JudikaturJustiz12Os124/07p

12Os124/07p – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. November 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maschler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mola S***** wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 27. Juni 2007, GZ 11 Hv 6/07d-57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das Urteil zur Gänze aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf das kassatorische Erkenntnis verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mola S***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG, der Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall, Abs 2 Z 2 erster Fall SMG (1) sowie der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (2) schuldig erkannt. Danach hat er in Graz den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift

1) von Anfang 2006 bis 30. November 2006 in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, durch gewinnbringenden Verkauf von ca 480 Gramm Heroin, ca 43 Gramm Kokain und ca 1.233 Gramm Cannabiskraut an die abgesondert verfolgten Edwin E*****, Marvis O***** und andere bislang unbekannte Personen in Verkehr gesetzt;

2) im Zeitraum Anfang August 2005 bis 30. November 2006 durch Konsum unbekannter Mengen Cannabisprodukte erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Inhaltlich bekämpft der Angeklagte lediglich den Schuldspruch 1 mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

In der Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert der Beschwerdeführer die Abweisung seines Antrags auf Einholung eines Stimmvergleichgutachtens zum Beweis dafür, dass die anlässlich der Telefonüberwachung aufgenommenen Gespräche über Suchtgifttransaktionen nicht vom Angeklagten geführt wurden (S 44 iVm ON 53/II).

Das Erstgericht wies dieses Begehren mit der Begründung ab, dass sich aus den bisher aufgenommenen Beweisen ergebe, dass das benutzte Handy Mola S***** zuzuordnen sei, er selbst anlässlich eines (vom Gericht anlässlich der Hauptverhandlung vom 28. März 2007 unter Beiziehung eines Dolmetschers durchgeführten; vgl S 370 ff/I) Stimmvergleichs Gespräche, welche über dieses Mobiltelefon geführt worden seien, zugestanden und lediglich jene Telefonate in Abrede gestellt habe, in denen es um Suchtmittelan- und verkäufe gegangen sei (S 44/II). Zutreffend zeigt der Rechtsmittelwerber auf, dass mit dieser Argumentation eine vorgreifende Beweiswürdigung (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 341; RIS-Justiz RS0099523 und RS0098454) einhergeht, zumal im Beweisantrag ausdrücklich auf die Ausführungen des zur Hauptverhandlung vom 28. März 2007 beigezogenen Dolmetschers verwiesen wurde, der zwar eine Ähnlichkeit zwischen der anlässlich der Telefonüberwachung aufgezeichneten Stimme und jener des Nichtigkeitswerbers feststellte, aber nicht in der Lage war, die abgehörten Telefonate, in denen über Suchtgiftgeschäfte gesprochen wurde, hundertprozentig dem Angeklagten zuzuordnen (S 372/I). Die Tatrichter haben zu prüfen, ob und inwieweit das vom Antragsteller angestrebte Ergebnis der Beweisaufnahme geeignet ist, die dem Gericht durch die Gesamtheit der ihm vorliegenden Verfahrensergebnisse vermittelte Beweislage maßgebend zu verändern, insbesondere die bisherigen Ergebnisse des Beweisverfahrens in einer bestimmten Richtung zu widerlegen und auf diese Weise die Entscheidung zu beeinflussen (vgl RIS-Justiz RS0099523). In der Begründung des abweisenden Zwischenerkenntnisses fehlt eine derartige Abwägung. Bei der Beweiswürdigung ging das erkennende Gericht vielmehr davon aus, dass Mola S***** die von ihm bestrittenen Telefonate geführt hatte, ohne dass die beantragte und gerade diese Annahme in Frage stellende Beweisaufnahme durchgeführt worden war. Unter anderem auf diese Gespräche stützte das erkennende Gericht die inkriminierte Suchtgiftdealertätigkeit des Rechtsmittelwerbers (US 11 ff).

In Anbetracht dieses Verfahrensfehlers war daher das Urteil im Schuldspruch 1 aufzuheben.

Darüber hinaus war gemäß § 289 StPO auch der Schuldspruch 2 aufzuheben, weil dieser im Hinblick auf die zwingende Diversionsbestimmung des § 35 Abs 1 SMG iVm § 37 SMG nur dann Bestand haben könnte, wenn im zweiten Rechtsgang neuerlich eine Verurteilung nach dem SMG erfolgen würde, die nicht nur im Erwerb und Besitz geringer Mengen Suchtmittel besteht (vgl RIS-Justiz RS00119278). Solcherart war das gesamte Urteil bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 285e StPO). Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen des Angeklagten.

Mit seiner Berufung war der Rechtsmittelwerber auf das kassatorische Erkenntnis zu verweisen.