JudikaturJustiz13Os129/02

13Os129/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Februar 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Februar 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Ratz und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hietler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gabriel W***** wegen des Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 StGB, AZ 26c Vr 10182/01 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse (1) der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16. Jänner 2002, GZ 26c Vr 10172/01-5, sowie

(2) des Oberlandesgerichtes Wien vom 3. Mai 2002, AZ 18 Bs 97/02 (ON 13 des Vr-Aktes), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Privatbeteiligtenvertreter Mag. Lughofer jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16. Jänner 2002, GZ 26c Vr 10172/01-5, und die Begründung des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien vom 3. Mai 2002, AZ 18 Bs 97/02 (ON 13), verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 41 Abs 5 erster Satz MedienG.

Text

Gründe:

Mit Eingabe vom 3. August 2001 erstatteten Ing. Leopold St***** und Alfred St***** bei der Staatsanwaltschaft Linz Anzeige gegen die Polizeibeamten Dr. Alois L***** und Gabriel W***** wegen § 310 StGB und schlossen sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte an. Sie brachten vor, die Angezeigten hätten durch in Fernsehsendungen verbreitete Äußerungen gegenüber dem ORF über das gegen sie (die Anzeiger) geführte Strafverfahren das Amtsgeheimnis verletzt und ihnen dadurch einen Schaden zugefügt.

Die Staatsanwaltschaft Linz trat die Anzeige am 14. August 2001 an die Staatsanwaltschaft Wien zuständigkeitshalber unter Hinweis auf § 41 Abs 2 MedienG ab.

Am 28. August 2001 legte die Staatsanwaltschaft Wien die Anzeige wegen § 310 StGB gemäß § 90 Abs 1 StPO zurück und trat die (einen Teil des Vorwurfes bildende, von der Staatsanwaltschaft Wien aber anders qualifizierte) Anzeige gegen Gabriel W***** wegen § 302 StGB gemäß § 51 StPO an die Staatsanwaltschaft Linz zurück ab. Mit Schriftsatz vom 15. November 2001 stellten die Privatbeteiligten bei der Ratskammer des Landesgerichtes Linz gemäß § 48 Abs 1 Z 1 StPO den Subsidiarantrag auf Einleitung der Voruntersuchung gegen Gabriel W***** wegen § 310 StGB.

Mit Beschluss vom 28. November 2001, GZ 23 Ur 1112/01h-3, erklärte sich die Ratskammer der Landesgerichtes Linz sachlich unzuständig und trat das Verfahren an das Landesgericht für Strafsachen Wien ab, weil dieses gemäß § 41 Abs 2 letzter Satz MedienG zuständig sei. Mit Beschluss vom 16. Jänner 2002, GZ 26c Vr 10172/01-5, wies die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien den erwähnten Subsidiarantrag mit der Begründung zurück, dass eine Voruntersuchung wegen eines Medieninhaltsdeliktes gemäß § 41 Abs 5 erster Satz MedienG nicht zulässig sei.

Mit Beschluss vom 3. Mai 2002, AZ 18 Bs 97/02 (GZ 26c Vr 10172/01-13 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien), sprach das Oberlandesgericht Wien über die dagegen erhobene Aufsichtsbeschwerde der Einschreiter dahin ab, dass kein Anlass für eine Maßnahme nach § 15 StPO bestehe. In der Begründung führte es aus, dass das Erstgericht bei der Beurteilung der Frage, ob ein Medieninhaltsdelikt vorliege, von einer vertretbaren Rechtsansicht ausgegangen sei, so dass es folgerichtig zur Anwendung des § 41 Abs 5 erster Satz MedienG gelangt sei.

In seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde führt der Generalprokurator folgendes aus:

Die den Polizeibeamten vorgeworfene Verletzung des Amtsgeheimnisses durch Äußerungen in Fernsehsendungen wurde rechtsrichtig als Medieninhaltsdelikt (§ 1 Abs 1 Z 12 MedienG) beurteilt (vgl MR 2001, 225).

Für das Strafverfahren und das selbständige Verfahren wegen eines Medieninhaltsdeliktes sieht § 41 MedienG ergänzende Verfahrensbestimmungen zur Strafprozessordnung vor. Der erste Satz des Absatzes 5 dieser Bestimmung lautet: "Ein Voruntersuchung findet nicht statt". Die historische und teleologische Interpretation dieser Regelung zeigt, dass der Ausschluss der Voruntersuchung im Strafverfahren wegen eines Medieninhaltsdeliktes nur im Falle einer Privatanklage zum Tragen kommt.

Die erwähnte Bestimmung des § 41 Abs 5 MedienG wurde durch die Mediengesetznovelle 1992 eingefügt. Sie fand sich nicht in der Regierungsvorlage, sondern wurde erst durch den Justizausschuss - offenbar ohne Begutachtungsverfahren - beschlossen (JAB 851 BlgNR 18. GP, 8, 17).

Schwerpunkt der Mediengesetznovelle 1992 war die Aufwertung der zivilrechtlichen Komponente des Persönlichkeitsschutzes durch Verbesserung sowohl der Anspruchsgrundlagen als auch der Geltendmachung und Durchsetzbarkeit der Ansprüche (RV 503 BlgNR 18. GP, 8). Zu diesem Zwecke wurde ua die Anwendbarkeit der Institute der Einziehung (§ 33 Abs 2 MedienG) und der Urteilsveröffentlichung (§ 34 Abs 3 MedienG) in einem selbständigen Verfahren auf den Fall des Vorliegens des objektiven Tatbestandes eines Medieninhaltsdeliktes ausgedehnt, um dem Betroffenen diese Maßnahme zu ermöglichen, auch ohne die Strafverfolgung des Verantwortlichen betreiben zu müssen (RV 20). Im Hinblick auf die Neufassung dieser Bestimmungen erachtete der Justizausschuss die Voruntersuchung, als deren Hauptzweck er die - wegen Berufung auf das Redaktionsgeheimnis nach § 31 MedienG meist erfolglose - Ausforschung eines Artikelverfassers ansah, für entbehrlich (JAB 8). Die Gesetzesmaterialien zeigen somit, dass der Gesetzgeber - neben dem selbständigen Verfahren - nur das Strafverfahren aufgrund einer Privatanklage vor Auge hatte. Im Übrigen hätte der generelle Ausschluss der Voruntersuchung in Strafverfahren wegen Medieninhaltsdelikten weitreichende Konsequenzen, die einen erheblichen, dem Gesetzgeber nicht zusinnbaren Wertungswiderspruch innerhalb des Strafverfahrensrechtes darstellen würden.

Als Medieninhaltsdelikte kommen nämlich nicht nur die - grundsätzlich der Privatanklage vorbehaltenen - Ehrenbeleidigungen in Betracht, sondern - wie vorliegend - auch das Vergehen der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 StGB, aber auch das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, das Verbrechen des Verrats von Staatsgeheimnissen nach § 252 Abs 2 StGB sowie die Verbrechen nach den §§ 3d, 3g und 3h VerbotsG. Schlösse man die Zulässigkeit der Voruntersuchung in Strafverfahren wegen Medieninhaltsdelikten generell aus, so wäre in diesen Fällen - wie auch im gegebenen - nicht nur die Subsidiaranklage nach § 48 Abs 1 Z 1 StPO - die die Voruntersuchung voraussetzt (s auch Bertel-Venier Strafprozessrecht7 Rz 234, Foregger/Fabrizy StPO8 § 48 Rz 3) - sondern auch die Untersuchungshaft ausgeschlossen, weil diese von der Führung der Voruntersuchung abhängt (§ 180 Abs 1 erster Satz StPO). Abgesehen davon fordert § 91 Abs 1 StPO die Voruntersuchung als Voraussetzung für die Erhebung der Anklage wegen eines Verbrechens oder Vergehens, dessen Aburteilung dem Geschworenengericht zukommt. Darunter fallen auch die Verbrechen des Verrats von Staatsgeheimnissen nach § 252 Abs 2 StGB (§ 14 Abs 1 Z 6 StPO) und nach den §§ 3d, 3g und 3h VerbotsG (§ 3j VerbotsG), welche - wie erwähnt - auch als Medieninhaltsdelikte begangen werden können. Für eine Derogation der Bestimmung des § 91 Abs 1 StPO - die eine besonders sorgfältige Vorbereitung der Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht sicherstellen soll - durch § 41 Abs 5 erster Satz MedienG liegen keine einsichtigen Gründe vor.

Der Ausschluss der Voruntersuchung durch die zuletzt erwähnte Bestimmung ist daher auch teleologisch auf das Privatanklageverfahren zu reduzieren.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Die Abs 4 und 5 des § 41 MedienG sehen Sonderregelungen nur für das Verfahren vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes erster Instanz wegen eines Medieninhaltsdeliktes (§ 1 Abs 1 Z 12 MedienG) vor und ergänzen solcherart den § 41 Abs 3 MedienG.

Soweit nach dem ersten Satz des § 41 Abs 5 MedienG der Entfall der Voruntersuchung - demnach nur im Verfahren vor dem Einzelrichter - angeordnet wird, zeigt der Generalprokurator im Ergebnis zutreffend auf, dass aus historisch-teleologischen Gründen dieser Ausschluss (zudem) bloß in Hinsicht auf Straftaten gilt, welche nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen sind.

Die gegenteilige Ansicht würde zu einem unvertretbaren Wertungswiderspruch führen. Sie hätte nämlich im Hinblick auf § 180 Abs 1 StPO zur Konsequenz, dass im Vorverfahren auch die Untersuchungshaft ausgeschlossen wäre, wenn die Tat ein vor den Einzelrichter gehörendes Medieninhaltsdelikt verwirklicht, während sie (gemäß § 180 StPO) verhängt werden dürfte, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Z 12 MedienG nicht vorliegen. Eine solche unsachliche Privilegierung von Beschuldigten, denen ein von Amts wegen zu verfolgendes, dem Einzelrichter zufallendes Medieninhaltsdelikt zur Last liegt, gegenüber Tätern, welche die Tat auf andere Weise begangen haben, entspräche auch objektiv nicht dem Zweck des § 41 Abs 5 erster Satz MedienG.