JudikaturJustiz13Os38/03

13Os38/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. April 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. April 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Philipp, Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Reichel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Daniela S***** und einer anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Wien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. November 2002, GZ 113 Hv 102/02a-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch der Mitangeklagten Claudia G***** enthaltenden - Urteil wurde Daniela S***** von der wider sie erhobenen Anklage, sie habe in Wien am 23., 24. und 25. Februar 2002 als Polizeibeamtin mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich an ihrem Recht auf Verhaftung der Mag. Grazyna Sz***** zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass sie trotz Kenntnis der Tatsache, dass Mag. Grazyna Sz***** mit Haftbefehl gesucht werde, diese an obgenannten Tagen in ihre Wohnung aufnahm und es pflichtwidrig unterließ, ihre Kollegen vom Aufenthalt der Mag. Grazyna Sz***** zu unterrichten, und sie habe dadurch das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft Wien mit einer auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt. Entgegen der eine unvollständige Begründung vorbringenden Mängelrüge (Z 5) setzte sich das Erstgericht mit den zum Teil unterschiedlichen Angaben der Zeugin Mag. Grazyna Sz***** vor der Polizei und der Untersuchungsrichterin ausführlich auseinander, stellte aber beweiswürdigend (wenn auch teilweise missverständlich ausgedrückt; vgl US 8 "wenn überhaupt lediglich als Privatperson, nicht jedoch in ihrer Funktion als Beamtin") fest, dass mit der für einen Schuldspruch notwendigen Gewissheit die Kenntnis der Erstangeklagten von einem offenen Haftbefehl gegen Mag. Grazyna Sz***** im inkriminierten Zeitraum nicht feststellbar war (US 5, 7 ff). Eine nähere Auseinandersetzung mit den Angaben des Zeugen Bezirksinspektor H***** war schon deswegen nicht geboten, weil dieser Polizeibeamte über die entscheidungswesentliche Frage, ob die Erstangeklagte zwischen 23. und 25. Februar 2002 von einem offenen Haftbefehl wusste, nichts aussagen konnte (AS 287 ff, vgl insbesondere AS 295). Die diesbezüglich bloß spekulativen Erwägungen der eine Unvollständigkeit behauptenden Beschwerdeführerin bekämpfen daher inhaltlich die im kollegialgerichtlichen Verfahren über Z 5 und 5a hinaus nicht weiter anfechtbare Beweiswürdigung der Tatrichter. Aber auch die Verantwortung der Mitangeklagten Claudia G***** bedurfte dem Beschwerdestandpunkt zuwider keiner weiteren Erörterung, bezog sich doch die an Daniela S***** weitergegebene Information der freigesprochenen Mitangeklagten nach ihrer von den Tatrichtern für glaubwürdig befundenen (US 10) Einlassung lediglich darauf, dass ein offener Haftbefehl bestanden habe, dieser aber nach Rücksprache mit den Polizeibeamten Bezirksinspektor H***** und dem Verteidiger der Zeugin Mag. Grazyna Sz***** nicht mehr aktuell war (vgl AS 203 ff; insbesondere AS 211, 213).

Eine Aktenwidrigkeit in Bezug auf die Angaben des Zeugen Bezirksinspektor H***** - die begrifflich nur in der unrichtigen oder unvollständigen Wiedergabe eines Beweismittels bestehen kann (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 467) - wird in der Beschwerde nicht dargetan; vielmehr erschöpft sich das Vorbringen in beweiswürdigenden Erwägungen, mit denen die tatrichterliche Begründung zum Informationsstand der Erstangeklagten im vorgeworfenen Tatzeitraum betreffend einen offenen Haftbefehl gegen Mag. Grazyna Sz***** (zu dem dieser Zeuge keine Angaben machen konnte - US 7; vgl AS 295) in Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung angefochten wird.

Die Urteilsannahme, wonach bei der Erstangeklagten keine Absicht feststellbar war, Mag. Grazyna Sz***** absichtlich der Strafverfolgung zu entziehen (§ 299 Abs 1 StGB), stützte das Erstgericht der eine fehlende Begründung behauptenden Beschwerde zuwider auf die für glaubwürdig erachtete Verantwortung der Erstangeklagten (US 7 und 9 f). Im Übrigen läge - wie von der Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend hervorgehoben - der Tatbestand nach § 299 Abs 1 StGB nur dann vor, wenn die Begünstigte die ihr angelastete Tat (fallbezogen eine gefährliche Drohung nach § 107 Abs 1 StGB) auch tatsächlich begangen hätte (Leukauf/Steininger StGB3 § 299 Rz 4; Fabrizy StGB8 § 299 Rz 1). Da im Urteil diesbezüglich keine hinreichenden Feststellungen (insbesondere zu der für die Deliktsverwirklichung nach § 107 Abs 1 StGB notwendigen Absicht; vgl US 4 f) getroffen wurden und dieser Mangel von der Anklagebehörde nicht gerügt wurde (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO), gehen die Beschwerdeeinwände von vornherein ins Leere. Die Rüge einer fehlenden Begründung der von den Tatrichtern angenommenen stark emotionalisierten Stimmungslage der Zeuginnen Wilma K***** und Mag. Grazyna Sz***** bei ihrer Aussage betrifft keine entscheidungswesentliche Tatsache, sondern die Wiedergabe des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks des erkennenden Gerichts; diese beweiswürdigenden Erwägungen können - wenn sie nicht undeutlich oder in sich widersprechend sind, was aber von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht wird - nur mit einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung angefochten werden (Ratz in WK-StPO § 281 Z 431).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), wonach die Erstangeklagte gemäß § 1 Abs 3 der RichtlinienVO zum SPG, BGBl 266/1993, als Polizeibeamtin auch außerhalb ihrer dienstlichen Tätigkeit im Fall eines offenen Haftbefehls, welcher die Anwendung sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfordert hätte, zum Einschreiten durch Verständigung der Sicherheitsbehörde verpflichtet gewesen wäre, übergeht die in diesem Zusammenhang maßgebliche Feststellung, dass Daniela S***** keine Kenntnis von einem gegen die von ihr beherbergten Mag. Grazyna Sz***** ergangenen Haftbefehl hatte (US 5, 9). Mangels Festhaltens an den Urteilsannahmen wird der geltend gemachte materiell-rechtliche Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO).