JudikaturJustiz12Os111/21x

12Os111/21x – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Dezember 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Kontr. Fleischhacker in der Strafsache gegen * C* und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 15. Juni 2021, GZ 151 Hv 9/21g 37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * C* und * Ca* – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitbeschwerde von Bedeutung – gemäß § 259 Z 3 StPO von der wider sie erhobenen Anklage freigesprochen, sie hätten am 8. oder 9. Oktober 2010 in W* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) eine wehrlose Person, nämlich die volltrunkene, nicht ansprechbare * R* unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass sie mit ihr den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende Handlungen vornahmen, indem sie den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr vollzogen und sie vaginal und/oder anal digital sowie mit einem Werkzeughammer, einem Haarkamm, einer Haarspraydose und einem Glätteisen penetrierten.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richtet sich die aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO zum Nachteil beider Angeklagter erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

[3] Gründet das Gericht einen Freispruch auf die Annahme, dass mehrere Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt sind, und trifft es zu diesen hinreichende (negative) Feststellungen, so ist es unter dem Aspekt erfolgreicher Urteilsanfechtung erforderlich, alle die Tatbestandsverwirklichung ausschließenden (negativen) Konstatierungen deutlich und bestimmt als mangelhaft begründet (Z 5) oder unter Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus Z 4 zu bekämpfen (RIS Justiz RS0127315 [T4]).

[4] Vorliegend konstatierte das Schöffengericht, dass es zwischen beiden Angeklagten und * R* zu geschlechtlichen Handlungen gekommen war, ging jedoch davon aus, dass diese (einen auf Missbrauch im Sinn des § 205 StGB gerichteten Vorsatz logisch ausschließend) einvernehmlich stattgefunden hatten (US 3). Solcherart bejahten die Tatrichter nicht nur die sexuelle Diskretions- und Dispositionsfähigkeit der * R* und deren Einwilligung in objektiver Hinsicht, sondern trafen (mit Blick auf die Erwägungen zur Glaubwürdigkeit der Darstellung der Angeklagten) der Sache nach auch eine Negativfeststellung zur subjektiven Tatseite, nämlich zu dem auf die Wehrlosigkeit und die sexuelle Selbstbestimmungsunfähigkeit des Opfers bezogenen Vorsatz (vgl Hinterhofer SbgK § 205 Rz 45). Damit verneinte das Erstgericht den auf ein Ausnützen der * R* bezogenen Vorsatz bei * C* und * Ca* (siehe dazu Philipp in WK 2 StGB § 205 Rz 11, 20).

[5] Die Mängelrüge kritisiert unter Bezugnahme auf den von den Tatrichtern ohnehin erwogenen übermäßigen Alkoholkonsum der * R* (US 4) allein die Bejahung von deren Selbstbestimmungsfähigkeit als unvollständig (Z 5 zweiter Fall) und offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall). Die Negativfeststellung zu einem auf einen Missbrauch des Opfers gerichteten Vorsatz der Angeklagten hingegen wird von der Beschwerde lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung („insgesamt betrachtet hätte das Erstgericht bei Würdigung dieser Verfahrensergebnisse“) bestritten.

[6] Die nicht erfolgreich bekämpfte Negativfeststellung zur subjektiven Tatseite steht jedoch dem von der Beschwerdeführerin angestrebten Schuldspruch nach § 205 Abs 1 StGB und somit einer erfolgreichen Urteilsanfechtung entgegen. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere auf den Tatzeitpunkt bezogene Beschwerdevorbringen aus Z 5 (vgl RIS Justiz RS0127315 [T3]) und geht auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) von vornherein ins Leere.

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).