JudikaturJustiz12Os29/22i

12Os29/22i – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Juni 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juni 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Marko, BA, BA, in der Strafsache gegen * K* und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * K* und * S* sowie die Berufung des Angeklagten * A* gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 25. November 2021, GZ 34 Hv 89/21g 48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten * K* und * S* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche zweier Mitangeklagter enthält, wurden * S* dreier Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A./) und * K* des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben am 30. Mai 2021 in I*

A./ * M*, * A* und * S* in einverständlichem Zusammenwirken mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) * Sa*, * Sch* und * Mo* fremde bewegliche Sachen, nämlich zumindest 550 Euro Bargeld und drei Mobiltelefone mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen und abgenötigt, indem sie die Genannten unter dem Vorwand, dass dort eine Party stattfinden würde, in das Parkhaus in der Nähe des I* Marktplatzes lockten, wobei

* A* dem * Sa* einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, ihm das Mobiltelefon entriss und ihn zur Übergabe des gesamten Bargelds aufforderte,

* M* dem * Mo* ein Bein stellte, sodass dieser zu Boden stürzte, sein Knie gegen den Hals- und Oberkörperbereich des am Boden Liegenden drückte, ihm erklärte, dass sie gerade überfallen werden und er „ausgeknockt“, also zumindest bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen werden würde, wenn er Geld und Handy nicht herausgäbe, * S* dem am Boden fixierten * Mo* die Geldbörse aus der Gesäßtasche und * A* dessen Mobiltelefon aus der Hosentasche entnahm und

* S* seine Hand um den Hals des * Sch* legte, ihn zu Boden drückte und ihm androhte, ihn zu erschlagen, wenn er nicht das Bargeld und sein Mobiltelefon herausgäbe;

B./ * K* dadurch, dass er die Verabredung zwischen * M* sowie * A* zur Begehung der zu A./ beschriebenen Tat mitanhörte und während dieser am Tatort anwesend war, es mit dem Vorsatz, dass vorsätzlich mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte strafbare Handlungen, nämlich die Verbrechen des Raubes gemäß § 142 Abs 1 StGB, begangen werden, unterlassen, ihre unmittelbar bevorstehende und schon begonnene Ausführung zu verhindern.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich Nichtigkeitsbeschwerden, die * K* auf Z 5, 9 lit a und b sowie 10a, und * S* auf Z 10a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, stützen. Sie schlagen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*:

[4] Soweit die Mängelrüge (Z 5 zweiter und vierter Fall) die Konstatierungen kritisiert, wonach der Beschwerdeführer die anlässlich der Verabredung der Tat zwischen * M* und * A* geführten Gespräche mitangehört hat, spricht sie keine entscheidenden Tatsachen an. Denn die Beschwerde übersieht, dass sich der Schöffensenat zudem darauf bezog, dass es der Angeklagte K* (auch) unterließ, die schon begonnene Tatausführung (§ 286 Abs 1 zweiter Fall StGB) zu verhindern, was bereits für sich den Schuldspruch stützt.

[5] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst Feststellungen dazu, ob dem Angeklagten die Vornahme der gebotenen Handlung physisch-real möglich gewesen wäre. Sie geht jedoch prozessordnungswidrig (vgl RIS Justiz RS0099810) an den (im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen) Konstatierungen vorbei, wonach * K* – zwecks Abwendung der Tat – „laut insistieren“ hätte müssen (US 22). Solcherart haben die Tatrichter – entgegen der Auffassung der Generalprokuratur – das in Rede stehende (ungeschriebene) Tatbestandsmerkmal (RIS Justiz RS0113959) hinreichend deutlich (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 19) zum Ausdruck gebracht.

[6] Die weitere Beschwerde (Z 9 lit b) kritisiert unter Hinweis auf die Einlassung des Angeklagten, wonach er „in diesem Moment“ (in dem eines der Opfer zu Boden stürzte – vgl ON 47 S 4 f) in einem Schockzustand gewesen sei und „Schiss“ gehabt hätte, das Fehlen von Feststellungen zu den Voraussetzungen des Entschuldigungsgrundes nach § 286 Abs 1 Z 1 StGB. Das Rechtsmittel legt aber nicht deutlich und bestimmt dar, weshalb die gebotene Verhinderung der Tat (hier: das festgestellte „Insistieren“ zu irgendeinem Zeitpunkt ab der bevorstehenden bis zur bereits begonnenen Ausführung) nicht leicht im Sinn eines unzumutbaren Persönlichkeitseinsatzes (vgl Hinterhofer , SbgK § 286 Rz 49) gewesen sein soll (§ 286 Abs 2 Z 1 erster Fall StGB) oder die Gefahr eines beträchtlichen Nachteils für den Angeklagten (§ 286 Abs 2 Z 1 zweiter Fall StGB) bewirkt hätte.

[7] Die Diversionsrüge (Z 10a) behauptet das Vorliegen nicht schwerer Schuld gemäß § 198 Abs 2 Z 2 StPO unter Hinweis auf die Verantwortungsübernahme des Angeklagten. Sie unterlässt es jedoch, ihr Vorbringen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Voraussetzungen des § 198 StPO zu entwickeln (vgl RIS Justiz RS0124801). Denn das Rechtsmittel macht nicht deutlich, weshalb das festgestellte Untätigbleiben des Angeklagten von der Verabredung bis hin zur Ausführung von Taten, die zudem mit erheblicher Gewaltanwendung gegen drei Opfer einhergingen, keine präventiven Erfordernisse darstellen sollen, die einer diversionellen Erledigung entgegenstehen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*:

[8] Die Diversionsrüge (Z 10a) erklärt nicht, aus welchem Grund bei der Begehung dreier Raubtaten im Beisein von weiteren zwei Mittätern, im Zuge dessen der Beschwerdeführer seine Hand um den Hals eines Raubopfers legte und dieses unter zusätzlicher Gewaltandrohung zu Boden drückte (US 8), nicht von schwerer Schuld im Sinn des § 7 Abs 2 Z 1 JGG auszugehen sein sollte. Im Übrigen erschöpft sich das Vorbringen zum Fehlen (spezial )präventiver Erfordernisse (§ 7 Abs 1 JGG) in einer bloßen Rechtsbehauptung.

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in teilweiser Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.