JudikaturJustiz12Os145/15p

12Os145/15p – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Januar 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Jänner 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Aleksandre T***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall, 15 Abs 1 StGB, AZ 16 Hv 37/15y des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes sowie über die Beschwerde der Dolmetscherin MMag. Dr. Eteri O***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 30. Oktober 2015, AZ 23 Bs 261/15y, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 30. Oktober 2015, AZ 23 Bs 261/15y, verletzt das Gesetz in § 242 Abs 1 und Abs 3 StPO.

Dieser Beschluss wird ersatzlos aufgehoben.

Mit ihrer Beschwerde wird MMag. Dr. Eteri O***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Für den Fall der Aufhebung des Entfalls der Kostenersatzpflicht nach § 391 Abs 2 StPO fallen den Verurteilten die durch das Ausbleiben der Dolmetscherin MMag. Dr. Eteri O***** bei der Berufungsverhandlung vom 22. Oktober 2015 verursachten Kosten nicht zur Last.

Text

Gründe:

Im Strafverfahren gegen Aleksandre T***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall, 15 Abs 1 StGB, AZ 16 Hv 37/15y des Landesgerichts für Strafsachen Wien, fand am 22. Oktober 2015 zu AZ 23 Bs 261/15y eine Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Wien statt. Da die als Dolmetscherin für die georgische Sprache geladene MMag. Dr. Eteri O***** unentschuldigt nicht erschien und über telefonische Nachfrage bekundete, sie habe infolge eines Krankenhausaufenthalts „auf die Ladung vergessen“, wurde die Berufungsverhandlung auf 12. November 2015 vertagt.

Mit Beschluss vom 30. Oktober 2015, AZ 23 Bs 261/15y, verhängte die Vorsitzende des Berufungssenats über MMag. Dr. Eteri O***** „gemäß § 242 Abs 3 StPO“ eine Ordnungsstrafe von 200 Euro und verpflichtete die Genannte zufolge der von ihr bewirkten Vertagung zum Ersatz der durch ihr Fernbleiben verursachten Kosten.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht dieser Beschluss mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach § 242 Abs 1 StPO kann der Vorsitzende die unverzügliche Vorführung von Zeugen oder Sachverständigen anordnen, wenn sie ungeachtet der an sie ergangenen Vorladung bei der Verhandlung nicht erscheinen, wobei die Vorführungsanordnung (in subjektiver Hinsicht; RIS Justiz RS0097988) einen Ungehorsamstatbestand voraussetzt. Darüber hinaus kann der Vorsitzende mit Einverständnis der Beteiligten die im Ermittlungsverfahren abgelegten Aussagen verlesen oder die Verhandlung vertagen und die neuerliche Ladung oder Vorführung des Zeugen bzw Sachverständigen anordnen (Abs 2 leg cit). Gemäß § 242 Abs 3 erster Satz StPO ist über den Ausgebliebenen eine Geldstrafe bis zu 1.000 Euro zu verhängen und er im Falle der Vertagung nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung zum Ersatz der durch sein Ausbleiben verursachten Kosten zu verpflichten.

Diese besonderen Ungehorsamsfolgen gelten explizit nur für Zeugen und Sachverständige. Dolmetscher haben zwar Ladungen Folge zu leisten (§ 127 Abs 4 StPO), sind aber von dem in § 242 Abs 1 StPO genannten Personenkreis nicht erfasst (vgl Tipold , WK StPO § 127 Rz 47). Diese Differenzierung beruht auf dem Umstand, dass Zeugen und Sachverständige Beweispersonen sind, deren Erscheinen zur Wahrheitsfindung und zur zügigen Erledigung des Verfahrens unerlässlich ist (vgl JMVBl Nr 44/1917 und Z 12.642 9/54, Z III in Mayerhofer/Salzmann , Verordnungen und Erlässe 4 315 ff), weil es stets von den Umständen des Falls abhängt, ob eine Verlesung ihrer bisherigen Depositionen als Ersatz für deren Aussage vor Gericht in Frage kommt ( S. Mayer , Commentar §§ 242, 243 Rz 1). Der Dolmetscher hingegen fungiert als bloßer Sprachmittler des Gerichts, der bei allfälligem Nichterscheinen zur Hauptverhandlung durch einen Berufskollegen ersetzt werden kann.

Die mit Beschluss der Vorsitzenden des Berufungssenats des Oberlandesgerichts Wien vom 30. Oktober 2015 verhängte Ordnungsstrafe und die Verpflichtung zum Kostenersatz finden in § 242 Abs 1 und Abs 3 StPO keine Deckung; Anhaltspunkte für das Vorliegen eines auf andere gesetzliche Grundlagen (vgl §§ 93 f und 127 Abs 5 StPO) zu stützenden Anlasses für die ausgesprochenen Säumnisfolgen sind ebenfalls nicht auszumachen.

Da sich dieser Beschluss zum Nachteil der vom Oberlandesgericht Wien beigezogenen Dolmetscherin ausgewirkt hat, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die festgestellte Gesetzesverletzung auch mit der aus dem Spruch ersichtlichen konkreten Wirkung (§ 292 letzter Satz StPO) zu verknüpfen. Die Verfahrenskosten wurden zwar für uneinbringlich erklärt (ON 84, 85). Da ein solcher Beschluss jedoch gemäß § 391 Abs 2 letzter Satz StPO jederzeit aufgehoben werden kann, war sicherzustellen, dass sich aus der Zuerkennung konkreter Wirkung keine nachteiligen Auswirkungen für die Verurteilten ergeben können (vgl RIS Justiz RS0059218).

Mit ihrer (unzulässigen; vgl 15 Os 65/14v) Beschwerde gegen den nunmehr ersatzlos aufgehobenen Beschluss war MMag. Dr. Eteri O***** auf diese Entscheidung zu verweisen.