JudikaturJustiz11Os99/21z

11Os99/21z – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. September 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. September 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vizthum als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ludwig W***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 18. Mai 2021, GZ 3 Hv 23/21s 78, weiters über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Geschworenengerichts vom 8. Juli 2021, GZ 3 Hv 23/21s 85, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde der Angeklagte Ludwig W***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 10. November 2020 in G***** Franz G***** vorsätzlich getötet, indem er ihm mit einem Messer einen Stich in den Bauch versetzte, wodurch es zu einem Durchstich der Leber kam, welcher dessen Tod zur Folge hatte.

[3] Die Geschworenen hatten die Hauptfrage 1 in Richtung des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB bejaht und die hierzu gestellten (alternativen) Zusatzfragen nach den Strafausschließungsgründen der Notwehr und der Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt verneint. Demgemäß unterblieb die Beantwortung der Eventualfragen zum Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 2 dritter Fall StGB (Eventualfrage 2) und zum Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 86 Abs 2 StGB (Eventualfrage 4) sowie jener – für den Fall der Bejahung (einer) der Teilfragen nach Notwehr oder Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt zum Vergehen der fahrlässigen Tötung nach § 80 Abs 1 StGB (Eventualfragen 1, 3 und 5).

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 3, 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[5] Die Verfahrensrüge (Z 3) bleibt mit dem einleitenden Vorbringen, dass bei zwei Tatrekonstruktionen „ wesentlicher Argumentationsstandpunkt und Beweis für die Notwehrsituation war und ist, dass der Angeklagte nicht körperlich im Stande war, die Tür aus den Angeln zu heben oder zu reißen. Dieser Umstand ist daher von Relevanz und begründet Nichtigkeit, da er auf das Urteil Einfluss hat“, unverständlich. Weiters behauptet sie, dass von den beiden im Ermittlungsverfahren durchgeführten Tatortrekonstruktionen in der Hauptverhandlung vorwiegend die zeitlich frühere vorgeführt und einem Antrag der Verteidigung auf Vorführung der späteren nur teilweise entsprochen worden sei. Weder dieser Antrag (der Sache nach Z 5) auf vollständige Vorführung des über die zweite Tatrekonstruktion angefertigten Videos vom 4. Jänner 2021 noch die angebliche Rüge der Vorführung der Videoaufzeichnung über die erste Tatrekonstruktion sind aus dem vom Verteidiger unbeanstandet gebliebenen Hauptverhandlungsprotokoll ersichtlich. Gleiches gilt für die Kritik, der Vorsitzende habe während der Ausführungen des Angeklagten dessen Mikrofon abgestellt; ein dagegen gerichteter, unter dem Aspekt der Z 5 beachtlicher Antrag wird nicht einmal behauptet.

[6] Die Beschwerde verkennt im Übrigen , dass nur ein im Gesetz ausdrücklich als nichtig bezeichneter Akt bzw die Verletzung einer der in § 345 Abs 1 Z 4 StPO taxativ angeführten Bestimmungen Nichtigkeit nach Z 3 bzw 4 begründet (RIS-Justiz RS0099344, RS0099118). Dies ist weder hinsichtlich der am 16. Dezember 2020 durchgeführten Tatrekonstruktion noch der unterbliebenen Mitteilung der Liste der neuen Beweismittel im Sinn des § 222 Abs 2 StPO der Fall (vgl Danek/Mann , WK-StPO § 222 Rz 2). Auch diesbezüglich nennt das Rechtsmittel keine die Einhaltung der Vorschrift des § 222 Abs 2 StPO begehrende Antragstellung.

[7] Der weiteren Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung mehrerer (namentlich genannter) Zeugen und auf Vorführung eines Polizeivideos Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt, denn die angeführten Beweisthemen (ON 77 S 27) des (generellen) Aggressionspotentials des Tatopfers sowie seiner Suchtgiftbeeinträchtigung (wobei der darauf bezogene Antrag überdies zurückgezogen wurde [ON 77 S 27]) und des fehlenden Motivs sowie Aggressionspotentials des Angeklagten betrafen jeweils keine erheblichen Tatsachen (RIS-Justiz RS0116503).

[8] Die eigenhändig verfasste Beschwerde des Angeklagten (ON 86) gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 8. Juli 2021 (ON 85), mit dem der Antrag des Angeklagten auf Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls (ON 84) abgewiesen worden war, ist unzulässig und war zurückzuweisen , weil der Antrag erst nach der am 24. Juni 2021 eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerde (ON 83 S 1) am 29. Juni 2021 erhoben wurde und demnach verspätet war (RIS-Justiz RS0120818 [T3]; RS0100152; Danek/Mann , WK-StPO § 271 Rz 47, 56).

[9] D ie Nichtigkeitsbeschwerde war bei nichtöffentlicher Beratung gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.