JudikaturJustiz12Os52/16p

12Os52/16p – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Juni 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Juni 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Janisch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martin R***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB, AZ 9 U 69/14p des Bezirksgerichts Murau, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 15. Jänner 2015, GZ 9 U 69/14p 9, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Bauer zu Recht erkannt:

Spruch

Der zugleich mit Urteil vom 15. Jänner 2015, GZ 9 U 69/14p 9, ergangene Beschluss auf Widerruf der bedingten Entlassung zu AZ 31 BE 330/13w, 331/13t des Landesgerichts Leoben verletzt das Gesetz in § 494a Abs 1 Z 4 StPO und § 53 Abs 1 StGB.

Dieser Beschluss wird ersatzlos aufgehoben. Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der bedingten „Begnadigung“ zu AZ 31 BE 330/13w, 331/13t des Landesgerichts Leoben wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Martin R***** wurde mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Bezirksgerichts Murau vom 19. August 2013, GZ 9 U 41/13v 14, wegen der Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB und der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt. Der Vollzug eines Restes dieser Strafe in der Dauer von drei Monaten und vier Tagen wurde gemäß Entschließung des Bundespräsidenten (im Rahmen der Weihnachtsbegnadigung; Erlass des Bundesministeriums für Justiz, BMJ S4741/0025 IV 7/2013) mit Wirkung vom 17. Dezember 2013 unter Bestimmung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren bedingt nachgesehen (ON 17).

Der vom Landesgericht Leoben als Vollzugsgericht zwischenzeitig gefasste Beschluss vom 6. Dezember 2013 auf bedingte Entlassung aus dieser Freiheitsstrafe am 21. Jänner 2014 (Strafrest zwei Monate), GZ 31 BE 330/13w, 331/13t 4, wurde infolge dieser Begnadigung hinfällig (siehe auch ON 5 im Strafvollzugsakt AZ 31 BE 330/13w, 331/13t des Landesgerichts Leoben).

Mit gekürzt ausgefertigtem Urteil des Bezirksgerichts Murau vom 15. Jänner 2015, GZ 9 U 69/14p 9, wurde Martin R***** abermals wegen Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten verurteilt und unter einem der Beschluss „auf Widerruf der bedingten Entlassung zu 31 BE 330/13w des Landesgerichts Leoben gemäß § 494a Z 4 StPO“ gefasst.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht der gemeinsam mit dem gekürzt ausgefertigten Urteil des Bezirksgerichts Murau vom 15. Jänner 2015, GZ 9 U 69/14p 9, gefasste Beschluss auf Widerruf der bedingten Entlassung des Martin R***** zu AZ 31 BE 330/13w, 331/13t des Landesgerichts Leoben aus nachfolgenden Erwägungen mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO hat das erkennende Gericht den Widerruf einer bedingten Entlassung auszusprechen, wenn jemand wegen einer strafbaren Handlung verurteilt wird, die er vor Ablauf der Probezeit nach einer bedingten Entlassung begangen hat, und die Voraussetzungen für den Widerruf der bedingten Entlassung (§ 53 Abs 1 StGB) vorliegen.

Der Beschluss des Landesgerichts Leoben als Vollzugsgericht vom 6. Dezember 2013 auf bedingte Entlassung des Martin R*****, GZ 31 BE 330/13w, 331/13t 4, wurde nicht effektuiert. Die (mit den Wirkungen der bedingten Strafnachsicht erfolgte) Entlassung des Martin R***** aus dem (weiteren) Vollzug der zu AZ 9 U 41/13v des Bezirksgerichts Murau verhängten Freiheitsstrafe erfolgte vielmehr gemäß Entschließung des Bundespräsidenten mit Erlass des Bundesministeriums für Justiz, was für das Gericht sowohl aus der aktenkundigen Strafregisterauskunft (ON 4 S 21 f) als auch aus dem auf Widerruf der bedingten „Begnadigung“ gerichteten Antrag der Anklagebehörde im Strafantrag vom 20. November 2014 (ON 5) sowie aus dem zur Hauptverhandlung beigeschafften Vollzugsakt AZ 31 BE 330/13w, 331/13t des Landesgerichts Leoben (dort ON 5) ersichtlich war.

Der Widerruf einer nicht effektuierten bedingten Entlassung steht mit § 494a Abs 1 Z 4 StPO und § 53 Abs 1 StGB nicht im Einklang. Ein nachträglicher Widerruf der im Gnadenweg gewährten bedingten Entlassung des Martin R***** kommt mangels Anfechtung der verfehlten Widerrufsentscheidung durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 494b StPO nicht (mehr) in Frage.

Da die aufgezeigte Gesetzesverletzung geeignet ist, sich zum Nachteil des Verurteilten auszuwirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihr wie aus dem Spruch ersichtlich konkrete Wirkung zuzuerkennen (§ 292 letzter Satz StPO).