JudikaturJustiz13Os103/14t

13Os103/14t – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. November 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. November 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig und Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Alois W***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und anderer strafbarer Handlungen, AZ 23 Hv 222/03h des Landesgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts als Schöffengericht vom 29. Mai 2009 (ON 402) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Prof. Dr. Aicher, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache AZ 23 Hv 222/03h des Landesgerichts Innsbruck verletzt das Urteil dieses Gerichts als Schöffengericht vom 29. Mai 2009 (ON 402) Art 6 Abs 2 MRK und § 8 StPO.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck legte Alois W***** mit Anklageschrift vom 8. Juni 1998 (ON 196) zur Last, er habe im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Innsbruck vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige , Offenlegungs und Wahrheitspflichten Verkürzungen an Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 1989, 1990 und 1992 um insgesamt etwa 6,8 Millionen Schilling (ds rund 500.000 Euro) bewirkt.

Nachdem die Staatsanwaltschaft in der (im dritten Rechtsgang) am 29. Mai 2009 durchgeführten Hauptverhandlung erklärt hatte, von dieser Anklage zurückzutreten (ON 401 S 5), fällte das Landesgericht Innsbruck als Schöffengericht insoweit einen Freispruch (ON 401 S 17).

Die diesbezügliche schriftliche Urteilsausfertigung (§ 270 Abs 1 StPO) enthält im Rahmen der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgende Passagen:

„Die oben angeführten Verkaufstransaktionen dienten nur dem Zweck der Abgabenhinterziehung in Österreich. In den Niederlanden wurden keine Abgaben im Zusammenhang mit den Bilderverkäufen entrichtet. Bei den erzielten Gewinnen handelt es sich um Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb gemäß § 23 EStG, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise gemäß § 21 BAO dem Angeklagten zuzurechnen sind. Es ergeben sich unter Berücksichtigung der getätigten Aufwendungen Steuerlasten und daher Abgabenhinterziehungen in der Höhe von ATS 975.122,09 (EUR 70.864,89) für Umsatzsteuer, ATS 4.104.950,75 (EUR 298.318,40) für Einkommensteuer und ATS 1.495.319,40 (EUR 108.669,09) für Gewerbesteuer.

Dem Angeklagten kam es gerade darauf an, diese Verkaufstransaktionen zur Verschleierung seiner Abgabenpflicht in Österreich durchzuführen und dadurch Abgaben zu hinterziehen“ (US 11).

„In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus den Feststellungen, dass aufgrund der Anklagezurückziehung der Angeklagte trotz Tatbestandsverwirklichung vom Vorwurf des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG gemäß § 259 Z. 2 StPO freizusprechen war“ (US 17).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 29. Mai 2009 (ON 402) mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Vorweg sei festgehalten, dass ein Freispruch vom Vorwurf eines Finanzvergehens nach ständiger Judikatur nur nach § 214 FinStrG erfolgen kann und demnach auch bei Fehlbezeichnung stets als solcher zu betrachten ist (15 Os 5/06h, EvBl 2006/104, 550; RIS Justiz RS0114396 und RS0120367). Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 214 Abs 2 FinStrG, wonach ein Freispruch wegen Unzuständigkeit auch dann zu fällen ist, wenngleich „ein Schuldspruch auch aus anderen Gründen nicht gefällt werden kann“, und wurde vom Gesetzgeber durch die Aufhebung des § 214 Abs 3 FinStrG mit der FinStrG Novelle 2007 BGBl I 2007/45 weiter verdeutlicht (siehe dazu 81 BlgNR 23. GP 14).

Hintergrund dieser Regelung ist die für Finanzstrafsachen bestehende Kompetenzaufteilung zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden (§ 53 FinStrG), die mit Blick auf das in Art 94 B VG normierte gewaltentrennende Grundprinzip der Bundesverfassung (Art 44 Abs 3 B VG) zur Folge hat, dass das Gericht zwar (iSd § 214 FinStrG) aussprechen kann, dass ein gerichtlich zu ahndendes Finanzvergehen nicht vorliegt, nicht jedoch, dass weder ein gerichtlich noch ein verwaltungsbehördlich zu ahndendes vorliegt. Letzteres ist ausschließlich von der Finanzstrafbehörde zu beurteilen, die dabei das allfällige Bestehen des Verfolgungshindernisses des Art 4 des 7. ZPMRK anhand der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) des freisprechenden Urteils zu prüfen hat (zum Ganzen Lässig in WK² FinStrG § 214 Rz 1).

Durch den gegenständlichen Freispruch hat das Landesgericht Innsbruck ausgesprochen, dass insoweit ein gerichtlich zu ahndendes Finanzvergehen nicht vorliegt (§ 214 FinStrG). Dadurch, dass es in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zum Ausdruck brachte, den Angeklagten insoweit dennoch für schuldig zu halten, verletzte es somit die in § 8 StPO normierte (durch Art 6 Abs 2 MRK auch verfassungsrechtlich garantierte) Unschuldsvermutung ( Grabenwarter , WK StPO § 8 Rz 5; Lendl , WK StPO § 259 Rz 34; vgl auch RIS Justiz RS0124922 [zu § 191 StPO] und Grabenwarter/Pabel ERMK 5 § 24 Rz 127 [zu Art 6 MRK]).

Im Hinblick darauf, dass fallbezogen die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung von der Anklage zurückgetreten ist, hätte das Erstgericht hier die Begründung des Freispruchs auf diesen Umstand beschränken müssen (vgl § 4 Abs 1 dritter Satz und Abs 2 StPO, § 259 Z 2 StPO).

Da die Begründung des Freispruchs nicht mit rechtlichen Konsequenzen zum Nachteil des Freigesprochenen verbunden ist (RIS Justiz RS0086760 [insbesondere T8 und T9]), sah sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung (§ 292 letzter Satz StPO) zu verknüpfen.