JudikaturJustiz12Os22/02

12Os22/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Juni 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Juni 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Reiter als Schriftführer, in der Strafsache gegen Baki R***** wegen des Verbrechens des versuchten sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 30. Oktober 2001, GZ 22 Hv 1009/01a-52, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig gefassten Widerrufsbeschluss (§ 494a Abs 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugemittelt.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält, wurde Baki R***** des jeweils versuchten Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB und des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 19. Mai 2001 in Graz

1. außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen, nämlich der neunjährigen Fatlume B***** und der elfjährigen Besmire B***** vorzunehmen versucht, in dem er die Türe zur Küche des Caritas-Heimes "St. Gabriel" zuhielt und beide Mädchen durch die mit dem Vorhalten eines Messer bekräftigte Drohung, sie andernfalls umzubringen, mit dem Messer aufzuschneiden und sie aus dem Fenster zu werfen, aufforderte, ihren Hosen auszuziehen, und durch diese Tat

2. außer dem Fall des § 201 StGB Fatlume und Besmire B***** mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht. Gemäß § 21 Abs 2 StGB wurde Baki R***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil aus Z 3, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagt. Der nicht näher begründete Beschwerdestandpunkt (Z 3), wonach im Einweisungsverfahren nach § 21 Abs 2 StGB der Sachverständige während der gesamten Hauptverhandlung anwesend sein müsse, ist - im Gegensatz zum Regelungsinhalt hinsichtlich des Verteidigers (§ 439 Abs 1 StPO) - weder dem § 439 Abs 2 StPO noch sonst dem Gesetz zu entnehmen. Dem Angeklagten und seinem Verteidiger muss durch die gesetzlich geforderte Beiziehung eines Sachverständigen in der Hauptverhandlung vielmehr lediglich die Möglichkeit gegeben werden, zu dessen Ausführungen Stellung zu nehmen (Mayerhofer StPO4 § 439 E 2). Dass eine solche nicht eingeräumt worden wäre, widerspricht der Aktenlage (248 f) und wurde im Übrigen vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet.

In welcher Weise sich aus der Aussage der Halime B***** ein sexuell motiviertes Handeln des Beschwerdeführers ergibt, hat das Erstgericht im Gegensatz zur Mängelrüge (Z 5) ausführlich begründet (US 9). Dass es bei Abwägung der Beweismittel den in dieser Hinsicht tragfähigen Wahrnehmungen dieser Zeugin im Zusammenhalt mit den Angaben weiterer Zeugen mehr Gewicht beimaß als der insoweit unsicheren und einer exakten wissenschaftlichen Aussage nicht zugänglichen Einschätzung des Psychiaters, ist als Akt freier richterlicher Beweiswürdigung im Schöffenverfahren nicht anfechtbar.

Mit dem gegen den objektiven Tatbestand der §§ 202 Abs 1, 207 Abs 1 StGB gerichteten Einwand, wonach das bloße Entkleiden "an sich" nicht als geschlechtliche Handlung zu werten sei, verlässt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) den Boden des in Versuchsform festgestellten Urteilssachverhaltes und ist damit ebensowenig gesetzmäßig ausgeführt wie mit der Verneinung der vom Angeklagten zwar geleugneten, aber dennoch umfassend (zu 1. und 2.) festgestellten subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen.

Die somit teils offenbar unbegründete und im Übrigen nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war demnach bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285a Z 2, 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO).

Über die Berufung des Angeklagten und seine Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) hat damit das zuständige Oberlandesgericht zu entscheiden (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.