JudikaturJustiz13Os117/18g

13Os117/18g – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Dezember 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sischka als Schriftführer in der Strafsache gegen Schamil A***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 28. Juni 2018, GZ 11 Hv 11/18y 125, und die Beschwerde des Angeklagten gegen unter einem gefasste Beschlüsse auf Widerruf bedingter Strafnachsicht sowie auf Verlängerung von Probezeiten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Schamil A***** mehrerer Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 2 StGB (I/3, I/4), des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (II), mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I/1, I/2) sowie des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er in N*****

I) Nachgenannte vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

1) am 2. September 2017 Verena K*****, indem er sie würgte und ihr einen Stoß versetzte, sodass sie zu Boden stürzte und mit dem Hinterkopf auf dem Asphalt aufschlug, wodurch die Genannte eine Schädelprellung und Schmerzen im Hals erlitt;

2) am 3. September 2017 mit dem abgesondert verfolgten Magomed S***** den Senad R*****, indem Magomed S***** ihm Faustschläge ins Gesicht versetzte, während Schamil A***** ihn in den Würgegriff nahm und ihn festhielt, wodurch der Genannte eine Schwellung im Gesicht erlitt;

3) am 15. Oktober 2017 in verabredeter Verbindung mit dem abgesondert verfolgten Magomed S***** sowie weiteren vier bis fünf Tätern

a) Manuel Al*****, indem er ihm Schläge und Tritte versetzte und ihn würgte, wodurch der Genannte einen unverschobenen Nasenbeinbruch, massive Würge und Kratzspuren am Hals, eine Kehlkopfkompression, Hämatome, Schwellungen und Abschürfungen erlitt;

b) Jacqueline P*****, indem er ihr Schläge und Tritte versetzte, wodurch die Genannte Prellungen der Hals , Brust und Lendenwirbelsäule und des Brustkorbs sowie eine beidseitige Nierenprellung erlitt;

4) am 24. September 2017 in verabredeter Verbindung mit drei bis fünf weiteren Tätern Harald Sc*****, indem sie ihm mehrere Faustschläge versetzten, sodass er zu Boden stürzte, und nachfolgend auf ihn eintraten und einschlugen, wodurch der Genannte Prellungen im Gesicht, im linken Halsbereich, im Bereich der Rippen und am Rücken sowie einen Haarriss einer Rippe erlitt;

II) am 15. Oktober 2017 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Magomed S***** dem Markus E***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt, indem er ihn durch einen Faustschlag zu Boden brachte, Magomed S***** auf seinen Kopf eintrat, Schamil A***** ihm mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzte, ihn – nachdem sich dieser kurz befreien und einige Schritte flüchten konnte – verfolgte und neuerlich gewaltsam zu Boden brachte und weiter mit den Fäusten auf ihn einschlug, wodurch der Genannte einen Bruch des Augenhöhlenbodens und der medialen Seitenwand, eine Kieferhöhlenblutung sowie eine beidseitige Unterblutung des Augenlids erlitt;

III) am 3. September 2017 grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB) eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit seines Beifahrers Magomed S***** herbeigeführt, indem er mit einem Blutalkoholgehalt von 0,6 Promille (US 10 f) einen PKW bei starkem Regen (US 10 f) auf regennasser Fahrbahn mit weit überhöhter Geschwindigkeit lenkte, sodass der Wagen ins Schleudern geriet (US 10) und nur durch Glück nicht gegen ein Carport prallte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) zu den Schuldsprüchen I/2 und III orientiert sich mit der Behauptung, die bezughabenden Feststellungen (US 9) seien eine „reine Hypothese“ und „mit dem abgeführten Beweisverfahren nicht in Einklang zu bringen“, nicht an den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (instruktiv dazu statt vieler 13 Os 133/17h, EvBl 2018/114, 781). Vielmehr beschränkt es sich darauf, nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld mit eigenen Beweiswerterwägungen zur Verantwortung des Angeklagten und zu den Aussagen der Zeugen Ivana R*****, Senad R*****, Almedina M*****, Maid M*****, Azur D***** und BI Gernot Sa***** die tatrichterliche Beweiswürdigung zu bekämpfen.

Entgegen der Beschwerdeauffassung kann der Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) niemals Gegenstand des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO sein (RIS Justiz RS0102162).

Das Vorbringen zum Schuldspruch III, die überhöhte Geschwindigkeit an sich reiche nicht aus, um „den Tatbestand des § 89 StGB und damit verbunden 'die konkrete Gefährdung' zu erfüllen“ (der Sache nach Z 9 lit a), orientiert sich nicht an den auf den US 10 f getroffenen Feststellungen und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materiell rechtlicher Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).

Zum Schuldspruch I/4 wendet der Beschwerdeführer in Ansehung der Aussagen nachangeführter Zeugen Urteilsunvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ein.

Die Behauptung, Harald Sc***** habe bei seiner polizeilichen Vernehmung im Widerspruch zu seiner Aussage in der Hauptverhandlung (ON 105 S 19 ff) nicht angegeben, vom Beschwerdeführer getreten worden zu sein, entfernt sich von der Aktenlage (vgl ON 29 S 63 f) und geht schon deswegen ins Leere.

Gleiches gilt für das Vorbringen, David L***** habe deponiert, es seien „keine Tritte erfolgt“ (vgl ON 105 S 26), und Nina Ro***** ausgesagt, sie habe „weder Tritte, noch Schläge des Angeklagten wahrgenommen“ (vgl ON 116 S 29 f).

Die Aussage des Florian Sch***** haben die Tatrichter dem Beschwerdevorbringen zuwider sehr wohl berücksichtigt (US 17). Zu einer gesonderten Erörterung der Aussage des Genannten, wonach er nicht sagen könne, was der Angeklagte „genau gemacht“ habe (ON 105 S 27), waren die Tatrichter mangels Widerspruchs zu den getroffenen Feststellungen nicht verpflichtet.

Mit eigenen Beweiswerterwägungen zu der von den Tatrichtern als unglaubwürdig verworfenen Aussage des Zeugen Bruno de O***** (US 17) zeigt die Beschwerde keinen Begründungsfehler im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes auf.

Der Mängelrüge zum Schuldspruch I/3 zuwider war der Schöffensenat zur eingehenden Erörterung der Aussagen der Zeugen Bruno de O***** und Shamkan Ka*****, denen er keinen Glauben schenkte (US 23), nicht verpflichtet (RIS Justiz RS0106295 [insbesondere T13]). Dies hätte vielmehr gegen das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) verstoßen.

Im Übrigen beschränkt sich die Beschwerde insoweit erneut darauf, unter Hinweis auf die Verantwortung des Angeklagten mit eigenen Erwägungen zu den Aussagen der Zeugen Manuel Al***** (US 22) und Jacqueline P***** (US 22 f) die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld anzugreifen.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) zu den Schuldsprüchen I/3 und I/4 wendet sich gegen die Annahme der Qualifikation des „§ 84 Abs 2 Z 2 StGB“ (gemeint wohl § 84 Abs 5 Z 2 StGB).

Sie argumentiert jedoch prozessordnungswidrig nicht auf Basis der Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite (US 15 und US 21 f), sondern ersetzt diese durch eigene beweiswürdigende Erwägungen. Damit verfehlt sie den Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).

Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer unter eigener Würdigung der Aussage der Zeugin Jacqueline P***** eine Subsumtion der vom Schuldspruch I/3/b umfassten Tat nach § 88 StGB fordert, dabei aber nicht von den Urteilsfeststellungen US 20 ff ausgeht.

Auch die im Schuldspruch II eine Subsumtion nach § 84 Abs 1 StGB anstrebende Rüge verfehlt mit den nicht von der festgestellten Absicht des Angeklagten, Markus E***** schwer am Körper zu verletzen (US 26), ausgehenden, sondern auf unzulässig beweiswürdigend veränderter, somit urteilsfremder Grundlage angestellten Erwägungen eine prozessförmige Darstellung des reklamierten Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0099810 [insbesondere T25]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen sowie die (implizite) Beschwerde des Angeklagten kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 dritter und vierter Satz StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.