JudikaturJustiz13Os165/01

13Os165/01 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Dezember 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2001 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lehr als Schriftführerin, in der Privatanklage- und Medienrechtssache des Privatanklägers und Antragstellers Dr. Peter S***** gegen Ing. Herwig M***** wegen des Vergehens der Üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie die FPÖ-Landesgruppe Oberösterreich als Medieninhaberin und Haftungsbeteiligte über die vom Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Linz vom 7. Jänner 2000, GZ 24 EVr 1961/99-15, und des Oberlandesgerichtes Linz vom 28. Jänner 2000, AZ 8 Bs 26/00 (ON 19), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss und des Verteidigers Dr. Haunschmidt, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschlüsse des Landesgerichtes Linz vom 7. Jänner 2000, GZ 24 E Vr 1961/99-15 und des Oberlandesgerichtes Linz vom 28. Jänner 2000, AZ 8 Bs 26/00 (ON 19), verletzten das Gesetz in der Bestimmung des § 117 Abs 4 StGB.

Text

Gründe:

Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 7. Jänner 2000, GZ 24 E Vr 1961/99-15 wurde das Verfahren wider Ing. Herwig M*****, gegen den Dr. Peter Sch***** aufgrund einer in der Sondernummer des periodischen Druckwerks "FPÖ DIALOG Die Freiheitlichen" vom September 1999 veröffentlichten Kritik an seiner Amtsführung als Bürgermeister der Stadt T***** wegen des Vergehens der Üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB am 15. Dezember 1999 Privatanklage erhoben hatte, wegen Überschreitung der im § 46 Abs 1 erster Satz StPO dazu offen stehenden Frist nach §§ 46 Abs 3, 485 Abs 1 Z 6, 486 Abs 3 StPO (§ 41 Abs 5 MedienG) eingestellt und einer dagegen eingebrachten Beschwerde des Privatanklägers vom Oberlandesgericht Linz mit Beschluss vom 28. Jänner 2000, AZ 8 Bs 26/00, mit eben dieser Begründung nicht Folge gegeben.

Nach den Sachverhaltsannahmen der Entscheidungen hatte Dr. Sch***** am 1. Oktober 1999 vom inkriminierten Artikel Kenntnis erlangt und am 20. Oktober 1999 Privatanklage erhoben, ohne dabei unwiderruflich zu erklären, dem öffentlichen Ankläger die Ermächtigung zur Strafverfolgung nicht zu erteilen (§ 117 Abs 2 zweiter Satz StGB, § 2 Abs 2 zweiter Satz [erster Fall] StPO; ON 2). Nachdem diese erst am 22. November 1999 vom Landesgericht Linz dem Staatsanwalt zur Anzeige gebracht worden war (Seite 1 verso des Antrags- und Verfügungsbogens; § 84 Abs 1 StPO), hatte dieser die Akten mit der Bemerkung übersandt, keinen Grund zur Verfolgung zu finden (§ 90 Abs 1 StPO, § 41 Abs 1 MedienG) und Dr. Sch***** am 29. November 1999 vom Unterbleiben der Verfolgung verständigt. Danach hatte dieser mit einem am 15. Dezember 1999 beim Landesgericht Linz eingelangten Schreiben erneut Privatanklage erhoben.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend zeigt der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde eine dem Landesgericht Linz und dem Oberlandesgericht Linz gleichermaßen unterlaufene Verletzung des § 117 Abs 4 StGB auf.

Zum Erfolg einer vom Staatsanwalt wegen Beamtenbeleidigung erhobenen Anklage bedarf es zwar unabdingbar der Wahrung der sonst dem Verletzten für das Verlangen nach Verfolgung offen stehenden Frist von sechs Wochen, welche ab Kenntnis von Tat und Täter durch diesen zu laufen beginnt (§ 46 Abs 1 erster Satz StPO; JBl 1984, 326, EvBl 1991/151 = RZ 1992/22) und daher vorliegend am 12. November 1999 endete. Stand solcherart der Anklage durch den Staatsanwalt bereits im Zeitpunkt der an diesen gelangten Anzeige am 22. November 1999 der Fristablauf als prozessuales Verfolgungshindernis entgegen, vermag dieser gleichwohl nichts daran zu ändern, dass erst durch den Verfolgungsverzicht des Staatsanwaltes der Verletzte das Recht zur Anklage erlangte (§ 117 Abs 4 zweiter Satz StGB) und ihm zur Ausübung dieses Rechtes eine Frist von sechs Wochen (§ 46 Abs 1 erster Satz StPO) ab Verständigung vom Unterbleiben der Verfolgung durch den öffentlichen Ankläger zur Verfügung stand, welche vorliegend erst am 10. Jänner 2000 endete, sodass der am 15. Dezember 1999 bei dem nach § 41 Abs 2 erster Satz MedienG zuständigen Landesgericht Linz gestellte Antrag auf Bestrafung des Ing. M***** rechtzeitig erfolgte (vgl EvBl 1995/41).

Die den angefochtenen Entscheidungen zugrunde liegende Ansicht, nur Verzicht samt Verständigung des Verletzten durch einen nicht nach § 117 Abs 2 StGB an der Verfolgung gehinderten Staatsanwalt löse die - auf sechs Wochen ab dem Verständigungszeitpunkt befristete - Anklageberechtigung des Verletzten aus, widerstreitet dem Wortlaut des § 117 Abs 4 StGB, dessen zweiter Satz jeden Grund für einen Verfolgungsverzicht des Staatsanwaltes in gleicher Weise gelten lässt. Für eine teleologische Reduktion der Vorschrift aber fehlt der Nachweis einer planwidrigen Lücke.

Nicht nur, dass der öffentliche Ankläger, von den Ausnahmefällen des § 34 Abs 2 StPO abgesehen, bloß dann zum Verfolgungsverzicht berechtigt ist, wenn eine Verurteilung, sei es auch infolge eines rechtlichen Verfolgungshindernisses, nicht erwartet werden kann, trifft zwar Behörden oder öffentliche Dienststellen, mithin auch Gerichte, bei Bekanntwerden des Verdachtes einer von Amts wegen zu verfolgenden Straftat nach Maßgabe des § 84 StPO eine Verpflichtung, so rechtzeitig Anzeige zu erstatten, dass dem Staatsanwalt die Einhaltung der Frist zur Anklageerhebung möglich ist. Den - wenngleich zur Anzeige nach § 86 Abs 1 erster Satz StPO berechtigten - Verletzten belastet hingegen keine solche prozessuale Obliegenheit, sodass es durchaus nicht dem Zweck des § 117 StGB zuwiderläuft, wenn ihm aus unterlassener Anzeige keine nachteiligen Folgen für sein eigenes (subsidiäres) Anklagerecht erwachsen.

Weil die Verletzung des § 117 Abs 4 StGB zum Vorteil des Beschuldigten ausschlug, hat es mit deren Feststellung sein Bewenden (§ 292 fünfter und sechster Satz StPO).