die Begehungsweise der Unterstützung eines solchen Dienstes fällt und zum andern uneingeschränkt (und damit bezüglich sämtlicher Tatbestandselemente) auf das Erfordernis eines Handelns mit zumindest bedingtem Vorsatz hinweist, hält die Beschwerdeführerin auch insoweit nicht an der Aktenlage fest, als sie die ausführlichen Darlegungen zur subjektiven Tatseite in der Rechtsbelehrung negiert.

Letztlich übergeht auch der Vorwurf der Beschwerdeführerin, die Rechtsbelehrung hätte den Umstand unberücksichtigt gelassen, daß sich ein Nachteil im Sinn des § 256 StGB auch aus der Gesamtschau der gesammelten Nachrichten ergeben kann, die entsprechenden Ausführungen in der Rechtsbelehrung (S 2). Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang vermißten Hinweise auf die "Mosaiktheorie der herrschenden Lehrmeinungen und ständigen Judikatur" betrifft kein gesetzliches Merkmal der strafbaren Handlung (s. § 256 StGB); eine Darlegung von "Lehrmeinung und Judikatur" sieht § 321 Abs 2 StPO nicht vor.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als nicht den gesetzlichen Geboten entsprechend ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).