JudikaturJustiz12Os60/13k

12Os60/13k – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Juni 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juni 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Müller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ruslan G***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und Z 2, 130 vierter Fall, 15 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Sulim T***** und Umar L***** sowie über die Berufung des Angeklagten Mohamed A***** und jene der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht vom 13. Februar 2013, GZ 36 Hv 82/12a 218, weiters über die Beschwerden der Angeklagten Mohamed A*****, Sulim T***** und Umar L***** gegen unter einem gefasste Beschlüsse nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Sulim T***** und Umar L***** sowie die Berufung wegen Schuld des Sulim T***** werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Sulim T*****, Umar L***** und Mohamed A***** sowie der Staatsanwaltschaft und die Beschwerden der genannten Angeklagten werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Sulim T***** und Umar L***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter sowie einen Freispruch enthält, wurde Sulim T***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und Z 2, 130 vierter Fall, 15 Abs 1 StGB (A./I./) sowie der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (A./II./), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (A./III./1./) sowie der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (A./III./2./), Umar L***** des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1, Abs 2, Abs 3 und Abs 4 StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach haben zusammengefasst wiedergegeben - in W***** und andernorts

A./ Sulim T***** zwischen Juni und 13. Oktober 2012

I./ in zahlreichen Angriffen teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter, teils allein mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und gewerbsmäßig anderen durch Einbruch in Gebäude und Aufbrechen von Behältnissen fremde Sachen im Wert von über 50.000 Euro weggenommen und wegzunehmen versucht;

II./ eine fremde Sache beschädigt, und zwar die Geschäftseingangstür der Sylvia W*****;

III./ teils alleine, teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit unbekannten Mittätern jeweils durch eigenmächtiges An Sich Nehmen im Rahmen der unter Pkt I./ genannten Taten

1./ ein gesperrtes Sparbuch und einen Reisepass der Silvia H*****, somit Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, unterdrückt, wobei er mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden;

2./ sich die Bankomatkarte der Silvia H*****, somit ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz verschafft, dass er durch dessen Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde.

B./ Umar L***** Anfang Oktober 2012

I./ den Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen nach der Tat dabei unterstützt, eine Sache, die dieser durch sie erlangt hat, zu verheimlichen und zu verwerten, indem er von Sulim T***** im Rahmen eines Diebstahls durch Einbruch erbeuteten Schmuck übernahm und für 1.500 Euro an einen türkischen Händler verkaufte;

II./ Sachen, die Sulim T***** durch Einbruchsdiebstähle erlangt hat,

a./ an sich gebracht, und zwar 10.000 Euro;

b./ Jasmine B*****, somit einer Dritten, 7.000 Euro verschafft,

wobei er Sachen im Gesamtwert von mehr als 3.000 Euro verhehlte und die mit Strafe bedrohte Handlung, durch die die Sachen erlangt worden sind, nämlich Diebstahl durch Einbruch, aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, die fünf Jahre erreicht oder übersteigt, und er die Umstände kannte, die diese Strafdrohung begründen.

Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, wobei sich Sulim T***** auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO und Umar L***** auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und Z 9 lit a StPO stützt.

Beide verfehlen ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Sulim T*****:

Aus welchem Grund das Erstgericht dazu verhalten gewesen wäre, im Erkenntnis § 5 Z 4 JGG anzuführen, weil der Angeklagte bei der Begehung von „5 Straftaten ... das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte“, legt die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) nicht dar und ist demgemäß nicht der Prozessordnung entsprechend ausgeführt (RIS Justiz RS0116565). Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass ein (auch) mit einer Jugendstraftat (§ 1 Z 3 JGG) oder (auch) mit einer Straftat eines jungen Erwachsenen befasstes Gericht bei Beurteilung strafbarer Handlungen, die der Täter innerhalb unterschiedlicher Altersgrenzen verübt hat, zur Strafrahmenermittlung stets die Prüfung des § 5 JGG und des § 36 StGB ( Schroll in WK 2 JGG § 5 Rz 2) vorzunehmen hat, weil die Festlegung des konkret anzuwendenden Strafrahmens als logischer Voraussetzung der Strafbemessung ( Ratz in WK 2 § 28 Rz 12) ohne deren Beachtung (ebenso wie ohne jene des § 28 StGB) gar nicht möglich ist. Wenn aber eine dieser Bestimmungen den Strafrahmen nach dem Ergebnis dieser Prüfung überhaupt nicht beeinflusst etwa weil die als junger Erwachsener begangenen Taten den Strafrahmen jedenfalls bestimmen oder ein Rechtsbrecher das gleiche Verbrechen vor und nach Erreichung der Altersgrenze begangen hat (vgl SSt 64/87) , ist sie im Erkenntnis auch nicht anzuführen (§ 260 Abs 1 Z 4 StPO: arg „angewendet wurden“; RIS Justiz RS0124806).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Umar L*****:

Die Verfahrensrüge (Z 4) scheitert bereits an der grundlegenden Voraussetzung eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags. Sie nimmt nämlich bloß Bezug auf einen in einem Schriftsatz (ON 18 ON 171) im Ermittlungsverfahren gestellten Antrag und eine darauf bezogene Frage (ON 216 S 65f) des Vorsitzenden an den Angeklagten und übersieht, dass Grundlage einer Verfahrensrüge nur auf Durchführung der begehrten Verfahrensschritte bezogene, unmissverständliche Willenserklärungen in der Hauptverhandlung sein können (RIS Justiz RS0099099 [T11]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 310).

Der Mängelrüge gelingt es nicht, formale Begründungsfehler aufzuzeigen. Unvollständig (§ 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ. Die fehlende Erörterung dieser Verfahrensergebnisse macht die in Hinsicht auf entscheidende Tatsachen getroffenen Feststellungen aus formalen Gründen mangelhaft.

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, wenn sie den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS Justiz RS0118317, RS0108609). Das Aufgreifen formaler Mängel muss sich überdies auf entscheidende Tatsachen beziehen (RIS Justiz RS0106268) und an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß nehmen (RIS Justiz RS0119370).

Die Aussage des Angeklagten Sulim T***** in der Hauptverhandlung hat das Erstgericht der Beschwerde zuwider erörtert (US 29). Mit den Argumenten, der Beschwerdeführer habe „stets beteuert“ nichts von der Herkunft des Schmucks und über den Inhalt eines ihm übergebenen Rucksacks gewusst zu haben, wird lediglich der Versuch unternommen, die Beweiswürdigung des Erstgerichts auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Weise zu bekämpfen. Der beanstandete Schluss von einem gezeigten Verhalten auf das zugrundeliegende Wollen oder Wissen des Täters ist der Auffassung des Beschwerdeführers zuwider methodisch gerechtfertigt und auch rechtsstaatlich zulässig (RIS Justiz RS0116882; Ratz , WK StPO § 281 Rz 452).

Der Zweifelsgrundsatz schließlich kann niemals Gegenstand des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes sein (RIS Justiz RS0102162).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt nicht dar, aus welchem Grund Zeit und Ort der Übergabe des Schmucks und des Geldes an den Beschwerdeführer sowie von ihm an Jasmin B***** von Bedeutung sein sollte. Eine Konkretisierung des Tatzeitpunkts oder Tatorts ist nur dann nichtigkeitsrelevant geboten, wenn dies faktisch oder rechtlich entscheidend ist (RIS Justiz RS0098557).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher ebenso wie die im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene, aber angemeldete (ON 221) Berufung wegen Schuld (§§ 280, 283 Abs 1 StPO) des Sulim T***** bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (wegen des Ausspruchs über die Strafe) auch des Angeklagten Mohamed A***** und der Staatsanwaltschaft sowie die Beschwerden der Angeklagten Sulim T*****, Umar L***** und Mohamed A***** folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.