JudikaturJustiz12Os114/23s

12Os114/23s – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Oktober 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Besic in der Strafsache gegen * B* wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom (richtig) 8. Mai 2023, GZ 19 Hv 27/23m 49.3, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* – soweit hier von Bedeutung – des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie in S* von 2017 bis zum April 2021 gegen die unmündige * P* länger als ein Jahr fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem sie ihr zumindest fünf Mal pro Monat (US 3) mit einem hölzernen Kochlöffel und der flachen Hand gegen das Gesäß und die Oberschenkel schlug, wodurch die Genannte im betroffenen Bereich Hämatome erlitt, ihr mit der flachen Hand auf die Wange schlug, wodurch die Genannte Rötungen im Gesicht erlitt, sie zwei Mal an den Haaren zog und ein Mal mit erheblicher Krafteinwirkung gegen eine Wand stieß, wodurch die Genannte nur noch unter Schmerzen atmen konnte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.

[4] Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) eines Urteils ist dann gegeben, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt, wohingegen der Vorwurf an die Tatrichter, aus der Urkunde oder Aussage statt der vertretbarer Weise gezogenen Schlüsse nicht andere abgeleitet zu haben, bloß unzulässige Kritik an deren Beweiswürdigung darstellt (RIS Justiz RS0099431 [T2]).

[5] Davon ausgehend wird mit dem Einwand, die Feststellung, wonach die Schläge mit dem hölzernen Kochlöffel und der Hand sowie die Ohrfeigen zumindest fünf Mal pro Monat stattfanden (US 3), sei aktenwidrig, weil „sie sich nicht aus der Aussage des Opfers ableiten“ lasse, ein Begründungsmangel in der Bedeutung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes der Sache nach gar nicht behauptet.

[6] Der weiteren Kritik der Mängelrüge (nominell Z 5 erster Fall, der Sache nach Z 5 dritter Fall) zuwider stehen die Feststellungen, wonach es zwischen 2017 und April 2021 mehrmals im Monat zu den urteilsgegenständlichen Tathandlungen kam, wonach keine exakten Feststellungen zur Häufigkeit und zu den einzelnen Tatzeitpunkten getroffen werden können, und wonach Gewalt bei einer Durchschnittsbetrachtung fünf Mal pro Monat angewendet wurde (US 3), keineswegs in Widerspruch zueinander.

[7] Die Tatsachenrüge (Z 5a als Aufklärungsrüge) „vermisst die amtswegige Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens zur Wahrnehmungs oder Wiedergabefähigkeit der Zeugin * P*“. Mit dem Vorbringen, die Beschwerdeführerin sei an einer auf Einholung eines entsprechenden Gutachtens abzielenden Antragstellung gehindert gewesen, „weil sie von der Rechtsansicht des Gerichts überrascht war, dass das Gericht dem Opfer tatsächlich Glauben schenkt“, macht sie nicht deutlich, wodurch sie an sachgerechter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen sei (vgl aber RIS Justiz RS0115823 und RS0114036).

[8] Die eine rechtliche Beurteilung der einzelnen Taten als Körperverletzungen nach § 83 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) leitet ihre Behauptung, das Gericht hätte über die Konstatierung, wonach die Gewalt bei einer Durchschnittsbetrachtung fünf Mal pro Monat stattfand (US 3), hinaus „noch konkreter feststellen müssen, wann, wie oft und in welchem Abstand die einzelnen Gewaltakte stattgefunden haben“, nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS Justiz RS0116565; vgl auch RS0129716 [T4] und RS0127377).

[9] Weshalb die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB in der geltenden Fassung für die Angeklagte ungünstiger als jene nach dem vom 1. Juni 2009 bis zum 31. Dezember 2019 in Geltung gestandenen § 107b Abs 1, Abs 3 Z 1 und Abs 4 vierter Fall StGB idF BGBl I 2009/40 sein soll, erklärt die weitere Subsumtionsrüge nicht (vgl aber RIS Justiz RS0116565; im Übrigen 13 Os 10/22b; zur Zusammenfassung einer Mehrzahl von rechtlich selbständigen Einzeltaten zu einer Subsumtionseinheit nach § 107b StGB siehe eingehend 11 Os 76/21t mwN).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) – gleichwohl angemeldete – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO) bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[11] Die Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[12] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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