JudikaturJustiz12Os83/12s

12Os83/12s – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. August 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Angrosch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mike H***** und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 25 Hv 7/12k des Landesgerichts Linz, über die von der Generalprokuratur gegen das in diesem Verfahren ergangene Urteil vom 23. Februar 2012 erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 25 Hv 7/12k des Landesgerichts Linz verletzen die mit Urteil vom 23. Februar 2012 (ON 14) erfolgte Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche von Mag. Michael Hu***** und Marcus D***** sowie die Zusprüche von 1.750 Euro an Mag. Michael Hu***** und von 850 Euro an Marcus D***** das Gesetz in §§ 366 Abs 2, 369 Abs 1 StPO.

Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in diesem Umfang aufgehoben.

Text

Gründe:

Beim Landesgericht Linz war zum AZ 25 Hv 7/12k gegen Mike H***** und einen weiteren Angeklagten ein Strafverfahren wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen anhängig.

Diesem Strafverfahren schlossen sich die laut dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft Linz vom 19. Jänner 2012 (ON 3) ausschließlich durch den Angeklagten Mike H***** verletzten Geschädigten Mag. Michael Hu***** und Marcus D***** als Privatbeteiligte an (ON 8, 9).

In der Hauptverhandlung vom 23. Februar 2012 schlossen die Privatbeteiligten mit dem Angeklagten Mike H***** einen Vergleich, der zu Protokoll genommen wurde. Danach verpflichtete sich der Angeklagte, in monatlichen Raten von 100 Euro beginnend mit 15. März 2012 an Mag. Michael Hu***** und anschließend in monatlichen Raten von 100 Euro an Marcus D***** das anerkannte Schmerzengeld (somit 1.750 Euro an Mag. Michael Hu***** und 850 Euro an Markus D***** [ON 13 S 5]) sowie 400 Euro inkl USt pauschal für das Einschreiten von deren Rechtsvertreter zu bezahlen (ON 13 S 6).

In derselben Hauptverhandlung wurde Mike H***** (iSd § 271 Abs 1 Z 7 StPO durch den Verweis auf den Strafantrag der Staatsanwaltschaft Linz noch ausreichend protokolliert) des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und unter anderem verpflichtet, gemäß § 369 Abs 1 StPO dem Privatbeteiligten Mag. Michael Hu***** 1.750 Euro und dem Privatbeteiligten Markus D***** 850 Euro zu bezahlen (ON 13 S 7; ON 14 S 3).

Das Urteil blieb unbekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, stehen die mit Urteil vom 23. Februar 2012 erfolgte Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche sowie die Zusprüche an die Privatbeteiligten Mag. Michael Hu***** und Marcus D***** mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 69 Abs 2 erster Satz StPO hat das Gericht im Hauptverfahren jederzeit einen Vergleich über privatrechtliche Ansprüche zu Protokoll zu nehmen. Ein solcher zivilrechtlicher Vergleich, auf den die §§ 204 ff ZPO sinngemäß anzuwenden sind, bildet einen Exekutionstitel (§ 1 Z 5 EO). Der Privatbeteiligte verliert hinsichtlich der verglichenen Ansprüche ipso iure, ohne dass es einer diesbezüglichen Gerichtsentscheidung bedarf ( Klicka in Fasching/Konecny 2 II/2 §§ 204 bis 206 ZPO Rz 16), seine Parteistellung (vgl Spenling , WK StPO Vor §§ 366 bis 379 Rz 47). Bei Zustandekommen eines Vergleichs sind gemäß § 69 Abs 2 letzter Satz StPO dem Privatbeteiligten, der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten/Angeklagten Vergleichsausfertigungen auszufolgen.

Die Stellung als Privatbeteiligter und jeder Zuspruch an ihn setzen einen noch bestehenden privatrechtlichen Anspruch voraus; erlischt der Anspruch oder erlangt der Berechtigte wie hier einen Exekutionstitel, so erlischt auch die Möglichkeit eines Zuspruchs (vgl Fabrizy , StPO 11 § 366 Rz 3). Angesichts des im Hauptverfahren zustande gekommenen Vergleichs hätte das Landesgericht nicht nochmals über dieselben privatrechtlichen Ansprüche entscheiden dürfen. Der unter Verstoß gegen eine insoweit bereits ergangene Sachentscheidung erfolgte Zuspruch an die Privatbeteiligten Mag. Michael Hu***** und Marcus D***** kann dem Angeklagten zum Nachteil gereichen , sodass sich der Oberste Gerichtshof veranlasst sah, die Feststellung dieser Gesetzesverletzung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit der aus dem Spruch ersichtlichen konkreten Wirkung zu verknüpfen.

Einer diesbezüglichen konkreten Maßnahme steht auch Art 1 des 1. ZPMRK nicht entgegen, weil die Entscheidung über die Ansprüche der zuvor genannten Privatbeteiligten mit dem im Hauptverfahren abgeschlossenen Vergleich erfolgt ist und diese demnach keinesfalls auf den zusätzlichen, gesetzwidrigen Zuspruch (§ 369 Abs 1 StPO) vertrauen durften (vgl allgemein zum Vertrauensschutz des Privatbeteiligten 15 Os 39/11s ).