JudikaturJustiz12Os99/12v

12Os99/12v – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. August 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lindenbauer als Schriftführer in der Strafsache gegen Albert S***** wegen des Vergehens der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB, AZ 29 Hv 18/09d des Landesgerichts Salzburg, über die von der Generalprokuratur gegen den in diesem Verfahren ergangenen Beschluss vom 30. August 2011, GZ 29 Hv 18/09d 21, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Dr. Haslwanter, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 30. August 2011, GZ 29 Hv 18/09d 21, verletzt § 205 Abs 2 Z 3 StPO.

Dieser Beschluss wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

Das Strafverfahren gegen Albert S***** wegen des Vergehens der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB, AZ 29 Hv 18/09d des Landesgerichts Salzburg, wird gemäß §§ 203 Abs 4 iVm 199 StPO endgültig eingestellt.

Text

Gründe:

Im Verfahren AZ 29 Hv 18/09d des Landesgerichts Salzburg legte die Staatsanwaltschaft Salzburg Albert S***** mit Strafantrag vom 29. Jänner 2009, AZ 18 St 11/09s (ON 5), ein als Vergehen der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB qualifiziertes Tatgeschehen vom 5. November 2008 zur Last.

In der Hauptverhandlung am 6. März 2009 verkündete die Einzelrichterin des Landesgerichts nach Durchführung des Beweisverfahrens und nach Annahme eines Diversionsanbots durch den Angeklagten den Beschluss auf Einstellung des Verfahrens „gemäß § 203 Abs 1 iVm §§ 198, 199 StPO unter Bestimmung einer Probezeit von 2 (zwei) Jahren“. Der Angeklagte und der öffentliche Ankläger erklärten dazu einen Rechtsmittelverzicht (ON 11 S 7).

Aufgrund eines weiteren Strafantrags der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 6. Mai 2010, AZ 18 St 148/09p (ON 28 in AZ 29 Hv 162/10g des Landesgerichts Salzburg), wurde Albert S***** mit gekürzt ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 6. Dezember 2010, GZ 29 Hv 162/10g 34, der Vergehen des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 StGB, der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB und der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und Abs 2 (Abs 5 Z 3) StGB schuldig erkannt.

Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 30. August 2011, GZ 29 Hv 18/09d 21, wurde das (hier gegenständliche) Strafverfahren gegen Albert S***** wegen des Vergehens der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB gemäß §§ 205 Abs 2 Z 3 iVm 199 StPO nachträglich fortgesetzt, weil der Angeklagte „noch während der offenen Probezeit“ wegen einer anderen Straftat verurteilt worden wäre.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 30. August 2011, GZ 29 Hv 18/09d 21, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Eine nachträgliche Fortsetzung des Strafverfahrens infolge weiterer Delinquenz setzt gemäß § 205 Abs 2 Z 3 StPO voraus, dass gegen den Beschuldigten vor Ablauf der Probezeit ein Strafverfahren wegen einer anderen Straftat eingeleitet wird. Sie ist überdies erst dann zulässig, wenn gegen den Beschuldigten wegen dieser (neuen oder neu hervorgekommenen) Straftat Anklage (§ 210 StPO) eingebracht wurde, und zwar auch noch während dreier Monate nach dem Einbringen, selbst wenn inzwischen die Probezeit abgelaufen ist.

Nach den im bezeichneten Beschluss getroffenen und solcherart den Bezugspunkt der Anfechtung bildenden ( Ratz , WK StPO § 292 Rz 6) Sachverhaltsannahmen wurde Albert S***** mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 6. Dezember 2010 (zu richtig GZ 29 Hv 162/10g 34), somit innerhalb der zweijährigen, am 6. März 2011 abgelaufenen Probezeit wegen weiterer strafbarer Handlungen verurteilt. Die Anklage wegen dieser neuen oder neu hervorgekommenen Straftaten muss daher zwangsläufig vor dem 6. Dezember 2010 eingebracht worden sein (fallaktuell am 10. Mai 2010; ON 28 in AZ 29 Hv 162/10g des Landesgerichts Salzburg), weshalb der mit 30. August 2011 datierte Fortsetzungsbeschluss (ON 21) nach Ablauf der Probezeit und auch nach Ablauf der in § 205 Abs 2 Z 3 StPO eingeräumten Frist von drei Monaten nach dem Einbringen der neuen Anklage und somit verspätet gefasst wurde ( Schroll , WK StPO § 205 Rz 14).

Die Fortsetzung des Strafverfahrens gereicht dem Angeklagten zum Nachteil, sodass sich der Oberste Gerichtshof veranlasst sah, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO) und das Strafverfahren gemäß §§ 203 Abs 4 iVm 199 StPO endgültig einzustellen ( Schroll , WK StPO § 203 Rz 25).