JudikaturJustiz12Os133/15y

12Os133/15y – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. November 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. November 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Markus R***** wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 und 7 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 2. Oktober 2014, GZ 14 Hv 135/13f 47, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 2. Oktober 2014 verletzt das Gesetz in § 205 Abs 5 vierter und fünfter Satz, § 270 Abs 4 Z 1 iVm § 270 Abs 2 Z 4 iVm § 260 Abs 1 Z 3 und § 270 Abs 4 Z 2 StPO.

Text

Gründe:

Das gegen Markus R***** geführte Verfahren AZ 14 Hv 135/13f des Landesgerichts für Strafsachen Graz wurde vorerst mit in Anwesenheit des Angeklagten in der am 28. November 2013 durchgeführten Hauptverhandlung (ON 23) gefasstem und in Rechtskraft erwachsenem Beschluss gemäß § 201 StPO iVm § 199 StPO vorläufig eingestellt und dem Genannten mit dessen Zustimmung die (bereits zu AZ 28 St 148/13i der Staatsanwaltschaft Graz geleistete [ON 35] und nunmehr angerechnete) Erbringung gemeinnütziger Leistungen im Ausmaß von 100 Stunden aufgetragen sowie die Weisung erteilt, im Zusammenwirken mit dem Verein Neustart ein Konzept zur Schadensgutmachung zu erstellen (ON 25).

Da der Angeklagte dieser Weisung nicht nachgekommen war (ON 34, 36, 39 und 41), setzte das Erstgericht mit Beschluss vom 6. August 2014 das Verfahren gemäß § 205 Abs 2 Z 2 StPO iVm § 199 StPO fort (ON 1 S 9, ON 42).

Mit rechtskräftigem, in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 2. Oktober 2014, GZ 14 Hv 135/13f 47, wurde der Angeklagte der Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 und 7 StGB (A./I./ und C./), der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (A./II./) und nach § 1 Notzeichengesetz (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er

A./ am 6. März 2013 im Raum A***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit den abgesondert verfolgten Dominik K***** und Charline B***** in achtzehn im Urteilsspruch im Einzelnen angeführten Angriffen

I./ fremde Sachen, die teils dem öffentlichen Verkehr dienen, verunstaltet bzw unbrauchbar gemacht, indem sie zahlreiche Verkehrszeichen ausrissen bzw beschädigten sowie mehrere Gebäude und Fahrzeuge und ein Verkehrszeichen mit schwarzem und rotem Lack besprühten, wobei ein Schaden von 10.603,52 Euro entstand;

II./ einen anderen dadurch geschädigt, dass sie eine fremde bewegliche Sache, nämlich ein Hinweisschild (Polizei) der Landespolizeidirektion Steiermark aus deren Gewahrsam dauernd entzogen, ohne die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen;

B./ am 15. April 2013 in S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Dominik K***** mit dem mittlerweile verstorbenen Patrick G***** vorsätzlich durch eine falsche Notmeldung den Dienst der Feuerwehr in Anspruch genommen, indem sie die Verglasung des Alarmknopfes einschlugen und den Alarmknopf der freiwilligen Feuerwehr L***** drückten;

C./ am 5. Mai 2013 und am 11. Mai 2013 in A***** eine fremde Sache, nämlich einen Personenkraftwagen der A***** KEG beschädigt, indem er alle Scheiben einschlug sowie mit einem Stein auf die Motorhaube schlug, wodurch der KEG ein Schaden von 1.000 Euro entstand.

Hiefür wurde der Angeklagte unter Anwendung des § 28 StGB nach § 126 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, deren Vollzug nach § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Das Erstgericht sprach aus, dass die erbrachten gemeinnützigen Leistungen im Ausmaß von 100 Stunden auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet werden (US 4). Welcher konkrete Zeitraum den geleisteten gemeinnützigen Leistungen entspricht, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Für die Dauer der Probezeit wurde Bewährungshilfe angeordnet (US 5).

Da sich der Verurteilte trotz förmlicher Mahnung beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers entzog (ON 50 bis 53, 55 f), widerrief das Landesgericht für Strafsachen Graz mit Beschluss vom 20. Mai 2015 nach § 53 Abs 2 StGB die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe und ordnete an, dass diese „unter Anrechnung der erbrachten gemeinnützigen Leistungen im Ausmaß von 100 Stunden zu vollziehen“ ist (ON 60).

Nach der am 23. Juni 2015 nach Rechtskraft des Beschlusses vom 20. Mai 2015 abgefertigten Anordnung des Strafvollzugs durch das Landesgericht für Strafsachen Graz ist (wegen Anrechnung der erbrachten gemeinnützigen Leistungen) eine um 25 Tage reduzierte Freiheitsstrafe von drei Monaten und fünf Tagen zu verbüßen (ON 60 S 4).

Der Verurteilte befand sich ab 28. Juli 2015 zur Verbüßung der gegenständlichen Freiheitsstrafe in Haft, wobei er am 1. Oktober 2015 nach § 46 Abs 1 StGB bedingt entlassen wurde (s Strafregisterauskunft; IVV Auszug vom 23. Oktober 2015; ON 62).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ausführt, steht das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 2. Oktober 2014, GZ 14 Hv 135/13f 47, soweit es den den erbrachten gemeinnützigen Leistungen von 100 Stunden entsprechenden, von der verhängten viermonatigen Freiheitsstrafe im Fall ihres Vollzugs in Abzug zu bringenden Zeitraum nicht anführt und die für die Umrechnung wesentlichen Kriterien nicht erkennen lässt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Gemäß § 205 Abs 5 vierter Satz StPO sind im Rahmen eines Diversionsverfahrens erbrachte, nicht in Geld bestehende Leistungen bei einer nachträglichen Fortsetzung des Strafverfahrens nicht zu ersetzen, im Fall einer Verurteilung jedoch angemessen auf die Strafe anzurechnen. Nach dem fünften Satz leg cit sind dabei Art und Dauer der Leistung zu berücksichtigen.

Diese Anrechnung der erbrachten Leistungen ist Teil des Strafausspruchs des Urteils nach § 260 Abs 1 Z 3 StPO (vgl EBRV 25 BlgNR 22. GP 239; Schroll , WK StPO § 205 Rz 12/3 f und 16), und nicht Gegenstand einer späteren Entscheidung, wie beispielsweise des Widerrufsbeschlusses oder wie gegenständlich der Strafvollzugsanordnung.

Auch das in gekürzter Form ausgefertigte (§ 270 Abs 4 Z 1 StPO) Strafurteil hat im Fall eines Schuldspruchs gemäß dem auch im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts anzuwendenden (§ 488 Abs 1 StPO; Lendl , WK-StPO § 260 Rz 5) § 260 Abs 1 Z 3 StPO auszusprechen, zu welcher Strafe der Angeklagte verurteilt wird, wobei die Strafe so genau bestimmt werden muss, dass über deren Vollzug kein Zweifel entstehen kann ( Lendl , WK StPO § 260 Rz 34 f).

Der gegenständliche Strafausspruch lässt jedoch nicht erkennen, in welchem Ausmaß die erbrachten gemeinnützigen Leistungen auf die verhängte viermonatige Freiheitsstrafe anzurechnen sind und damit auch nicht, welcher konkret verbleibende Strafrest (im Fall des Widerrufs der aktuell zunächst nach § 43 Abs 1 StGB gewährten bedingten Strafnachsicht [US 4]) zu vollziehen ist.

Nach § 270 Abs 4 Z 2 StPO hat die in

gekürzter Form erfolgte Urteilsausfertigung die als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung sowie die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände zumindest in Schlagworten zu enthalten.

Die für die Angemessenheit der Anrechnung wesentlichen Kriterien sind dem Urteil jedoch ebenfalls nicht zu entnehmen.

Ein Nachteil für den Verurteilten kann fallbezogen dennoch ausgeschlossen werden:

Verbindliche Umrechnungsregeln für die gebotene Berechnung des den erbrachten gemeinnützigen Leistungen angemessen entsprechenden Anteils existieren nicht. Doch bietet § 3a Abs 1 zweiter Satz StVG, wonach vier Stunden gemeinnütziger Leistungen einem Tag (Ersatz ) Freiheitsstrafe entsprechen, einen Umrechnungsansatz, den das Erstgericht de facto bei Anordnung des Strafvollzugs berücksichtigt hat, sodass von einer willkürlichen Entscheidung nicht gesprochen werden kann (vgl Schroll , WK StPO § 205 Rz 12/3 f). Der Oberste Gerichtshof sah sich daher zu einer Zuerkennung konkreter Wirkung nicht veranlasst (§ 292 letzter Satz StPO).