JudikaturJustiz12Os150/92

12Os150/92 – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. März 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.März 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Markel, Mag.Strieder und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kobler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ing.Maximilian K***** wegen §§ 146 ff StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 11. September 1992, AZ 22 Bs 391/92, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Jerabek, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten Ing.Maximilian K*****, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit Beschluß des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17.Juni 1991, GZ 24 a Vr 12290/90-43, wurde die Voruntersuchung gegen Ing.Maximilian K***** wegen §§ 146 ff StGB und anderer Delikte eingeleitet. Der dagegen eingebrachten Beschwerde des Beschuldigten gab die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit Beschluß vom 22.Juli 1992 (ON 47 im Akt des Landesgerichtes) nicht Folge.

Das Oberlandesgericht Wien wies mit Beschluß vom 11.September 1992, AZ 22 Bs 391/92, die vom Beschuldigten gegen den Ratskammerbeschluß erhobene Beschwerde als unzulässig zurück, weil ein Rechtszug von der Ratskammer zum Gerichtshof zweiter Instanz nach § 114 Abs. 1 Z 2 StPO nur in jenen Fällen zulässig sei, in denen die Voruntersuchung durch die Ratskammer selbst eingeleitet oder eingestellt wurde.

Dagegen wendet sich der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Beschwerde, die in der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien aus nachstehenden Gründen eine Verletzung der zitierten gesetzlichen Bestimmung erblickt:

"§ 114 Abs. 1 Z 2 StPO statuiert einen weiteren Rechtszug an den Gerichtshof zweiter Instanz für den Fall, daß von der Ratskammer über die Einleitung oder Einstellung der Voruntersuchung erkannt wurde; somit ist nach dem klaren Wortlaut dieser Gesetzesstelle die Beschwerde an das Oberlandesgericht stets zulässig, wenn Einleitung oder Einstellung der Voruntersuchung Gegenstand der Entscheidung der Ratskammer war. Eine Einschränkung des Rechtszuges an das Oberlandesgericht auf die Fälle, daß die Ratskammer selbst die Voruntersuchung eingeleitet (§ 92 Abs. 3 StPO) oder eingestellt hat (§ 109 Abs. 2 StPO), läßt sich dieser Gesetzesbestimmung nicht entnehmen. In der gemäß dem § 113 StPO gegen die Einleitung der Voruntersuchung durch den Untersuchungsrichter gerichteten Beschwerde strebte der Beschuldigte Ing.Maximilian K***** ausdrücklich die Einstellung der gegen ihn eingeleiteten Voruntersuchung an. Schon daraus folgt zwingend, daß die Ratskammer im Rahmen dieser Beschwerdeentscheidung über die Einstellung der (gegen den Beschwerdeführer durch den Untersuchungsrichter eingeleiteten) Voruntersuchung im Sinne des § 114 Abs. 1 Z 2 StPO erkannt hat. Die vom Oberlandesgericht Wien vorgenommene einschränkende Auslegung dieser Bestimmung (zu Lasten des Beschuldigten) ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar, sie würde auch deren (rechtspolitischen) Sinn und Zweck zuwiderlaufen und dem Beschuldigten in der ihm darnach zustehenden (weiteren) Rechtsmittelbefugnis verkürzen."

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Mit dem Strafprozeßanpassungsgesetz 1974, BGBl 423/1974, wurde die derzeit geltende Fassung des § 114 Abs. 1 Z 2 StPO in Wirksamkeit gesetzt (Art II Z 36). Nach der davor in Geltung gewesenen Fassung war ein weiterer Rechtszug an den Gerichtshof zweiter Instanz nur gegen solche Entscheidungen der Ratskammer zulässig, mit denen (unter anderem) ein Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung abgelehnt oder die Einstellung der Voruntersuchung ausgesprochen wurde.

Das Strafprozeßanpassungsgesetz 1974 verfolgte unter anderem den Zweck, die Strafverfahrensvorschriften den mit dem Strafgesetzbuch 1975 neu geschaffenen materiellrechtlichen Straflosigkeitsgrund der mangelnden Strafwürdigkeit der Tat nach § 42 StGB anzupassen. Der Entwurf schlug für die einzelnen Verfahrensstadien Bestimmungen vor, die angesichts der Bedeutung dieser neuen Einrichtung die Entscheidung im Vorverfahren der Ratskammer zuwiesen. Der Antrag in diese Richtung sollte immer zur Entscheidung der Ratskammer (§ 109 Abs. 2 StPO) und nicht etwa zur Einstellung des Verfahrens durch den Untersuchungsrichter nach § 109 Abs. 1 StPO führen. Die Entscheidung der Ratskammer über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 StGB sollte durch Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz anfechtbar gemacht und § 114 Abs. 1 Z 2 in diesem Sinn ergänzt werden. Bekämpfbar sollten dabei aber nicht nur Entscheidungen über die Frage der mangelnden Strafwürdigkeit sein, sondern alle Entscheidungen der Ratskammer über die Einleitung oder Einstellung der Voruntersuchung nach den §§ 92 Abs. 3 sowie 109 Abs. 2 StPO, und zwar unabhängig davon, ob die Einstellung ausgesprochen oder abgelehnt wird. Die nunmehr in Geltung stehende Formulierung des § 114 Abs. 2 StPO sollte dieser Erweiterung der Rechtsmittelmöglichkeit angepaßt werden (EB zu RV des StPAG, 934 BlgNR, 13.GP, 25 und 26 zu Art I Z 27 und 35).

Mit dem Hinweis auf die Entscheidungen nach §§ 92 Abs. 3 und 109 Abs. 2 StPO hat der Gesetzgeber selbst klargestellt, daß der die Strafprozeßordnung beherrschende Grundsatz, daß zur Frage der Einleitung der Voruntersuchung in der Regel nur zwei Instanzen entscheiden sollen, beibehalten werden und nur jene Entscheidungen der Ratskammer über die Voruntersuchung einem Rechtszug unterliegen sollen, in denen infolge Bedenken des Untersuchungsrichters gegen den Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung diese durch die Ratskammer eingeleitet wurde (§ 92 Abs. 3) oder die Voruntersuchung durch die Ratskammer von Amts wegen eingestellt wird (§ 109 Abs. 2; vgl dazu die bereits vom OLG Wien herangezogenen Ausführungen in Foregger-Serini-Kodek, StPO5, Anm II, und Mayerhofer-Rieder, StPO3, ENr 12 a, jeweils zu § 114; siehe ferner auch Bertel, Strafprozeßrecht3, RN 480).

Bei sinngerechter Auslegung der mit dem StPAG 1974 neu gefaßten gesetzlichen Bestimmung des § 114 Abs. 1 Z 2 StPO ergibt sich unter Bedachtnahme auf den aus den Gesetzesmaterialien klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers, der keineswegs im Widerspruch zur gesetzlichen Anordnung selbst steht, daß Beschwerden gegen Entscheidungen der Ratskammer im Falle der Einleitung oder Einstellung der Voruntersuchung an den Gerichtshof zweiter Instanz allein dann zulässig sind, wenn die Ratskammer unmittelbar über einen solchen Verfahrensschritt selbst und nicht über eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Untersuchungsrichters erkannt hat. Da der angefochtene Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien mit der angewandten gesetzlichen Regelung in Einklang steht, mußte die dagegen gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes verworfen werden.