JudikaturJustiz13Os2/18w

13Os2/18w – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Mai 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Jan K***** wegen Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 19. Jänner 2017, GZ 11 Hv 47/16g 31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreter der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, und der Finanzstrafbehörde, Mag. Begzati, des Angeklagten Jan K***** sowie seines Verteidigers Mag. Gerersdorfer zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Jan K***** wird gemäß § 214 FinStrG von der Anklage freigesprochen, er habe vom 14. Februar 2001 bis zum 21. Juni 2001 in K***** und an anderen Orten

(A) im einverständlichen Zusammenwirken mit einem Mittäter (§ 11 erster Fall FinStrG) gewerbsmäßig eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich 20.000 Zigaretten, vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht,

(B) gewerbsmäßig vorsätzlich vorschriftswidrig einen anderen dazu bestimmt (§ 11 zweiter Fall FinStrG), eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich 261.340 Zigaretten, in das Zollgebiet der Union zu verbringen, und

(C) durch die zu A und B beschriebenen Finanzvergehen zu seinem oder eines anderen Vorteil vorsätzlich die in den Vorschriften über das Tabakmonopol enthaltenen Gebote und Verbote hinsichtlich des Handels mit Monopolgegenständen verletzt,

wobei der strafbestimmende Wertbetrag zu A und B 43.126,31 Euro, zu C 41.979,75 Euro betragen habe.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jan K***** jeweils mehrerer Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 und 11 zweiter Fall FinStrG (A und B) sowie der vorsätzlichen Eingriffe in Monopolrechte nach § 44 Abs 1 FinStrG (C) schuldig erkannt.

Dabei konstatierte das Erstgericht zu A und B einen auf die Waren entfallenden Abgabenbetrag (§ 38 Abs 1 erster Satz FinStrG iVm § 35 Abs 4 erster Satz FinStrG) von 43.126,31 Euro und zu C eine Bemessungsgrundlage (§ 44 Abs 2 erster Satz FinStrG) von 41.979,75 Euro, wobei es die gerichtliche Zuständigkeit mit Blick auf § 265 Abs 1p vorletzter Satz FinStrG idF BGBl I 2010/104 als gegeben erachtete.

Der Angeklagte bekämpfte dieses Urteil mit einer auf Z 5, 9 (richtig) lit a, 9 (richtig) lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und beantragte zugleich beim Verfassungsgerichtshof, im Sinn des Art 140 Abs 1 lit d B VG über die Verfassungswidrigkeit des vorletzten Satzes des § 265 Abs 1p FinStrG idF BGBl I 2010/104 zu erkennen.

Über diesen Antrag entschied der Verfassungsgerichtshof am 29. November 2017 zur Zahl G 94/2017 (ON 8 der Os Akten) wie folgt:

„I. § 265 Abs. 1p vorletzter Satz des Bundesgesetzes vom 26. Juni 1958, betreffend das Finanzstrafrecht und das Finanzstrafverfahrensrecht (Finanzstrafgesetz – FinStrG.), BGBl.Nr. 129/1958, idF BGBl. I Nr. 204/2010 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

III. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.“

Die unter III. angeordnete Kundmachung erfolgte durch BGBl I 2017/163 am 27. Dezember 2017.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art 140 Abs 5 dritter Satz B VG tritt eine mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs verfügte Aufhebung eines Gesetzes mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft, wenn nicht (was hier nicht geschah) der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten eine Frist bestimmt.

Ordnet der Verfassungsgerichtshof (wie hier) nicht anderes an, ist das aufgehobene Gesetz gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B VG auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalls weiterhin anzuwenden.

Fallbezogen bedeutet dies, dass der vorletzte Satz des § 265 Abs 1p FinStrG idF BGBl I 2010/104 in der gegenständlichen Strafsache (als Anlassfall) nicht mehr anzuwenden ist. Der Oberste Gerichtshof hat daher so zu entscheiden, als hätte das als verfassungswidrig beurteilte Gesetz bereits im Zeitpunkt der Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts nicht mehr dem Rechtsbestand angehört ( Frank , Gesetzesbeschwerde, 176 und 178 f; Rohregger in Korinek/Holoubek et al , Bundesverfassungsrecht B VG Art 140 Rz 322; jeweils mwN).

Hievon ausgehend sind in den nach § 4 Abs 2 FinStrG vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich auch die unterschiedlichen Fassungen des § 53 FinStrG zur Tatzeit (BGBl I 1999/28) und zur Urteilszeit (BGBl I 2010/104) einzubeziehen, wobei gilt:

Treffen (wie hier) Finanzvergehen nach § 35 Abs 1 bis 3 FinStrG mit solchen nach § 44 Abs 1 FinStrG zusammen, ist die originäre gerichtliche Zuständigkeit dann gegeben, wenn entweder die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge die Zuständigkeitsgrenze des § 53 Abs 1 FinStrG oder der auf die Finanzvergehen nach § 35 Abs 1 bis 3 FinStrG entfallende strafbestimmende Wertbetrag jene des § 53 Abs 2 FinStrG übersteigt ( Lässig in WK² FinStrG § 53 Rz 14). Solcherart ist die gerichtliche Zuständigkeit gegenständlich zwar nach Tatzeitrecht, nicht jedoch nach Urteilszeitrecht gegeben, womit Letzteres in seiner Gesamtauswirkung für den Angeklagten günstiger ist als Ersteres.

Die angefochtene Entscheidung war daher (in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur) in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde aus dem (insoweit hinreichend deutlich angesprochenen) Grund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO aufzuheben (§ 288 Abs 2 erster Satz StPO). Da die Ahndung der dem Angeklagten zur Last gelegten Finanzvergehen mit Blick auf § 53 FinStrG nicht in die Kompetenz der Gerichte fällt, war gemäß § 214 FinStrG ein Freispruch wegen Unzuständigkeit zu fällen (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.